Im Club mit … Bosse


Dein neues Album trägt den Titel „Engtanz“. Wann warst du das letzte Mal „engtanzen“?

Bosse: Vor einigen Wochen im „Krug“ auf St. Pauli. Das ist eigentlich ein Restaurant, aber sobald alle aufgegessen haben, werden die Tische zur Seite geschoben, der Koch baut sein DJ-Set auf und legt richtige Schwof-Musik auf – von Rod Stewart bis zum Faith No More Cover von „Easy“ – und dann wird getanzt! Man hat schon den fünften Rotwein drin, lecker gegessen und irgendwie ist das echt gut.

Gehst du generell gerne tanzen?

Bosse: Ja, allerdings gehe ich sonst komischerweise am liebsten alleine tanzen. Das war schon immer so, schon in meiner frühsten Jugend. Bei uns auf dem Dorf gab es nicht viel, aber mittwochs bin ich immer ins „Schlucklum“ im Nachbardorf Lucklum gegangen. Da war sonst niemand, der mit mir zur Schule ging, und ich konnte tanzen und verloren gehen. Im Schlucklum habe ich auch meine ersten Konzerte gesehen, und Moses Schneider kennen gelernt. Das war ein super Laden.

Wo gehst du heute gerne hin, wenn du in Hamburg ausgehst?

Bosse: Meistens fangen die Abende im Familieneck an und enden in irgendeinem Club. Letztes Wochenende war ich im Golem, das hat mir sehr gut gefallen. Da waren zwei DJs gleichzeitig – einer hat Keyboard gespielt und der andere hat aufgelegt. Das war mega. Leider war ich zu betrunken, um mich zu erinnern, wie die DJs hießen (lacht).

Was macht einen guten Club aus?

Bosse: Unterschiedlich. Früher dachte ich immer, es muss ein alter, zerrockter Laden sein und erst dann kommt man in Stimmung. Inzwischen weiß ich, dass manche Leute auch aus einem super neuen Laden etwas richtig Gutes machen können. Zum Beispiel eben das Golem. Wichtig sind die Musik, die Tür – also dass jeder rein kommt – und die Leute. Oft bedingt das eine ja das andere. Wenn die Musik gut ist, bleiben die netten Leute. Wie die Wände aussehen, ist dann ziemlich egal.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft beschreiben?

Bosse: Allen Berlinern würde ich erzählen, wie toll es ist, dass man hier nicht drei Stunden von einem Laden zum anderen braucht, sondern alles zu Fuß abgehen kann. Davon abgesehen finde ich die Clublandschaft in Hamburg sehr bunt. Und ich finde hier knarzt das Holz mehr als in anderen Städten. In der Großen Freiheit oder im Docks zum Beispiel spürt man einfach, dass das richtig alt eingesessene Läden sind. Das werden dort auch andere Konzerte. Wenn ich in einer neu hochgezogenen Mehrzweckhalle spiele, habe ich oft das Gefühl, dass da keine Seele drin steckt.

Welches deiner Hamburg-Konzerte wirst du nie vergessen?

Bosse: Da gibt es bestimmt fünf Stück. Zum Beispiel das erste Mal im ausverkauften Uebel & Gefährlich. Mein zweites Album lief damals echt scheiße, aber zu der Show kamen 900 Leute! Oder das Konzert in der Sporthalle, bei dem wir mein Live-Album aufgezeichnet haben. Ich erinnere mich aber auch noch gut an mein allererstes Hamburg-Konzert im Logo. Da ist direkt vor dem Sänger ja dieser Pfosten (lacht). Ich könnte jetzt noch etliche Abende aufzählen.

Sind Hamburg-Shows für dich etwas Besonderes?

Bosse: Ja immer. Ich kann gar nicht sagen, warum. Irgendwie lief es zwischen uns und den Hamburgern immer. Vielleicht, weil Delta Radio meine Songs schon gespielt hat, als es niemand sonst getan hat. Und mittlerweile ist es ja auch ein Heimspiel für mich: Ich wohne jetzt seit zehn Jahren in Hamburg und fühle mich hier echt Zuhause.

