Aperol Spritz schmeckt auch ohne Trinkhalm
Grüner Jäger Geschäftsführer Christopher Schwarz im Interview über zukunftsfähige Clubkultur, Teammotivation und Pragmatismus.
Ihr habt im Januar den Hamburger Clubaward in der Kategorie „Zukunft feiern“ erhalten. Herzlichen Glückwunsch! Was bedeutet euch diese Auszeichnung – für das Team, für den Club und für euren Weg in Richtung Nachhaltigkeit?

Wir waren ehrlich gesagt überrascht – nicht etwa, weil wir unser Engagement unterschätzen, sondern weil wir wissen, wie viele Clubs mittlerweile richtig gute nachhaltige Konzepte umsetzen. Umso größer war die Freude!
Nachhaltigkeit verstehen wir sehr umfassend: ökologisch, sozial und kulturell. Wir setzen auf regionale Förderung von Livemusik, arbeiten mit lokalen Handelspartnern und motivieren unsere Gäste zur Anreise mit dem Rad oder ÖPNV.
Regionalität ist bei euch ein roter Faden – sei es im Booking oder bei der Auswahl eurer Getränke. Was hat euch zu diesem klaren Bekenntnis zur lokalen Szene motiviert? Gab es Herausforderungen, passende Partner oder Acts aus der Region zu finden? Und: Gibt es auch Momente, in denen euch diese Entscheidung vor betriebliche Hürden stellt?
Mit unserer Initiative 105 VIERTEL haben wir uns ganz bewusst auf Hamburg fokussiert. Dieser regionale Ansatz ist für uns nicht nur inhaltlicher Leitgedanke, sondern gibt auch Struktur – und ganz nebenbei entstehen daraus natürlich ökologische Vorteile.
Wir möchten die Szene vor unserer eigenen Haustür stärken. Dass wir damit manchmal auch wirtschaftliche Herausforderungen meistern müssen, ist Teil der Realität. Aber wir glauben fest daran, dass dieser Weg sich langfristig auszahlt; für uns, für die Künstler:innen und für unsere Stadt.
Der Grüne Jäger wurde vor rund vier Jahren umfassend saniert. Inwiefern war das eine Chance, Nachhaltigkeitsaspekte gleich mitzudenken und baulich zu verankern? Gab es konkrete Maßnahmen, die ihr nur im Zuge der Sanierung umsetzen konntet?
Als wir 2020 als Betreiber:innen eingestiegen sind, galten für uns viele Auflagen, die für bestehende Locations nicht verpflichtend waren. Das war herausfordernd, hatte aber auch sein Gutes: Denn viele der Vorgaben haben bereits einen gewissen Standard mitgebracht.
Darüber hinaus haben wir gezielt auf Nachhaltigkeit geachtet, zum Beispiel durch Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und eine effiziente Kühlung. Mut hat das Ganze weniger erfordert als Kapital. Insbesondere durch den langfristig gesehen geringeren Energieverbrauch finden wir, dass es gut investiertes Geld ist.
Ihr habt viele Schritte in Eigeninitiative gemacht und den Club auf eine nachhaltige Zukunft ausgerichtet. Wie habt ihr das organisatorisch gestemmt? Was sind aus eurer Sicht die wichtigsten Faktoren, damit der Wandel gelingt – intern wie extern?
Als kleine Spielstätte fehlen uns die Menschen für ein eigenes Nachhaltigkeitsteam. Viele der Impulse kommen direkt aus der Geschäftsführung und dann ist Kommunikation das A und O. Wir erklären jede Maßnahme, teilen Entscheidungen transparent per Mail, im Team-Meeting oder über Push-Nachrichten in unserem Personaltool.
Extern kommunizieren wir über unsere Website und bald auch über einen Nachhaltigkeits-Blog. Klar ist: Ohne das Team geht nichts. Nur wenn alle mitziehen, greifen die Maßnahmen und genau das haben wir gemeinsam geschafft.
Ihr habt an einer geförderten Energieberatung teilgenommen. Welche Erkenntnisse habt ihr dabei gewonnen? Welche Maßnahmen konntet ihr bereits umsetzen – und welche stehen eventuell noch auf eurer To-do-Liste?
Die Energieberatung war für uns ein echter Anstoß, einfach mal loszulegen. Viele der empfohlenen Maßnahmen haben wir innerhalb eines Jahres umgesetzt. Nur bei den größeren, wie der Heizungsanlage, sind wir als Mieterin auf den Eigentümer angewiesen.
Besonders hilfreich war die Erkenntnis, dass auch kleine Maßnahmen einen messbaren Effekt haben können. Das hat uns motiviert, pragmatisch voranzugehen.

