Mit Auszügen aus der Rede von Anna Lafrentz, 1. Vorsitzende Clubkombinat Hamburg e. V.
Die Demonstration „Molotow muss bleiben!“ war ein eindrucksvoller Appell an die Stadt Hamburg für den Fortbestand des Molotow und gegen die Verdrängung von Kulturorten. Innerhalb kürzester Zeit gelang es an den Tagen zwischen den Jahren einen Schulterschluss von Künstler:innen, Clubs und Publikum zu formieren, der eine bemerkenswerte Mobilisierung in Gang setzte.
Die Kündigung des Mietvertrags für das Molotow ist ein Erdbeben für die Musikstadt Hamburg und darf nicht folgenlos bleiben! Das Molotow ist ein prominentes Opfer, das genutzt werden sollte, um auch weniger prominenten Verdrängungsfällen künftig vorzubeugen. Wir brauchen nicht nur ein konsequentes und schnelles Handeln für das Molotow, sondern auch den ehrlichen Willen einer politischen Aufarbeitung. Wie kann es sein, dass ein Musikclub, der laut Flächennutzungsplan in einer “Gemischten Baufläche” liegt, “deren Charakter als Dienstleistungszentren für die Wohnbevölkerung und für die Wirtschaft durch besondere Festsetzungen gesichert werden soll” und dessen Existenz auch im Club-Kataster (https://geoportal-hamburg.de/club-kataster/) verzeichnet ist, in seinen Belangen übersehen wird?
Wir müssen verstehen, warum es zu diesen Entscheidungen kommen konnte, wie die Prozesse verliefen, um dann Konsequenzen auf den verschiedenen Ebenen (Bezirke, Land, Bund) zu ziehen.
Lasst uns genau hinschauen, denn in Hamburg existieren in der Club-Landschaft auch weniger bekannte Fälle mit Bedrohungspotenzial: z.B. der Brückenstern an der Sternbrücke im Zusammenhang mit der jahrelangen Baustelle.
Die Astra Stube wartet auf finanzielle Zusagen für die Übernahme von Umzugskosten.
Der Hafenbahnhof (in Altona) verzeichnet eine unsichere Mietvertragslage und nah heranrückende Wohnbebauung.
ABER: Es sind nicht nur Clubs bedroht, sondern auch andere kulturelle und gesellschaftsgestaltende Orte wie z.B. die Mundhalle die bei der Raumfindung behandelt wird wie auf einem Verschiebebahnhof mit ständig leeren Versprechungen.
Unser Manifest #wirbrauchenräume und eine öffentliche Anhörung der Bürgerschaft im Februar 2023 hat etliche weitere Fälle in Hamburg zu Tage gebracht.
Wir fragen uns: Warum ist die Bayerische Hausbau nicht längst auf der Blacklist für Investoren in Hamburg? Offensichtlich dürfen sie in Hamburg sogar munter weiter tätig sein: im September erst wurde mit der Stadt gemeinsames Richtfest für einen Bürokomplex in Alsterdorf gefeiert.
Für eine prosperierende Clubkultur ist künftig ein enges und andauerndes Zusammenspiel zwischen Finanzbehörde, Stadtentwicklungsbehörde und Kulturbehörde erforderlich. Wir brauchen nicht nur Hilfszusagen in der akuten Not. Wir müssen die Probleme an der Wurzel angehen.
Im Rot/Grünen-Koalitionsvertrag von 2020 sind einige Punkte vereinbart, die noch auf eine Umsetzung auf Landesebene warten:
Die Koalitionspartner setzen sich dafür ein, den Clubs für gemeinschaftliche Aktionen zur finanziellen Abmilderung des jährlichen Sommerlochs eine geeignete Freiluftveranstaltungsfläche zur Verfügung zu stellen.
Wir möchten außerdem erreichen, nach dem Beispiel der Hansestadt Bremen auch in Hamburg Free Open Airs kurzfristig, kostenfrei und mit wenig Verwaltungsaufwand angemeldet und durchgeführt werden können.
Wir wollen für die Hamburger Clubszene in der Fläche ein HVV-Kombiticket prüfen.
Wir werden prüfen, ob ein Kulturkataster nach dem Vorbild des Clubkatasters auf dem Weg zu diesem Ziel ein geeignetes Instrument sein kann.
Kultur und Soziales sollen bei der Stadtentwicklung zu einem verbindlichen Teil der Planungen gemacht werden. In allen Stadtentwicklungs- und Neubauvorhaben sollen verbindliche Vereinbarungen über kulturelle und soziale Flächen herbeigeführt werden, an denen geprobt, gespielt und Neues ausprobiert werden kann.
Das sind alles Punkte des aktuellen Koalitionsvertrages!
Wir fragen uns, wie diese Punkte in den bisherigen Strukturen mit einer fehlenden Dynamik umgesetzt werden sollen. Darüber hinaus haben wir natürlich noch ein paar weitere Vorschläge für politische Maßnahmen parat:
- Verbindlichmachung zur Nutzung des Club-Katasters, z.B. in Verbindung mit einem
- „Agent of change“-Ansatz wie zum Beispiel in San Francisco. Dort müssen Projektentwickler:innen, die einen Neubau vorschlagen, an einer Anhörung vor eine Kommission teilnehmen. Bei drohender Kulturverdrängung kann ein Veto-Recht diese Vorhaben stoppen. So könnten auch Kompensationsauflagen für Investoren in die Vorbescheidsverfahren integriert werden.
