Im Club mit: Tonbandgerät


Euer aktuelles Album trägt den Titel „Zwischen all dem Lärm“. Wohin zieht ihr euch zurück, wenn euch die Stadt zu laut wird?

Ole Specht: Ich bin so ein Nischen-Nerd-Sportler geworden und gehe voll gerne zum Disc-Golfen. Das ist quasi Frisbee-Golf. In der City Nord, zwischen all diesen großen Versicherungsgebäuden, gibt es einen Parcours und ab 17 Uhr ist da niemand mehr. Dadurch zu spazieren und seine Scheiben in Körbe zu werfen, macht den Kopf frei.

Sophia Poppensieker: Ich bin total gerne auf der anderen Elbseite gegenüber von den Landungsbrücken, wo man mit dem Fahrrad durch den Alten Elbtunnel hinkommt. Abends dort am Strand sitzen und auf die Stadt gucken, ist schon cool.

Und wo geht ihr hin, wenn ihr Action wollt?

Ole: Ich bin vor fünf Jahren nach St. Georg gezogen und je länger ich da wohne, desto wohler fühle ich mich. Ich hatte das Viertel vorher gar nicht auf dem Zettel, aber jetzt gehe ich da richtig gerne weg, weil es genau wie der Schanze oder St. Pauli ein ganz eigener Kiez ist. Besonders gerne hänge ich bei Frau Möller ab.

Sophia: Ich gehe gerne in den Otzentreff. Das ist eine Bar, in die man sich vielleicht anfangs nicht reintraut, weil man nicht reingucken kann und keine Ahnung hat, was einen erwartete. Aber es erwarten einen die kreativsten Schnapsnamen – zum Beispiel Omas offenes Bein Stadion eins und zwei, das ist mit Eierlikör, oder die flüssige Depression. Wenn man den trinkt, ist man der Champ, denn das ist der stärkste Schnaps.

Könnt ihr euch noch an euren ersten Club- oder Konzertbesuch in Hamburg erinnern?

Ole: Bei mir ist es ganz unangenehm: Das war DJ Bobo in der Sporthalle…

Sophia: Mein erstes Konzert war irgendwas vom Frauenmusikzentrum in der Fabrik. Da hat meine Mama mich hingeschleppt. Das erste, auf dem ich freiwillig war, war Shakira. In meiner Erinnerung war da ein echtes, weißes Pferd auf der Bühne. Ob das stimmt – man weiß es nicht.

Wo hattet ihr mit Tonbandgerät eure ersten Auftritte?

Ole: Unseren allerersten hatten wir im Scope am Hans-Albers-Platz, das gibt es heute nicht mehr. Eigentlich war das eine klassische Abzocke: Man musste denen 50 Karten abkaufen, dann durfte man spielen. Der Clubbesitzer hat die Verantwortung also quasi komplett abgegeben.

Sophia: Danach waren wir viel im Pocca auf dem Hamburger Berg. Wir haben da einfach angerufen und gefragt, wann wir spielen können, und dann haben sie uns einen Tag genannt. Es gab es zwar kein Geld, aber Getränke – damit waren wir völlig zufrieden. Unseren Freunden haben wir gesagt: wenn ihr kommt, kriegt ihr auch ein Bier.

Was haben diese Orte für euren Werdegang bedeutet?

Ole: Super viel. Das Pocca ist echt toll, weil die viele unbekannte Bands haben spielen lassen. Das war jedes Mal eine kleine Chance für uns, weil immer relativ viel Laufpublikum da war und man sich wirklich ein paar Leute erspielen konnte. Es wird leider schnell vergessen, wie wichtig diese kleinen Clubs für die Musikkultur sind.

Seitdem habt ihr in Hamburg fast überall gespielt. Welche Show werdet ihr nie vergessen?

Sophia: Unser fünfjähriges Bandjubiläum haben wir in der Astra Stube gefeiert. Wir waren damals mega stolz, dass das ausverkauft war. Ab da werde ich keins unserer Konzerte vergessen. Ein halbes später haben wir das Knust gebucht. Wir hatten da noch nicht mal ein Album draußen und alle haben geredet: Sind die verrückt geworden? Aber wir haben es ausverkauft.

Ole: Diese Läden waren für uns Instanzen. Und auch wenn ich das Wort eigentlich doof finde, ich bin schon ein bisschen stolz, dass wir so lange dabeigeblieben sind und so viel gespielt haben. Das war manchmal echt frustrierend, weil es sehr langsam voran ging. Aber irgendwann war eben das Knust voll, dann das Uebel & Gefährlich, die Große Freiheit und 2017 sogar zwei Mal die Elbphilharmonie. Zu wissen, das haben wir uns irgendwie erspielt, war schon ein tolles Gefühl.

