Die Gründungsgeschichte des Clubkombinats Hamburg kann direkt mehrere Überschriften tragen: Konkurrenz belebt das Geschäft, Miteinander umso mehr. Eine gute Idee kommt selten allein. Und: Musik motiviert Menschen. In Hamburg offenbar besonders. Zwischen Elbe und Alster, Pudel und Knust, Fabrik und Markthalle bilden sich bevorzugt Komplizenschaften. Immer wieder entstehen urbane Verästelungen – von fluiden künstlerischen Allianzen über temporäre Protestinitiativen bis hin zum organisierten Interessenverband. Doch wie wird aus dem Wunsch Wirklichkeit und aus dem Brodeln eine gemeinsame Energie? Womöglich muss – wie bei der Genese des Clubkombinats vor 15 Jahren – der Frust in der Szene erst einmal auf- und überkochen.
„Die Probleme waren damals die gleichen wie heute: Lärm – also eine Nachbarschaft, die sich gestört fühlt. Hohe Kosten. Und die Bands haben nix verdient“, sagt Wolfgang Landt, bis 2013 Geschäftsführer der Markthalle, also ein mit allen Wassern und Bühnenschweiß gewaschener Clubbetreiber. Er hat The Ramones und Charles Bukowski in seinem Laden erlebt, Beinahe-Zerlegungen wie beim Toy-Dolls-Konzert 1983, erste Hamburg-Konzerte von Metallica und den Smashing Pumpkins sowie zig Genres von Grunge über Britpop und Hamburger Schule bis zu Hiphop.
Gemeinsam mit Andrea Rothaug vom Verein RockCity Hamburg und Andi Schmidt, Betreiber der Indierock-Institution Molotow, erinnert sich Landt an die Anfänge des Clubkombinats. Versammelt haben sich die drei – mit Blick auf die Reeperbahn – in der Skybar des Molotow, das nach zwei Umzügen seine ganz eigene Story von Subkultur und Stadtplanung zu erzählen weiß. Mit anderen Clubbetreibern eint Andi Schmidt, dass sich die Bedingungen für Musiker und Clubs um die 2000er-Jahre verschärft hatten, wie Rothaug schildert: „Es gab Erhöhungen sowohl bei der Gema als auch bei den Preisen der Brauereien und Getränkeverleger, die Künstlersozialkasse wurde stärker kontrolliert, das Freizeitverhalten änderte sich, es gab mehr Konkurrenzangebote.“ Die Kassen waren superklamm. Viele Läden versuchten, sich mit Fremdvermietungen zu retten, riskierten so aber ihre musikalische Identität. „Die Situation war prekär, es musste gehandelt werden“, fasst Rothaug zusammen.
Tatsächlich auslösendes Moment, ergänzt Landt, war dann die zugespitzte Lage in Sachen Außenplakatierung: „Die Werbung für Veranstaltungen im öffentlichen Raum lag damals in der Hand der Stadt – mit hohen Tarifen und Auflagen.“ Wer wild plakatierte, hatte mit Geldbußen bis zu 500 Mark zu rechnen. Andererseits mussten die Betreiber ihre Konzerte effektiv publik machen, um zu überleben. „Es war ein Spießrutenlauf und ein unheimlicher Druck“, erzählt Landt. „Wir versuchten – damals schon in Zusammenhang mit der Kulturbehörde – eine Plakatwerbung in Hamburg zu installieren, die sich alle leisten konnten. Und da trafen sich das erste Mal eine ganze Reihe von größeren und kleineren Clubs, um zu sehen: Was ist möglich?“
Bald wuchs in dieser locker zusammengewürfelten Notgemeinschaft das Bedürfnis, eine Lobby zu bilden, um gemeinsam eine stärkere Stimme zu haben. Das heutige Clubkombinat Hamburg war geboren. RockCity Hamburg, eigentlich Ankerplatz und Knotenpunkt für Musikerinnen und Musiker der Stadt, war damals der treibende Motor, um die Clubs konkret zu organisieren. „In Hamburg ist ja alles immer so zentral auf dem Kiez. Aber wir wollten auch die Spielstätten erreichen, die nicht auf St. Pauli sitzen, um eine valide Mehrheit zu haben“, erläutert Rothaug.
