15 Jahre Clubkombinat Hamburg e. V. –
You´ll never walk alone – Verbandsarbeit (Teil 3)


Ja, es stimmt. Tagesordnungspunkte sind kein Rock ’n‘ Roll. Protokolle sind kein Rave. Und Diskussionen über Zahlen sowie Ziele sind das Gegenteil von Entgrenzung. Doch wenn das Clubkombinat Hamburg e.V. regelmäßig zum Treffen von Vorstand und Stiftung lädt, wird hoch konzentriert immer und immer wieder daran gearbeitet, dass es weiter existiert: das gute wilde Leben in der Stadt. In stundenlangen detailreichen Gesprächen sorgt dieses Know-how-Gremium dafür, dass Freiräume bleiben und entstehen. Dass es Bühnen für Bands gibt. Und dass Veranstalterinnen und Veranstalter nicht nur ein volles Karma-Konto besitzen, sondern auch das reale über Null kommt. Und somit der Kopf über Wasser. Denn wie sagte Bob Dylan so schön – und wahr: „You can’t eat applause for breakfast“.

Mittwoch, 13 Uhr, Kastanienallee auf St. Pauli. Die Wirkungsstätte des Clubkombinats Hamburg liegt auf der ruhigen Seite des Kiezes, aber nah genug am Puls. Am Sound der Stadt. Am schönen Schmutz. Im ersten Stock des Backsteingebäudes stehen Schreibtische mit Rechnern und voller Papiere in verwinkelten Räumen. Arbeitsplatznormalität. Fünf Club-Profis vom Veranstalter bis zum IT-Experten beschäftigt der Verein mittlerweile in seiner Geschäftsstelle. In einer Ecke steht eine Landkarte, auf der mit roten Stecknadeln die Dichte der Clubs in Deutschland angezeigt wird. Kaum ein Gebiet ist da so dicht besiedelt wie Hamburg. Was für ein Schatz. Die Karte gehört zur Live Musik Kommission, dem Verband der Musikspielstätten in Deutschland, der sich mit dem Clubkombinat das Büro teilt.

Zahlreiche Fotos an den Wänden verweisen auf das Wesentliche. Auf das Warum. Weshalb all die Mails und Telefonate zu führen sind. Weswegen all die dicken Bretter gebohrt werden wollen. Ein rotes Leuchten ist auf den Bildern zu sehen. Musiker am Mikro. Künstlerinnen im Club. Inspirierende Persönlichkeiten, denen das Clubkombinat ein Stück weit den Rücken freihält. Nicht jede und jeder ist fürs Lampenlicht gemacht. Aber das Möglichmachen ist mindestens genauso bereichernd und notwendig. „Wir haben am eigenen Leib erfahren, dass bei einer Clubgründung die ein oder andere Baustelle zu erledigen ist und dass dieser Prozess voller Fallen steckt. Daher wussten wir: Es sinnvoll ist, dass sich die Clubs zusammenfinden“, erzählt John Schierhorn. Im Jahr 2003 hat er mit dem Waagenbau an der Sternbrücke zwischen Altona und Schanze einen hochgradig szene-affinen Club für Hiphop, Soul und Electro eröffnet. Und von Anfang an engagiert er sich für das Clubkombinat in Hamburg.

An diesem Mittwoch kommt Schierhorn mit sieben Kolleginnen und Kollegen zusammen. Mit Susanne Leonhard von Docks und Prinzenbar, Gerald Steyr vom Hamburger Veranstalterkollektiv Hoch10, Constantin von Twickel von Nochtspeicher und Nochtwache sowie mit Ute Daxl vom Fundbureau, die zum Clubkombinat-Vorstand gehören. Und mit Karsten Schölermann vom Knust, Heiko Langanke von der Initiative SuedKultur sowie Beraterin Terry Krug, die wie Schierhorn zum Vorstand der Clubstiftung zählen. Dieser charakterstarken wie geballt kompetenten Runde sitzt Thore Debor vor, Geschäftsführer des Clubkombinat Hamburg e.V. seit 2012. Mit ruhigem Fokus leitet er die Besprechung an diesem Mittag. Ein komplexer Ritt durch ganz unterschiedliche Aufgabenfelder. Wie lässt sich das 2012 selbst entwickelte Kartenvorverkaufssystem FairTix so ausbauen, so dass die Hamburger Clubs noch mehr davon profitieren? Wie steht es um die popkulturelle Nutzung der Kasematten bei den Deichtorhallen? Und wie kann das eigene Bildungsangebot, die Club Academy, weiter wachsen? Es geht viel um vermeintlich unsexy Themen. Um Gema, Gesetzeslagen und Behördenbescheide. Kurz: um Bürokratie. Es geht aber auch um den Austausch mit der Stadt und mit Politkern, mit Firmen und Fürsprechern, mit der Szene und den eigenen Mitgliedern. Eine Vernetzung, die koordiniert werden will.

Das Gespräch am Tisch verläuft konstruktiv, äußerst informiert und von Argumenten getrieben. Nicht immer sind alle einer Meinung. Jede Stimme findet Gehör, befeuert die Diskussion – ein anregendes Spannungsfeld zwischen Finanzkalkulation, Kommunikationsstrategie und Musikliebe, zwischen Wissen, Ratio und Leidenschaft. Die Runde vertieft Inhalte, dreht und wendet Fragen, findet aber immer wieder zielgerichtet Antworten. Oder Zwischenlösungen. Denn auch wenn das Clubkombinat unter anderem Module entwickelt, um Clubs schnell und unbürokratisch zu helfen, so lassen sich die meisten Probleme doch nicht von heute auf morgen beheben. Maßgeschneiderte Förderkonzepte zu entwickeln und urbane Freiräume zu erschließen, ist ein stetes Erörtern, Über- und Neudenken. Vereinsarbeit braucht Geduld, Nerven – und Humor.

Auch die internen Strukturen reflektiert die Runde: Wer macht wie lange weiter bei diesem Ehrenamt? Wie kann ein Generationenwechsel gelingen? Woher kommt frischer Wind? Wie lassen sich neue Musikrichtungen unterstützen? Überlegungen, die theoretisch klingen, letztlich aber unmittelbar in die Praxis führen. Hinein in ein Lebensgefühl, das Werte wie Diversität, individuelle Entfaltung und positives Miteinander in einer Art und Weise fördert, die nicht mit dem Zeigefinger verordnet wird, sondern mit Beats und Sound, Leib und Seele zu spüren ist. John Schierhorn formuliert das so: „Diese Freiheit, dieses gemeinsame Loslassen, dieses Wilde – das gibt es nur in Clubs“.

(Text: Birgit Reuther)

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