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Im Club mit: Mike Keller (Markthalle)

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Foto: Mike Keller I Markthalle

Die Markthalle (Eröffnung: Silvester 1976/‘77) ist mit rund 200 Konzerten im Jahr eine Instanz in Sachen Live-Musik. Wo einst die weltweiten Superstars wie u.a. Motörhead, Iggy Pop, The Clash, The Cure, Van Halen, John Lee Hooker, Depeche Mode, Metallica, Red Hot Chili Peppers, u.v.m. spielte, wurden ab November 2020  bis zu 200 Obdachlose gleichzeitig tagsüber betreut. Nach gut einem Jahr Corona-bedingter Zwangspause entschied sich Mike Keller zusammen mit der Stadt Hamburg die legendären Räume der Markthalle als Winternotprogramm zu nutzen.

Die Tagesaufenthaltsstätte bot warmes Essen, Ruheräume sowie Sozialberatungen. Wie die letzten vier Monate so abgelaufen sind und wie sich der Arbeitsalltag für ihn und seine Mitarbeiter*innen verändert hat, haben wir nachgefragt.

WIE KAM ES DAZU DIE MARKTHALLE ALS TAGESAUFENTHALTSSTÄTTE FÜR OBDACHLOSE MENSCHEN ZU ÖFFNEN?

Wir sind von der Sozialbehörde angesprochen worden, sie waren gemeinsam mit Fördern und Wohnen auf der Suche nach einem geeigneten Standort in der Nähe des Hauptbahnhofes. Wir haben schnell reagiert und konnten uns auf ein gemeinsames Konzept verständigen. Die Rahmenbedingungen bei uns sind für das Programm sehr gut, auch, weil wir sehr viel Platz haben. Da Flexibilität bei uns zum Tagesgeschäft gehört, konnten wir uns das gut bei uns vorstellen. Auch wenn wir anfangs großen Respekt vor dieser Aufgabe hatten, bereuen wir die Entscheidung nicht. Zu Start war es noch unklar, wie sich die Maßnahmen im Herbst / Winter entwickeln würden. Wir können mit dieser sinnvollen Tätigkeit einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft leisten.

WIE WURDE DAS ANGEBOT BISHER ANGENOMMEN?

Sehr gut. Leider, genau aus dem Grund, das der Bedarf so hoch ist. Wir haben eine Kapazitätsbegrenzung auf 200 Personen zur gleichen Zeit. Über den Tag verteilt sind es aber bei uns bis zu 400 Obdachlose für die Tagesverpflegung. Am Einlass kontrollieren wir die Verfügbarkeit; mittags kommt es häufiger schon mal zu kleinen Rückstaus, da dann die Essensausgabe stattfindet. Wir haben den Eindruck, dass alle sehr dankbar sind.

WELCHE HERAUSFORDERUNGEN BRACHTE DIE SITUATION, AUCH RÄUMLICH, MIT SICH?

Wir haben alles entfernt, was nicht benötigt wurde, incl. der Veranstaltungstechnik etc.. Die Gastronomiebereiche wurden eingehaust, im Innenraum des großen Saals wurde der Boden eingeebnet. Wir haben so mehr Fläche für Tische zum Essen zur Verfügung. Die Abläufe ähneln denen einer Veranstaltung (Einlass, Betreuung vor Ort, Auslass, etc.). Im Prinzip betreuen wir durchgehend täglich eine Veranstaltung mit besonderen Bedingungen. Wir achten auf tägliche Schichtwechsel, um unsere Mitarbeiter nicht zu überlasten. Die Betreuung der Obdachlosen, die Sicherheit und die tägliche Reinigung gehört nicht zu unseren Aufgaben. Wir arbeiten jedoch sehr eng und vertraut zusammen. Unser Caterer hat die Chance bekommen, das Catering für die Obdachlosen zu machen. Das ist es, was uns sehr gefreut hat, weil er uns, wie alle Partner sehr am Herzen liegt und wir seine Arbeit sehr schätzen. Er wäre sonst vielleicht einer der vielen Solo-Selbständigen beim Arbeitsamt geworden.

