Im Club mit: The Jeremy Days


Über 20 Jahre nach eurer Auflösung spielt ihr im Januar im Docks. Warum war es Zeit für ein Live-Comeback?

Dirk Darmstaedter: Ich hätte eigentlich nie geglaubt, dass das jemals passieren würde. Wie viele Bands haben auch wir uns im Streit getrennt und ich habe immer gesagt, dass die Band nie wieder zusammenkommen wird. Vor einem Dreivierteljahr schrieb mich dann der Booker unserer letzten beiden Tourneen an und fragte, ob wir zum 30-jährigen Jubiläum unseres Debütalbums Lust auf ein paar Konzerte hätten. Und wie es im Leben manchmal ist: während wir früher alle keine Zeit und keinen Kopf dafür gehabt hätten, passte es jetzt irgendwie.

Warum habt ihr euch damals überhaupt getrennt?

Wir haben ja sehr jung angefangen. Von 18 bis 30 war die Band unser Leben, wir haben das wahnsinnig ernst genommen, zeitweise auch zusammen gelebt. Wir haben uns über die Band definiert. Wenn du 30 bist, willst du irgendwann auch mal anders wahrgenommen werden. Aber The Jeremy Days war ein toller Teil unseres Lebens und ich freue mich drauf, das zu feiern.

Du bist der Musik immer treu geblieben. Was haben die anderen die letzten Jahre 20 gemacht?

Unser Gitarrist Jörn übernahm das Hamburger Hafenklang Studio und produzierte unter anderem Alben von Annett Louisan, unser Keyboarder Louis lebt inzwischen als Schauspieler und Fotograf in Los Angeles, unser Drummer Stefan hat in Berlin Theatermusik gemacht und war mit Lou Reed und Rufs Wainwright unterwegs, und unser Bassist Christoph Kaiser startete eine Karriere als Filmkomponist. Er ist bei dem Geburtstagskonzert aber nicht dabei, seinen Part übernimmt unser guter Freund Stephan Gade. Wir werden übrigens sogar in unserem alten Studio, dem Hafenklang Studio proben. Es ist also alles wie früher, nur 30 Jahre später.

Welche eurer früheren Hamburg-Shows ist bis heute unvergessen?

Ich muss gestehen, dass meine Erinnerung da sehr bruchstückhaft ist. Es kommen oft Leute zu meinen Konzerten, die sagen „weißt du noch 1992 in Hameln auf der Burg?“. Ich stehe dann immer mit einem leicht blassen Gesichtsausdruck da (lacht). Woran ich mich aber erinnere, ist diese Verbindung, die wir miteinander hatten. The Jeremy Days war unsere Familie.

Ihr habt The Jeremy Days Mitte der Achtziger gegründet – wie war Hamburgs Club- und Musikszene damals?

Wir kamen aus einer kompletten Anti-Haltung. Als wir loslegten, ging die Neue Deutsche Welle gerade zu Ende und es gab nichts – keine Szene, keine Vorbilder. Die Leute, zu denen wir aufgeschaut haben, waren Orange Juice, The Smith oder Lloyd Cole. In Deutschland gab es nur Nena oder Markus, „Gib Gas ich will Spaß“. Wir haben uns in Hamburg komplett alleine gefühlt.

Mit welchem Laden verbindest du die meisten Erinnerungen?

Mit dem Café Schöne Aussichten. Da hingen wir fünf Tage die Woche ab und spielten auch unsere ersten Konzerte. Leider ist der Laden total in Vergessenheit geraten, aber von den Achtzigern bis Mitte der Neunziger war das für die Hamburger Popkultur ein elementar wichtiger Ort. Ich habe da unter anderem Lenny Kravitz gesehen. Natürlich gab es auch das Subtil und das Mad House, aber vorher traf man sich im Café Schöne Aussichten.

Du bist in Amerika aufgewachsen und mit zwölf nach Hamburg gekommen. Kannst du dich noch an deinen ersten Club- oder Konzertbesuch erinnern?

Ich kam an einem verregneten Oktober-Tag vom bunten New Jersey nach Hamburg Wellingsbüttel, stand im Nieselregen vor diesen großen dunklen Hecken, die um die Häuser waren, und dachte: was zur Hölle! Ich hatte erst mal keine Freunde, sprach auch nicht so richtig gut Deutsch. Die ersten Freunde, die ich fand, waren totale Doo-Wop-Enthusiasten. Die trafen sich immer im Elvis am Hauptbahnhof und das war total meine Welt. Ab da hatte mein Leben wieder einen Sinn.

Wo trifft man dich heute?

Ich bin gerne in der Rehbar in Ottensen. Ich habe ja zwölf Jahre das Label Tapete gemacht und war in der Zeit ständig auf Konzerten. In den letzten vier Jahren habe ich das etwas heruntergefahren. Hat wahrscheinlich auch mit dem Alter zu tun. Ich sitze gerne in Bars und Cafés, zum Beispiel in der Kaffeeklappe in Wilhelmsburg, und trinke in Ruhe meinen Cappuccino.