Mal angenommen du würdest zum nächsten Kultursenator gewählt werden, was wäre deine erste Amtshandlung?

Bosse: Ich würde eine Kulturförderung für Proberäume schaffen. Das ist das, was ich in Hamburg immer wieder höre: Die Bands haben noch nicht mal einen Führerschein und müssen bis hinter Hamm fahren, um da zu proben – und selbst das ist unbezahlbar. Kleinere Städte kriegen das oft besser hin. In Braunschweig zum Beispiel gibt es vier Jugendzentren mit jeweils 35 Proberäumen. Wir haben für unseren damals 13 Mark oder so bezahlt und geprobt, bis der Arzt kam. Übrigens zahlen mindestens fünf der Leute von damals heute echt gute Steuern – das würde ich als Argument für meine Kulturförderung anführen.

In der Newcomer-Förderung bist du schon jetzt sehr aktiv: Als Support für deine Shows wählst du stets lokale Newcomer-Bands aus. Warum?

Bosse: Ich fand es früher immer so bescheuert, wenn ich Leuten Musik gegeben habe, und dann nie wieder etwas gehört habe. Ich muss zugeben, dass ich nicht immer allen antworten kann. Ich habe für diese Tour bestimmt 1000 Bewerbungen bekommen, kein Witz. Aber ich höre mir alles an! Ich bin jetzt bei Band 500. Da sind durchaus einige bekannte Bands dabei, aber auch welche, die noch nie gespielt haben. Daraus wähle ich dann die besten aus, und jeder darf drei bis vier Abende spielen.

Wenn du selbst ein Konzert in Hamburg organisieren dürfest, wen würdest du buchen und in welchen Club?

Bosse: Ich würde auf jeden Fall in die Freiheit gehen und schon nachmittags anfangen – und zwar mit Agnes Obel. Danach würde ich The XX spielen lassen, und dann The Pixies. Als nächstes wären Kettcar dran, und zum Abschluss noch Haftbefehl. Eine ganz schön asoziale Veranstaltung eigentlich – fängt so melancholisch an und hört so aggressiv auf (lacht). Aber eigentlich ganz schön, oder?

Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubgänger?

Bosse: Nehmt Deo (lacht).


ZUR PERSON

Axel Bosse wurde 1980 in Braunschweig geboren und wuchs in Hemkenrode auf. Im Alter von 17 Jahren unterschrieb er mit seiner damaligen Schülerband Hyperchild einen Plattenvertrag beim Major-Label Sony Music Entertainment, doch nach zwei Jahren löste die Band sich wegen kreativer Differenzen auf. Bosse startete daraufhin seine Solokarriere. 2005 veröffentlichte er sein Solodebüt „Kamikazeherz“, sein bisher größter Erfolg war sein fünftes Album „Kraniche“, das 2013 Platz 4 der deutschen Charts erreichte. Im gleichen Jahr gewann Bosse zudem den Bundesvision Song Contest. Gemeinsam mit seiner Frau und seiner Tochter lebt der 35-Jährige in Hamburg.


ZUR MUSIK

„Engtanz“, das sechste Album von Bosse, ist am 12. Februar bei Universal erschienen. Bosse selbst bezeichnete es als „energetischer“: Die melodieverliebten und zumeist temporeichen Songs sind tanzbar, von Gitarren geprägt und mit Streichern verziert. In den Texten derweil gibt Bosse sich höchst nachdenklich: Es geht um verpasste Chancen, aber auch um Vergänglichkeit und Abschied. „Ich wollte ein Album machen“, so Bosse, „das meinen Alter und dem, was in mir so passiert, entspricht. Sonst ging es in meinen Songs oft um Themen wie Freundschaft und Liebe, aber dieses Mal habe ich versucht so tief in mich rein zu gucken, wie es nur ging.“

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