Im Herzen Hamburgs, hoch oben im ehemaligen Luftschutzbunker auf dem Heiligengeistfeld, hat sich das Uebel & Gefährlich nicht nur als Anlaufstelle für legendäre Konzerte und Clubnächte etabliert, sondern auch als Vorreiter für Nachhaltigkeit in der Hamburger Clubszene. Frank Husemann, Technischer Leiter und Teil des Nachhaltigkeitsteams des Clubs, gibt Einblicke in die Motivation hinter der Unterzeichnung des Code of Conduct „Zukunft Feiern“ und die Erfahrungen bei der Einführung eines innovativen Automatisierungsprojekts zur Energieeinsparung.

„Die Erkenntnis, dass jahrelang sehr wenig oder in manchen Bereichen nichts für die Verbesserung der Ökobilanz unternommen wurde, hat uns motiviert, den Code of Conduct zu unterzeichnen“
Die Proteste der FFF-Bewegung und die zunehmende Sensibilisierung und Dringlichkeit für Umweltfragen brachten Frank ins aktivistische Handeln: den Energie- und Ressourcenverbrauch nicht nur im Privaten, sondern auch am Arbeitsplatz zu reduzieren, erschien nur logisch.
Anfang 2023 stand außerdem eine hohe Nachzahlung für Stromkosten ins Haus, verbunden mit einer Strompreiserhöhung, die den Stein dann so richtig ins Rollen brachte. „Der Strompreis hatte sich drastisch erhöht und deshalb war hier nicht nur aus Nachhaltigkeits- sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen dringend etwas zu tun!“, berichtet Husemann.
Geschäftsführer René Dachner hat intelligente Energiemanagement-Systeme im Blick und stellt den Kontakt zum Startup Agilr her. Es ist der Startschuss für ein gemeinsames Pilotprojekt zur Automatisierung der Haustechnik. Ein Testballon von dem beide Seiten profitieren: durch die Daten des Clubs wird die Agilr-Software besser, durch eine bessere Software spart der Club Energie. Zu Beginn wird ein komplexer Fahrplan zur Automatisierung erarbeitet:
Messen & Analysieren
„In einem repräsentativen Zeitraum mit vielen Veranstaltungen haben wir den Verbrauch von einzelnen Geräten oder ganzen Stromkreisen gemessen, um Einsparungspotenziale und unnötige Verbräuche zu identifizieren“, erklärt Husemann. In der anschließenden Analyse zeichnete sich vor allem ein hoher Verbrauch bei der Kühltechnik und Einsparpotential bei der neuen Lüftungsanlage ab.
„Testhalber wurden einzelne Kühlgeräte und nur kurz vor Veranstaltungsbeginn eingeschaltet und direkt nach der VA wieder ausgeschaltet. So wurde klar, dass im Gegensatz zum Dauerbetrieb Einsparungen von bis zu 47% möglich sind“, so Husemann. Der Strombedarf der modernen Lüftungsanlage lag bei 10 – 20% des Gesamtstromverbrauchs einer Veranstaltung: „Bei ausverkauften Konzerten und vollen Partys lief die Lüftung immer unter Volllast, manchmal durch Unachtsamkeit auch über das Veranstaltungsende hinaus.“
Automatisieren
Durch die Implementierung dynamischer Automatisierungen konnte der Club seinen Energieverbrauch daraufhin optimieren. Dabei wurde die bestehende Haustechnik komplett so belassen, es gab keine Modifikationen außer in den Stromunterverteilungen: Hier wurden alle nötigen Mess- und Schaltgeräte installiert, die die Geräte künftig steuern.
„Das System misst an verschiedenen Punkten im Club CO2, Temperatur und Luftfeuchtigkeitswerte und generiert daraus die nötige Lüftungsintensität, die direkt an die Motoren der Lüftungsanalge übermittelt wird“, erklärt Husemann. Kombiniert mit einer Schnittstelle zum Veranstaltung-Planungstool co*pilot kann die intelligente Software von Agilr die Verstaltungsstart- und endzeiten auslesen und somit komplett selbstständig und ohne gesonderte Terminpflege die Kühl- und Lüftungstechnik steuern. „Das System lernt selbsttätig hinzu und kann so teilweise schon voraussehen, wann die Veranstaltung voller wird, um dann früher und intensiver tätig zu werden.“ Zusätzlich wurden Schwachstellen erkannt und behoben: Der Kühlraum wurde instandgesetzt, mit neuen Dichtungen und einer besseren Türverriegelung versehen.
Ergebnisse & Ausblick
Durch die maßgeschneiderte Lösung konnte der Energieverbrauch bereits um beeindruckende 42,6 % reduziert werden. Die Investitionen haben sich spätestens in 4 Jahren durch die Stromeinsparung, gemessen am aktuellen Strompreis, amortisiert. Weiteres Finetuning durch die intelligente Software verspricht noch mehr Einsparpotential, eine finale Beurteilung kann im August 2024, nach einem Jahr Projektlaufzeit, erfolgen.
Trotz dieser Erfolge stehen weitere Nachhaltigkeitsmaßnahmen auf dem Plan. Das Uebel & Gefährlich strebt die Verbesserung der Mülltrennung an, sowie die Reduktion von Einwegverpackungen und Einwegglas und arbeitet am Aufbau eines Awareness-Teams.
Die Unterzeichnung des Code of Conduct „Zukunft Feiern“ war für den Club nicht nur ein symbolischer Akt, sondern ein praktischer Leitfaden für nachhaltiges Handeln.
„Der CoC liefert einen Fahrplan mit Handlungsfeldern, was sehr hilfreich bei der Priorisierung der Umsetzungen ist“, sagt Husemann. Durch den Austausch im Netzwerk „Zukunft Feiern“ wurden bereits viele Inspirationen gesammelt und umgesetzt, und der regelmäßige Dialog trägt dazu bei, den nachhaltigen Wandel voranzutreiben.
„Es hilft zu wissen, dass hier nicht nur von wenige Personen etwas gemacht wird, sondern mittlerweile von vielen Clubs in Hamburg und Berlin und auch zunehmend deutschlandweit. Es gibt viele Aktionen und Denkanstöße. Der monatliche runde Tisch ist mittlerweile ein fester Bestandteil unserer Clubarbeit.“
Die Geschichte von Uebel & Gefährlich zeigt, dass Nachhaltigkeit und erfolgreicher Clubbetrieb Hand in Hand gehen können. Mit ihren energieeffizienten Maßnahmen und der Unterzeichnung des Code of Conduct „Zukunft Feiern“ setzen sie ein starkes Signal für eine nachhaltige Clubkultur in Hamburg und darüber hinaus. Eine wichtige Unterstützung bietet dabei der Future Fonds, ein Förderprogramm der Behörde für Kultur und Medien Hamburg zur Unterstützung von Personalkosten für Transformationsmanagement in Hamburger Musikclubs.



Titelbild by KMJ, CC BY-SA 3.0