NACHBERICHT —
ROUNDTABLE AWARENESS & TEILHABE #9
»Rechte Symbolik erkennen und handeln – Empfehlungen für Awareness-Teams im Veranstaltungskontext«
Am 05. Mai 2025 fand der 9. Roundtable »Rechte Symbolik erkennen und handeln – Empfehlungen für Awareness-Teams im Veranstaltungskontext« im Haus73 (Salon/1. OG) statt.
Dazu haben wir zwei Referent:innen eingeladen:
- Thorsten Hindrichs (Universität Mainz), Musikwissenschaftler und Experte für Rechtsrock
- Anna Groß (Springstoff), Labelbetreiberin und politische Bildnerin, arbeitet u.a. zu rechter Unterwanderung von HipHop, NS-Rap & der Prävention von Rechtsextremismus
Awareness-Arbeit schafft geschützte Räume, in denen sich alle Menschen frei und sicher bewegen können – besonders im Nachtleben, wo Diversität, Musik und ein solidarisches Miteinander im Vordergrund stehen. Doch gerade diese Offenheit macht Veranstaltungen auch zur Angriffsfläche für Akteur*innen aus der extrem rechten Szene, die gezielt versuchen, Freiräume zu unterwandern.
Für Awareness-Teams stellt sich damit eine besondere Herausforderung: Wie kann frühzeitig erkannt werden, wenn Personen mit rechtem oder menschenverachtendem Hintergrund an Veranstaltungen teilnehmen wollen? Welche Symbole, Codes oder Kleidungsmarken signalisieren eine Nähe zu rechten Ideologien? Und wie kann angemessen und deeskalierend gehandelt werden, ohne die Sicherheit anderer Gäste zu gefährden?
Der Vortrag war wie folgt gegliedert:
Basis-Einstieg zum Thema Awareness-Arbeit und ihre Grundsätze
- Achtsamkeit/ Bewusstsein herstellen – to be aware = sich bewusst sein
- Konsens
- Sensibilisierung eigener und anderer Grenzen
- Abbau von Strukturen der Ausgrenzung und Ungleichheit
- »Safer Spaces« – es gibt keinen safe space, aber es ist möglich Räume sicherer für Alle zu machen
- Intersektionalität / Interdependenz – Bewusstsein für überschneidende Diskriminierungen
Beispielsammlung an extrem rechten Symboliken – erkennen und wissen, worum es geht
Das 2024 veröffentlichte Video von Menschen auf Sylt, die feiernd das Lied von Gigi DÁgostino umgedichtet haben in “Ausländer Raus” ist ein gutes Beispiel dafür, dass Rechtsextremismus mittlerweile in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist und sich strategisch der Popkultur bedient, um extrem rechte Ideologien in Deutschland und Europaweit zu verbreiten. Rechtsextremismus definiert sich als ein geschlossenes Weltbild aus Rassismus, Nationalismus, Biologismus, Antisemitismus, Militarismus, Sexismus, Autoritarismus, Nativismus. Dies bezieht sich auf die Einstellungsebene. Die Handlungsebene von extrem rechten Personen definiert sich durch eine Gewaltbereitschaft, die jederzeit eingesetzt werden kann. Dadurch sind extrem rechte Personen, die durch eindeutige (legale und illegale) Symbolik an Kleidung, Körper und Sprache, besonders gefährlich für Veranstaltungsräume, in denen Vielfalt und Offenheit gelebt werden. Ziel von extrem rechten Ideologien ist die “kulturelle Hegemonie”, welche durch eine Metapolitik kontinuierlich in die Gesellschaft getragen wird. Es geht dabei um den Kampf um das politische Vorfeld mit dem Ziel sich flächendeckend und mehrheitsfähig aufzustellen. Dabei wurde das Wort “Remigration” in den politischen Kontext gehoben. Extrem rechte Personen sind nicht mehr nur als klassischen “Skinhead”- Outfit aus Springerstiefel und Glatze zu erkennen, sondern tummeln sich bereits unter den “Schönen & Reichen” der Gesellschaft.
