Im Club mit … Digitalism


Als DJs legt ihr mittlerweile rund um den Globus auf. Könnt ihr euch noch an euren allerersten Clubbesuch erinnern?

Jens: Das war mit 16, schön in die Großraumdisco – das Traffic in Kaltenkirchen. Mit einer Flasche Wodka in der Hand. Das war nicht so toll (lacht). Ende der Neunziger, Anfang der Zweitausender Jahre fing es an mit richtig losgehen, im La Cage und im Moondoo. Dort haben wir dann auch zuerst selbst aufgelegt.

Isi: Ich bin früher an vielen Türen gescheitert. Ich sah immer jünger aus, vielleicht lag es aber auch an meiner Haarfarbe. Ich bin auf jeden Fall oft nicht rein gekommen. Irgendwann hat sich das zum Glück gewandelt und ich hatte den Clou raus.

Welchen eurer eigenen Auftritte werdet ihr nie vergessen?

Isi: In Basel gibt es einen Club namens Hinterhof. Als wir das erste Mal dort gespielt haben, stand Weihnachten bevor, deswegen haben wir ein paar Freunde mitgebracht und den Abend gleichzeitig als Weihnachtsfeier deklariert. Das war so ein Abend, der total magnetisch war – und an dem man von der Bühne kommt und das Gefühl hat, dass man 38 Mal geduscht hat…

Jens: Oder noch 38 Mal duschen muss (lacht).

Was macht einen Abend magnetisch?

Isi: Wichtig ist, dass man selber abliefert. Die Aufgabe eines DJs ist ja, die Leute auf die Tanzfläche zu kriegen. Hits zu spielen, die jeder kennt, ist natürlich einfach. Die wahre Kunst ist es, wenn man die Leute zum Abgehen bringt, auch wenn sie die Songs nicht kennen.

Jens: Das Beste ist, wenn das Publikum und die DJs irgendwie synchronisiert sind. Wenn beide Parteien auf dasselbe Bock haben.

Was bringt euch als DJs auf die Palme?

Jens: Ein schlechtes Warm Up. Wenn der Club gerade erst aufgemacht hat und der erste DJ schon voll abballert – das geht gar nicht, haben wir aber oft miterlebt. Da muss schon noch Luft nach oben sein.

Wenn ihr heute privat ausgeht, findet man euch dann eher auf der Tanzfläche oder eher an der Bar?

Isi: Das kommt immer drauf an. Als ich neulich mal wieder im Baalsaal war, habe ich die meiste Zeit an der Bar verbracht, weil ich eine Million Leute getroffen habe, die ich ewig nicht gesehen hatte. Aber ab und zu schwinge ich zwischendurch schon das Tanzbein.

Jens: Ich bin in Hamburg fast nie unterwegs, ich nutze die Zeit hier eher zum runterkommen. Wenn ich mal ausgehe, gehe ich gerne ins Ego. In London dagegen bin ich eher der Pub-Typ. Oder ich gehe ins XOYO, weil da immer viele Leute auflegen, die ich kenne.

Was macht einen guten Club aus?

Jens: Ein guter Club muss seine eigene Szene haben. Das gibt es leider kaum noch, weil die Leute nicht mehr so involviert sind. Aber wenn ein Club für eine bestimmte Zeit steht und sich aus ihm heraus etwas entwickelt – das finde ich gut. So wie beim Golden Pudel Club hier in Hamburg oder dem Rex Club in Paris. Die sind auch verbunden mit bestimmten Namen oder einem bestimmten Sound, der von da kommt.

Isi: Die Clubs, die Jens aufgezählt hat, gibt es ja alle nicht erst seit gestern. Auch das ist ein Zeichen für einen guten Club: Dass es ihn schon lange gibt.

Wie würdet ihr die Hamburger Clublandschaft beschreiben?

Isi: Zum Weinen und zum Lachen. Ich lache darüber, was viele Leute denken, und ich weine, weil es in Hamburg keine richtige Clubszene gibt. Das ist echt traurig.

Jens: Es gab mal eine…

Isi: Ja, im Neidclub phasenweise oder auch im Front. Aber es ist immer ein Kommen und Gehen. Ich glaube das liegt auch an den Leuten. Sie könnten sich mehr trauen. Vieles wird nicht gemacht, weil man es für zu gefährlich hält.

Jens: Hamburg ist sehr uniform. Sehr hanseatisch und zurückhaltend. Wobei ich mich manchmal frage, ob das nicht vielleicht sogar überall so ist. Auch durch das Internet und so. Die Leute gehen nicht mehr die ganze Nacht weg, denn sie verpassen ja nichts. Man kann ja alles auf Instagram oder Boiler-Room nachgucken. Das macht vielleicht auch ein bisschen was kaputt.

Mal angenommen ihr würdet zum Kultursenator gewählt werden, was wäre eure erste Amtshandlung?

Isi: Ich würde einen Bandbunker auf professioneller Ebene aufziehen. Mit Räumen für Bands, professionellem Studio, oben einer Dachterrasse, unten Proberäume. Ansonsten finde ich es echt super, dass die Stadt das Reeperbahn Festival supportet. Oder auch, dass es das Dockville gibt. Ich würde noch mehr Open Airs zulassen. Zum Beispiel auf dem Heiligengeistfeld. Und zwar nicht nur mit 98 Dezibel, sondern mit 120.

Jens: Ich bin ja großer Fan der City Nord und dort soll die Post-Pyramide abgerissen werden. Stellt euch mal vor, was man da alles rein machen könnte! Einen richtig tollen Club.

Wen würdet ihr für den Eröffnungsabend buchen?

Jens: Eigentlich egal, Hauptsache der Vibe stimmt!

Isi: Für den ersten Abend würde ich Marc Schneider von Word and Sound buchen. Der versteht richtig viel von Musik. Und als Band würde ich die Talking Heads einladen. Mein Club wäre aber eher klein und mit einem bunten Programm. Hamburg war ja zum Beispiel immer berühmt für Jazz. Ich würde viele verschiedene Sachen veranstalten.


ZUR BAND

Jens „Jence“ Moelle und İsmail „Isi“ Tüfekçi machen bereits seit 16 Jahren gemeinsam Musik, 2004 gründeten sie das Elektro-Duo Digitalism. Ihr Debütalbum „Idealism“ fand international große Beachtung, 2011 folgte das zweite Album „I Love You Dude“. Inzwischen touren Digitalism unaufhörlich um den Globus, haben als Live-Act vom Coachella bis zum Melt! auf den größten Festivals gespielt und als DJ Team in den angesagtesten Clubs aufgelegt. Zuletzt hatten sie eine eigene Residency in dem hippen Londoner Club XOYO– Moelle hat in der britischen Hauptstadt mittlerweile seinen Zweitwohnsitz.


ZUR MUSIK

Nicht so viel nachdenken, sondern einfach machen– mit diesem Ansatz gingen Digitalism an ihr drittes Album „Mirage“. Das Ergebnis ist wahnsinnig bunt und vielseitig: Da sind tanzbare Elektro-Tracks wie das Eröffnungsstück „Arena“, Indie-Songs wie „Destination Breakdown“ oder auch das geradezu punkige und scheppernde „Battlecry“, das der ehemalige Dirty-Pretty-Things-Gitarrist Anthony Rossomando singt. Mit „Mirage, Pt. 1″ und „Mirage, Pt. 2″ haben Digitalism derweil einen insgesamt fast 13 Minuten langen Doppeltrack geschrieben und über die zerschredderten Elektro-HipHop-Beats von „Ism“ legten sie einen Rap ihres amerikanischen Tourbusfahrers Tony Wilson.

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