Die Beratung hat euch unter anderem empfohlen, die Warmwasseraufbereitung umzubauen – was sich als kostspielig und aufwendig erwies. Stattdessen habt ihr einen alternativen Weg gefunden, um dennoch Energie zu sparen. Könnt ihr uns mehr über diesen Workaround erzählen?
Die Empfehlung lautete, die zentrale Warmwasserbereitung abzustellen und stattdessen Durchlauferhitzer an definierten Stellen im Haus zu installieren. Klingt erstmal machbar, war aber technisch und finanziell aufwändiger als gedacht.
Unser Plan B: Ein smarter Zeitplan. Das Wasser wird nur morgens zur Reinigungszeit handwarm erhitzt und alle paar Tage für kurze Zeit auf über 60 Grad gebracht – zur Legionellen-Prävention. Zusätzlich gibt’s einen Knopf im digitalen Heizsystem, der bei zusätzlichem Bedarf eine Stunde lang warmes Wasser liefert. Ergebnis: Deutlich weniger Energieverbrauch bei gleicher Funktionalität.
Gibt es aus eurer Erfahrung einen kleinen, sofort umsetzbaren Hack, den jeder Clubbetreiberin angehen kann, um direkt Energie zu sparen – ohne großen Aufwand oder Kosten?
Ich weiß nicht, ob es für alle Clubs gleichermaßen gilt, aber unsere gewerbliche Espressomaschine haben wir unterschätzt. Die nicht durchgängig laufen zu lassen, nur weil „vielleicht jemand einen Kaffee will“, hat erstaunlich viel Energie eingespart.
Und: Smarte, app-gesteuerte Steckdosen. Die kosten nicht die Welt, lassen sich per App steuern und sparen richtig Wege und Strom. Damit können wir, bequem von der Bar aus, gezielt Geräte ein- und ausschalten, ohne zum Sicherungskasten oder den im Haus verteilten Geräten rennen zu müssen.
Nachhaltigkeit braucht nicht nur gute Ideen, sondern auch Ausdauer. Wie gelingt es euch, das Team langfristig zu motivieren und neue Maßnahmen auch konsequent umzusetzen? Gibt es Tools, Routinen oder Prinzipien, auf die ihr dabei setzt?
Nachhaltigkeit ist bei uns regelmäßig Thema im Teammeeting. Wir fragen aktiv nach Ideen und sprechen auch Missstände an. Es hilft, wenn man gemeinsam das Gefühl hat, Teil von etwas Sinnvollem zu sein.
Was uns besonders motivieren würde? Wenn Veranstalter:innen das Thema noch stärker einfordern würden. Das würde unsere Position stärken und ehrlich gesagt auch gut tun.
Mich persönlich motiviert, dass ich mir selbst später nicht vorwerfen möchte, nichts getan zu haben. Jeder von uns hat im Alltag Möglichkeiten, sich für Nachhaltigkeit zu entscheiden. Wenn viele das tun, macht das eben doch einen Unterschied.
Wenn ihr an das Jahr 2030 denkt: Wo steht der Grüne Jäger dann in Sachen Nachhaltigkeit und Clubbetrieb? Was ist eure Vision?

Unsere Vision ist, dass Nachhaltigkeit bis dahin selbstverständlich geworden ist: Bei uns, aber auch bei unseren Gästen. Wenn wir dann weniger erklären müssen, weil es alle voraussetzen, wäre das ein großer Fortschritt.
Bis dahin bleiben wir dran: Wir arbeiten uns weiterhin durch die Handlungsfelder von der Initiative “Zukunft Feiern”, modernisieren wo möglich und setzen auf Dialog und Aufklärung, auch wenn’s manchmal „nur“ an der Bar ist und wir erklären, warum ein Aperol Spritz auch ohne Trinkhalm schmeckt.
Mehr Infos über das nachhaltige Engagement des Grünen Jägers findet ihr hier.
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