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Foto: Marktalle Hamburg I Alarmstufe Rot / Night of Light 2020

MIT WELCHEN PARTNERN ARBEITET IHR BEIM WINTERNOTPROGRAMM ZUSAMMEN?

Wir arbeiten sehr gut mit Fördern und Wohnen und deren Partnern zusammen, die wiederum die Partner für Sicherheit, Catering und Reinigung nach einem Vergabeverfahren ausgewählt haben.

KANNST DU KURZ SCHILDERN, WIE SICH FÜR DICH UND DEINE CREW (BARPERSONAL, BOOKER*INNEN, TECHNIKER*INNEN ETC.) AKTUELL EIN TAGESABLAUF IN DER VENUE GESTALTET?

Wir haben ein Schichtplan System, in dem die Betreuung vor Ort geregelt ist. Die Mitarbeiter sind im Wechsel eingeteilt. Arbeitsbeginn ist morgens um ca. 08.00 Uhr, Arbeitsende ca. 19.00 Uhr. Wir betreuen Fördern und Wohnen, kümmern uns um die Haustechnik, den Aufzug für die Obdachlosen, denen die Treppen schwer fallen und sind jederzeit ansprechbar. Jeder Tag ist anders. Ich bin meinem Team sehr dankbar, dass es so gut läuft.

GIBT ES BEREITS PLÄNE WIE ES NACH DEM WINTERNOTPROGRAMM WEITERGEHEN SOLL BZW. AB WANN IHR WIEDER DEN VERANSTALTUNGSBETRIEB AUFNEHMEN WOLLT?

Pläne kann man nur machen, wenn man weiß, wie es weitergeht und sich auf diese Aussagen verlassen kann. Derzeit ist es nicht absehbar, unter welchen Bedingungen ein Normalbetrieb wieder stattfinden wird. Der Schaden ist jetzt schon enorm, insbesondere für die Mitarbeiter. KUG auf Dauer ist nicht die Lösung, auch wenn es natürlich hilft. Wir gehen davon aus, dass es ab Mai / Juni 2021 evtl. zu einer leichten Entspannung kommen kann. Wir passen unser Hygienekonzept in diese Richtung an und nehmen auch die Luftfiltersysteme mit in das Konzept auf, auch wenn es behördlich derzeit noch immer keine Vorgabe ist, was wir nicht verstehen.

Sehr wahrscheinlich kommt es in den nächsten Wochen zu einer Einigung, dass Impfkontrolle und Schnelltests die Einlassvorgaben bestimmen. Leider sind derzeit mehrere Konzepte aus der Veranstaltungswirtschaft im Umlauf, das macht es nicht einfacher für Behörden und Politik. Am Ende des Tages aber steht die Frage im Raum, ob das Vertrauen in Veranstaltungen vorhanden ist. Das ständige Verschieben und Anpassen hat alle mürbe gemacht. Die Langzeitschäden werden wir erst im nächsten Jahr feststellen. Bei der Planung defizitärer Veranstaltungen aufgrund der Maßnahmen und Kapazitätsbeschränkungen tue ich mich schwer.

MAN KONNTE VON PLÄNEN BZGL. DES AUSBAUS DER VENUE LESEN – WIE IST HIER DER STAND?

Wir befinden uns in der Bedarfsplanung. Wir haben unsere Einschätzung rechtzeitig einfließen lassen und sind im Austausch. Ich gehe davon aus, dass es noch einige Zeit dauern wird, bin aber zuversichtlich, dass die Sanierung des gesamten Gebäudekomplexes eine wertvolle Bereicherung zur Stadtentwicklung beitragen wird. Persönlich wünsche ich mir, dass die Markthalle ein klimaneutraler Veranstaltungsort wird, der die Transformation Richtung Nachhaltigkeit begleitet.

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Alle Infos unter: www.markthalle.de

Fotocredits: alle Fotos by Mike Keller

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