- die Einflussnahme der Behörde für Kultur und Medien auf die Sprinkenhof muss strukturell implementiert werden: Die Finanzbehörde/LIG sollte nicht alleinig über Kulturflächen entscheiden können.
- Und wo wir gerade bei Forderungen sind: Die Abschaffung des Tanzverbots an Karfreitag in Hamburg wäre auch eine helfende Strukturmaßnahme.
Auf Bundesebene formuliert der Bundesverband LiveKomm einen Forderungskatalog mit 15 Handlungsfeldern für eine kulturelle Stadtentwicklung. Aktuell laufen innerhalb der Bundesregierung Prozesse zur Anpassung der Baunutzungsverordnung und Schallschutz-Verordnungen (TA Lärm). Hierzu haben die Clubs einen Vorschlag für eine Kulturschallverordnung (analog zum Sport) skizziert. Bis zum parlamentarischen Sommerpause 2024 könnte der Bund und die 16 Bundesländer wegweisende Verfahren umsetzen. Doch die Widerstände – insbesondere aus der Verwaltungsebene – sind enorm.
Mit der Kampagne #clubsAREculture versuchen über 750 Clubs und Festivals für diese Prozesse eine Öffentlichkeit zu erzeugen und auf Politik und Behörden im Sinne einer lebendigen Club- und Festivalkultur einzuwirken.
Wer die Anliegen für eine lebendige Club- und Festivalkultur unterstützen will, dem seien folgende Support-Optionen empfohlen:
1. Verfolgt, kommentiert und verbreitet unsere Beiträge auf
https://www.instagram.com/clubsareculture_official/
https://www.instagram.com/clubkombinat/
2. Spendet verfügbare Gelder an: a. Clubkombinat Hamburg e.V. zur Stärkung des Sprachrohrs der Musikclubs in Hamburg (zur Abwicklung schreibt an kontakt(at)clubkombinat.de) oder b. Stiftung zur Stärkung privater Musikbühnen Hamburg (Clubstiftung) für strukturelle Förderungen
3. Erwägung einer Fördermitgliedschaft im Clubkombinat
Unser ausdrücklicher Dank für den reibungslosen Demo-Ablauf gilt dem DANS Kollektiv und DemoraveHH, Lasterkonzerte, Waldinselrecords, totec, protonesveranstaltungstechnik, den Künstler:innen (insbesondere Sempf, Team Scheisse, Deine Cousine, depridisko), den Redner:innen, Hamburger Ding, Klubhaus St. Pauli, allen Helferinnen und Helfern, den zahlreichen Spender:innen, Kevin Winiker vom @Photostudio Ottensen, Sebastian Madej, den Einsatzkräften der Polizei und den Angestellten des Lindner Hotels (Am Michel).
Vielen Dank für die zahlreichen Medien-Berichte u.a. auf
Tagesschau.de
https://www.tagesschau.de/inland/regional/hamburg/ndr-demo-molotow-must-stay-um-club-schliessung-abzuwenden-100.html
https://www.tagesschau.de/inland/regional/hamburg/ndr-solidaritaets-demo-fuers-molotow-interview-mit-andi-schmidt-100.html
Birgit Reuther für das Abendblatt Hamburg
https://www.abendblatt.de/hamburg/kultur/article240898386/Fuer-s-Molotow-Heute-demonstriert-die-Hamburger-Clubkultur.html
Hamburger Morgenpost
https://www.mopo.de/hamburg/polizei/kult-club-vor-dem-aus-molotow-demo-in-hamburg-gestartet/
Deutschlandfunk Kultur in der Sendung Tonart (03. Januar 2024)
https://www.deutschlandfunkkultur.de/kahlschlag-in-der-hamburger-clubszene-dlf-kultur-c6b4c246-100.html
Concert News: Molotow (must stay) (08. Januar 2024)
SAT 1 Regional: Molotow, Sternbrücke und Co.: Hamburger Clubs droht das Aus (09. Januar 2024)
Hamburg Zwei Podcast: Nach dem Aus fürs MOLOTOW – Der leidenschaftliche Kampf gegen das Club-Sterben in Hamburg (09. Januar 2024)
T-Online Kommentar: Am Ende bleiben nur noch Hotels und Kioske (10. Januar 2024)
Tagesthemen Instagram: Hamburg sterben die Clubs weg (12. Januar 2024)
NDR Kultur: Hamburger Molotow-Club: Betreiber kündigt Massenentlassung an (12. Januar 2024)
NDR: Clubs in Hamburg sterben aus (12. Januar 2024)
ZEIT Elbvertiefung: DER SATZ: »Damals haben wir uns gedacht: Welcher Ort hier in Hamburg hat am meisten Soul?« (12. Januar 2024)
Resident Advisor: ‚For the protection of subculture‘: Hamburg activists launch Demorave campaign to defend local venues against gentrification (15. Januar 2024)