Was macht einen guten Club aus?

Sophia: Ich finde er darf nicht zu sauber und zu hell sein. Außerdem mag ich es, wenn man wie im Uebel & Gefährlich hinten etwas höher stehen kann. Das ist für das Publikum und die Künstler gut, weil man die Leute viel besser sehen kann.

Ole: Das Personal ist auch wichtig. Wenn es eingeschworene Truppe, fühlt man sich als Künstler sofort willkommen. Und natürlich der Standort. Konzerte, die in St. Pauli oder auf dem Kiez stattfinden, haben schon eine andere Stimmung als im Mehr Theater oder der Sporthalle. Nicht nur, weil das ganz andere Venues sind. Wenn Clubs richtig in das Viertel integriert sind, waren die Leute wahrscheinlich vorher auf der Ecke schon was trinken. Das ist etwas anderes, als wenn man erst nach Stellingen fahren muss.

Wie würdet ihr die Hamburger Clublandschaft beschreiben? 

Ole: Als super vielfältig, was ich echt toll finde.

Sophia: Wir haben im Otzentreff mal darüber diskutiert, dass Hamburg beim Feiern gehen sehr politisch ist. Das ist in anderen Städten nicht so. Läden wie die Kogge machen keinen Hehl daraus, dass sie politisch aktiv sind. Ich weiß auch noch, wie es 2017 in ganz vielen Bars die „Soli-Mexikaner gegen Trump“ gab. Man nimmt das so selbstverständlich hin, aber das ist schon etwas Besonderes.

Wenn ihr Kultursenator wärt, was würdet ihr in Hamburg ändern?

Ole: Ich würde auf jeden Fall mehr Geld in neue Proberäume stecken, denn es ist in Hamburg einfach super schwer, bezahlbare Räume zu finden. Außerdem würde ich die kleinen Clubs stärken und subventionieren, weil die der Nährboden für alles sind.

Sophia: Für die Clubs wäre es auch wichtig mal darüber zu reden, ob Musik Lärm ist – oder eher wie ein Kinderspielplatz zu einer Stadt dazugehört. Gerade weil St. Pauli immer teurer wird, sollte die Stadt die Clubs schützen, statt zu sagen die Nachbarn haben sich beschwert, ihr müsst jetzt teuer nachrüsten oder das war’s. Musik ist wichtig für die Gesellschaft, und kein Lärm.

Bei welchem Konzert würdet ihr im Juli gerne auf der Gästeliste stehen?

Ole: Bei Weezer am 2. Juli im Stadtpark natürlich, die habe ich noch nie live gesehen. Und bei Bernd Begemann am 11. Juli im kukuun. Als ich 19 war, kam ich mit meinem Mitbewohner mal an einem Begemann-Plakat vorbei und weil wir Lust auf Kultur hatten, sind wir spontan aufs Konzert. Wir hatten einen richtig guten Abend und haben viel gelacht!

Sophia: Ich würde zu The National am 16. Juli im Stadtpark gehen. Und natürlich zu KLAN am 27. Juli beim Sommer in Altona. Ich mag das Konzept vom Sommer in Altona und KLAN ist eine tolle Band.

Habt ihr noch ein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Sophia: Falls ihr Lust habt, zu unserem Stadtpark-Konzert aufblasbare Tiere oder Bälle mitzubringen, freuen wir uns!


ZUR BAND

2007 gründeten die beiden Schwestern Sophia und Isa Poppensieker die Band Tonbandgerät. Über YouTube fanden sie Sänger Ole Specht, 2010 stieß Schlagzeuger Jakob Sudau dazu. Noch vor Erscheinen ihres Debütalbums „Heute ist für immer“ im Jahr 2013 gewannen sie den New Music Award der ARD-Radioprogramme und den Hamburger Musikpreis HANS. Für das Goethe-Institut tourten sie bereits durch Amerika, China und Israel.

https://www.musikvomband.de/


ZUR MUSIK

Auch auf ihrem dritten Album „Zwischen all dem Lärm“, das im September erschien und auf Platz 33 der deutschen Charts einstieg, gelingt Tonbandgerät der Spagat zwischen Indie und Pop. Eingängige Melodien treffen auf tiefgründige Texte über Themen wie das Älterwerden, Jugend und Heimat. Aufgenommen in den legendären Hansa Studios in Berlin, hört man den zwölf Songs aber auch den Spaß am Musikmachen an.


TONBANDGERÄT live

Datum: 30. August 2019 Ort: Stadtpark

Einlass: 17 Uhr Beginn: 19 Uhr

Tickets: 34,75 Euro

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