Die vierte Welle erreicht die Clubs mit voller Wucht

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Eine Schilderung zur aktuellen Lage in Hamburg

Die Omikron-Variante und die jüngsten Ankündigungen des Senats zur Einführung von 2G+ für sogenannte Tanzlustbarkeiten bzw. dort „wo getanzt und laut Musik gespielt wird“ versetzt die Hamburger Clubszene in erneute Turbulenzen und schürt die allgemeine Unsicherheit.

Etliche Musikclubs hatten bereits vorab freiwillig für ihre Veranstaltungen auf 2G+ gesetzt, um so viel Schutz wie möglich für alle zu generieren. Vielfach verhinderten jedoch mangelnde Testkapazitäten eine reibungslose Umsetzung.

So sinnvoll weitere Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie nötig sind, so ungeeignet erscheint dem Clubkombinat die politische und öffentliche Debatte mit einer Fokussierung auf Clubs. Hiermit werden Erwartungen geschürt, dass mit derlei Maßnahmen die vierte Welle gebrochen werden kann und die Musikclubs pauschal als Pandemie-Treiber stigmatisiert. Ein eklatantes Beispiel bildete die Pressemeldung der Luca-App-Betreiber, die Bars und Clubs als Corona-Hotspots diskreditierte, die Linus Neumann (Chaos Computer Club) in einem Video-Beitrag
analytisch widerlegte.

Durch die mediale Berichterstattung ist ein massiver Schwund an Besucher:innen zu verzeichnen, der Woche für Woche zunimmt. Erste Musikclubs schließen ihre Türen inzwischen erneut gänzlich eigenständig und schalten in den erneuten Winterschlafmodus.

Fakt ist, dass Hamburg als erstes Bundesland Ende August 2G als Optionsmodell einführte. Seit dem 20. November gilt für Tanzveranstaltungen verpflichtend 2G. Die Sozialbehörde gibt in dieser Woche (Stand: 30.11.21) den Inzidenzwert bei Geimpften mit einem Wert von 24 und 892,2 bei Ungeimpften bzw. nicht vollständig Geimpften an. Im Corona-Briefing (KW 48) werden die meisten Ausbruchssituationen innerhalb Hamburgs im privaten Umfeld bzw. Haushalt erfasst. An zweiter Stelle folgt die Ansteckung beim Arbeitsplatz. Oder Personen ziehen sich die Infektion im Ausland zu. Es fehlt somit an Belegen, dass geöffnete Musikclubs ein Kernproblem in der Pandemie sind.

Selbst der Senatssprecher Marcel Schweitzer stuft auf der Pressekonferenz vom 30.11. (Min. 53:06) den „Nutzen von 2G+ nach wissenschaftlichen Analysen als nicht sonderlich viel größer, als bei 2G ein“ und stellt damit die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme selbst in Frage.
Es ist zu befürchten, dass mit den Verschärfungen die vermeintlich erhofften Effekte durch eine Verlagerung in unkontrollierte private Räume konterkariert werden.
Für eine adäquate Umsetzung von 2G+ ist die Testinfrastruktur mit entsprechenden
Testkapazitäten in Hamburg nicht vorhanden. Ein Fahr- und Zeitplan der Sozialbehörde, wie derAusbau der Testkapazitäten in Hamburg erfolgen soll, liegt bisher nicht vor. Die Hürden für das Nachtleben werden somit weiter erhöht und der Rückgang der Besucher:innenvon Wochenende zu Wochenende forciert.

Der Wirtschaftlichkeit der Betriebe wird durch weiteren Zusatzaufwand und sinkendes Besucher:innenvertrauen die Basis entzogen und der Zugriff auf Hilfsprogramme als letztes Mittel zur Rettung nötig. Doch die Rettungspakete wurden teilweise reduziert: Beim Kurzarbeitergeld werden die Sozialversicherungsbeiträge künftig nur noch zur Hälfte übernommen. Die gerade
wieder eingestellten Arbeitnehmer:innen rutschen mit ihren Lohnersatzansprüchen erneut herab auf 60 Prozent ihres Lohnniveaus. Frisch angeworbene Minijobber:innen bleiben erneut gänzlich auf der Strecke und kehren der Branche wieder den Rücken. Damit verschärft sich der Fachkräftemangel und die Personalnot weiter und könnte zur Achillesferse einer erneuten Rückkehr der Veranstaltungsbranche werden.

Der Bundesverband LiveKomm verweist in seinem Statement vom 29.11.2021 auch auf die missliche Lage und fordert unter anderem einen Marshall-Plan für die Kultur.

Anna Lafrentz (Vorstand Clubkombinat Hamburg e. V.) kommentiert die gegenwärtige Situation: „Die Musikclubs stehen nach fast zwei Jahren ähnlich unsicher da, wie zu Beginn der Pandemie im März 2020. Die jüngsten Beschlüsse sind eher symbolhafte Schritte und werden die vierte Welle nicht brechen. Die Politik zögert vor größeren Maßnahmen und zieht damit die Leidenszeit für uns
Clubs unnötig in die Länge. Wir fühlen uns als Spielball der Politik und werden nach Belieben mit Auflagen und potenziellen Schließungen beworfen und das obwohl es weiterhin kaum Evidenz für einen Zusammenhang von Clubbesuch und Infektionsgeschehen gibt. Statt einer frühzeitigen allgemeinen Impfpflicht, Einschränkungen in Industrie und Produktion, mehr statt weniger Test-
und Impfkapazitäten und beispielsweise eine klare Vorgehensweise bei Reiserückkehrenden werden die Folgen der mangelhaften Pandemiebekämpfung auch auf unserem Rücken ausgetragen. Wir benötigen dringend eine größere Wertschätzung Club- und Musikkultur und wünschen uns zum Beispiel eine Repräsentant:in der Kultur in den Beratergremien der Bundesregierung und im neuen Krisenstab von Bund und Ländern.

Kai Schulz (Vorstand Clubkombinat Hamburg e. V.) ergänzt: „Mit der neuen Virus-Variante Omikron verzeichnen wir wieder eine geänderte Situation. Wir sind uns unserer Verantwortung in der Pandemie als Clubbetreiber:innen, die Räume für Begegnungen und soziale Kontakte bereitstellen und bespielen, bewusst. Diese Austauschplattformen sind für unsere Gesellschaft von besonderer Bedeutung. Staatlich angeordnete Schließungen sollten nicht leichtfertig und wenn – dann nur im Kontext weiterführender gesamtgesellschaftlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie – vollzogen werden.”

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