Was macht einen guten Laden aus?

Auf jeden Fall die Leute, die dort arbeiten, und die generelle Stimmung. Man weiß schnell, ob die Leute entspannt sind und man sich dort wohlfühlt. Es gibt Clubs, die andere total toll finden, wo ich aber sofort merke: Das ist nicht mein Ding. Und in andere kommt man rein und es ist, als würde man sich auf ein warmes Sofa fallen lassen. In Bezug auf Clubs ist natürlich auch das Booking das A und O.

Wie siehst du die Hamburger Clublandschaft insgesamt?

Ich sehe das ja aus der Musikersicht und weiß, dass es für viele Clubs schwer geworden ist, zu überleben – durch Gentrifizierung, Gema-Gebühren und all so Dinge. Auf der anderen Seite werden sie überschüttet mit Booking-Anfragen, weil Musiker mit Platten kein Geld mehr verdienen und alle live spielen wie irre. Wir haben mit Tapete immer mal wieder tolle Singer/Songwriter-Konzerte in einem Teeladen in Lüneburg gemacht – die kriegen inzwischen 150 Booking-Anfragen im Monat, bis hin zu Death Metal…

Wenn du Kultursenator wärst, was würdest du ändern?

Ich würde generell den Fokus auf Kultur und Popkultur verstärken. Das ist enorm wichtig dafür, wie eine Stadt wahrgenommen wird, und wirkt sich am Ende auch wirtschaftlich aus. Zum Beispiel wenn junge Leute sich entscheiden, wo sie studieren. Aber auch die Typen, die im Hafen arbeiten oder an Boeings herumschrauben, wollen in einer Stadt wohnen, in der was geht. Kultur muss gefördert und wertgeschätzt werden.

Mit dem Label Tapete hast du selbst einen großen Beitrag zur Kulturlandschaft geleistet. Warum bist du 2013 ausgestiegen?

Weil ich mich nie als Platten-Impresario sah. Tapete haben wir damals gestartet, weil Gunther und ich der Meinung waren, so kann es nicht weitergehen, weil Leute wie Niels Frevert keine Platten mehr machten. Also haben wir angefangen, Strukturen zu bauen. Aber irgendwann hatten wir 400 Platten zusammen gemacht. Ich habe meinen Helden Lloyd Cole gesignt und zwei Alben von ihm veröffentlicht – da brauchte ich nicht noch eine dritte. Ich bin in erster Linie Musiker, und darauf wollte ich mich wieder konzentrieren.

Mit Tapete habt ihr auch Tourneen gebucht. Wenn du zum Jeremy-Days-Jubiläum ein Festival veranstalten dürftest, wo würde es stattfinden und wen würdest du einladen?

Wir haben mit Tapete ja das Boot Boo Hook Festival veranstaltet und ich hatte jedes Jahr Angst, dass es regnet. Von daher würde ich es Indoor machen, und zwar in der Markthalle. Und ich würde versuchen ein paar alte Weggefährt einzuladen: Meinen guten Freund Lloyd Cole, Christian Kjellvander aus Schweden, der gerade eine total tolle Platte rausgebracht hat, Moritz Krämer von der Höchsten Eisenbahn, und Niels Frevert und Bernd Begemann. Aber das müsste ich natürlich noch mal mit meinen Jeremy Days Kollegen abstimmen, wer weiß, wen die gerne dabei hätten (lacht).

Bei welchen Konzerten würdest du im Dezember gerne auf der Gästeliste stehen?

Bei Julia Holter am 1. Dezember in der Elbphilharmonie, bei MGMT am 3. Dezember im Docks, bei The War On Drugs am 5. Dezember im Mehr Theater und bei Ash am 7. Dezember im Logo!

Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubbesucher?

Habt einen schönen Abend und würdigt, dass ihr in einer Stadt mit einer so geilen Clubkultur wohnt – und wenn ihr das als genauso wichtig ich wie erachtet, dann setzt euch dafür ein, dass es so bleibt!


ZUR BAND 

1988, drei Jahre nach ihrer Gründung, gelang The Jeremy Days mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum der Durchbruch: Die Platte verkaufte sich etwa 150.000 Mal, die Single „Brand New Toy“ schaffte es bis auf Platz elf der deutschen Charts. Nach fünf Alben gab die Band 1996 ihre Auflösung bekannt. Dirk Darmstaedter veröffentlichte in den Folgejahren diverse Soloalben und gründete 2002 zusammen mit Gunther Buskies das Plattenlabel Tapete Records (bei dem er 2013 wieder ausschied). Zum 30-jährigen Jubiläum ihres Debüts treten The Jeremy Days im Januar im Hamburger Docks auf.


THE JEREMY DAYS live

Datum: 18. Januar 2018 Ort: Docks

Tickets: 42,85 Euro

Einlass: 18.00 Uhr Beginn: 19.00 Uhr

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