In Workshops, sogenannten Clubconventions, lernten sich die Betreiber besser kennen und erhielten ersten praxisnahen Input, etwa Schulungen zu Künstlersozialkasse und Steuern, um – wie Rothaug ausführt – nicht ständig mit einem Bein in der Illegalität zu stehen. „Solche Kurse waren und sind lebenswichtig“, sagt Landt. Begriffe wie Ausländersteuer, die bei internationalen Künstlern anfällt, seien vor allem für kleine Clubbetreiber absolute Fremdwörter gewesen. Unter dem Motto: Der Künstler unterschreibt nicht mal ’ne Quittung, das kriegt doch eh keiner mit. Damals sei es viel schwieriger gewesen, sich über Regularien zu informieren, erinnert sich Schmidt. Statt einzelner, oftmals zäher Anrufe bei Behörden oder dem Gaststättenverband ließ sich das Know-how nun bündeln. „Es war sehr wichtig, endlich eine Vernetzung herzustellen. Man war sich vielleicht mal über den Weg gelaufen oder hatte sich mit Wechselgeld ausgeholfen, aber es gab damals ansonsten keine Basis, sich kurzzuschließen über aktuelle Probleme“, sagt Schmidt.
Der Molotow-Chef, Andrea Rothaug und Wolfgang Landt waren bei den ersten Treffen des Clubkombinats Hamburg ebenso dabei wie John Schierhorn vom Waagenbau, Falk Hocquél vom Kulturhaus 73, Terry Krug von der Tanzhalle und Henning Heuer vom Click im einstigen Club-Komplex am Nobistor, der Anfang 2006 schloss und spätestens seit Tino Hanekamps Roman „So was von da“ Legendenstatus besitzt. Die Geschichte des Clubkombinats ist eben auch die Historie vom Kommen und Gehen rauer, glitzernder und vor allem freiheitlicher Orte.
„Der Verein ist sehr schnell gewachsen. Irgendwann waren eigentlich alle dabei“, sagt Schmidt. Die erste Aktion mit großem Wumms war das Clubplakat, das – ähnlich wie die Programmposter der Museen und Theater – bis heute öffentlich zeigt, was die Hamburger Popbühnen an Vielfalt zu bieten haben. „Wir haben zudem eine Clubsoftware eingekauft und für alle Clubs angepasst, die heute noch benutzt wird – kofinanziert von der Wirtschaftsbehörde, namentlich Johannes Rösing und Rainer Hanus. Ziel war, dass zum Beispiel nicht vier Engtanzfeten parallel stattfinden“, erklärt Rothaug.
Der Austausch mit der Stadt war ein wechselvolles Verhältnis, das sich zunehmend zum Positiven gewendet hat, wie Wolfgang Landt rückblickend erzählt: „Bevor das mal ’n bisschen losging mit dem Clubkombinat, war die einzige Förderung aus der öffentlichen Hand die sogenannte Clubprämie. Da konnte sich jeder Club bewerben und eine Jury entschied. Jedes Mal nach Bekanntgabe gab es ein unheimliches Genörgele in der Szene, weil oftmals dieselben gewannen.“ Das Clubkombinat habe schließlich mit der Kulturbehörde Ideen entwickelt, um das Geld fairer aufzuteilen, erinnert sich Landt. „Da mussten tragbare Vorschläge her. Und das konnte nur so ein Verein wie das Clubkombinat bewerkstelligen.“
Die Motivation, sich seit 15 Jahren für diesen umtriebigen Hamburger Verband zu engagieren, bringt Andi Schmidt auf den Punkt: „Ich möchte das Feld nicht den ganzen Event-Typen überlassen. Die werden immer mehr, weil sich die hohen Mieten eigentlich nur noch Systemgastronomen leisten können. Clubs mit Musik zum Tanzen, um den Umsatz zu steigern, gibt es überall. Aber wirkliche Clubkultur mit Live-Musik existiert nicht in jeder Stadt. Das ist sehr wichtig, speziell für Hamburg, da es hier Tradition hat. Das möchte ich bewahren.“ Eine Komplizenschaft, die die Stadt nachhaltig besser klingen lässt.