Rechtliche Rahmen unter denen ein Ausschluss von Personen möglich ist aufgrund illegaler Symbolik, Handlungen und Gegenständen:
- §86a StGB – Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen (online unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__86a.html)
- § 130 StGB Volksverhetzung (online unter: https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html)
Nicht verbotene Symbolik:
- Schwarze Sonne (Kreis aus vielen Hakenkreuzen)
- Graue Wölfe
- Umgedrehte Deutschlandflagge
- Georgsband
- Blaue Kornblume (FPÖ & AFD)
- »White Power« – Zeichen mit der Hand
Häufig genutzte Internetcodes bei Social Media:
- redpill – anspielung auf Film “Matrix” als Pille, die zum Aufwachen verhilft
- #WBS – “WhiteBoysSummer
- #frog – grüner Frosch
- Generell ist sichtbar, dass mit vielen Zahlencodes gearbeitet wird, um Namen und Ideologien zu teilen: 88 = Heil Hitler, 18 = Adolf Hitler, 444 = Deutschland den Deutschen
Handeln – Erarbeitung von Wegen, Strategien und Handlungsempfehlungen
Rechtliche Rahmen im Nachtleben helfen im Umgang mit extrem rechten Symboliken und Personen, die solche mit auf Veranstaltungen bringen:
- Strafrechtliche Voraussetzungen (§86a / 130 StGB)
- Hausrecht – Kleidung, Symbole, Verhaltensweisen integrieren – Zuordnung zur extrem Rechten reicht aus als Begründung für Hausrecht – Durchsetzung in 4 Schritten: Zutritt verweigern, Platzverweis (temporär nur für diesen Abend), Hausverbot (längerfristig), Hausfriedensbruch (kann strafrechtlich durch die Polizei erwirkt werden, wenn Person sich nicht von der Veranstaltung entfernen lassen will)
- Es besteht aber aktuell berechtigte Vorsicht bei dem Eingreifen von Polizei – dieser Schritt sollte gut überlegt und im Team abgestimmt sein als Maßnahme!
- WICHTIG: Das Hausrecht muss vorab klar kommuniziert worden sein, um dieses umzusetzen – z.b. vor Ort als Aushang, digital als Download/PDF, Ticketkauf Zustimmung
- Hausrecht muss auch in Verträgen mit Künstler:innen/Management und externen Gewerken integriert
Bei der Umsetzung des Hausrechts gibt es auch rechtliche Einschränkungen, welche zu beachten sind: es darf nicht willkürlich oder diskriminierend gehandelt und Meinungsfreiheit, sofern die Meinung nicht Grundgesetz-verletzend ist, toleriert werden.
Ausnahme: Vorgehen gegen extrem rechte Personen ist keine Diskriminierung, weil es Schutz und Erhalt eines diskriminierungsfreien Raumes bedeutet. Mit Blick auf die Gewaltbereitschaft ist es eine wichtige Maßnahme diese Personen auszuschließen, um sicherere Räume zu schaffen.
Handlungsempfehlung für Awareness-Arbeit im Kontext von extrem rechten Ideologien:
- Prävention – Kommunikation intern und extern – Hausrecht, Code of Conduct
- Beobachtung & Dokumentation – alle Vorfälle aufschreiben als Learning und ggf. für spätere rechtliche Konflikte
- Ansprache & Intervention – Fälle durchspielen – immer Deeskalation und Eigenschutz im Fokus behalten und klar Konsequenzen benennen und verschriftlichen – keine ideologischen Diskussion beginnen!
- Zusammenarbeit – externe Gewerke wie Security oder auch Polizei mitdenken, wenn sie zur Sicherung gewollt sind – bei körperlichem Ausschluss von Personen keine vorbetraften Security Personen dafür einsetzen, da es zu straftrechtlichen Nachgängen kommen kann.
- Unterstützung der Betroffenen – Strukturen und Angebote schaffen – ggf. Feedback Kontaktadresse für spätere Meldungen und Beratungsstellenkontakte.
- Nachbereitung – alle Vorfälle intern besprechen und ggf. Maßnahmen ändern und Raum für Sorgen und Probleme öffnen
Kollegialer Austausch und Beratung zu Fällen aus der Veranstaltungsarbeit
Anhand verschiedener Perspektiven und Problemstellungen wurden einzelne Fälle mit allen Teilnehmenden besprochen und die Referent:innen haben eine Rückmeldung oder Einschätzung gegeben. So zum Beispiel das Thema abgeklebte Symbolik, Äußerung von Künstler:innen vor und während eines Konzertes, Ausformulierung des Hausrechtes.
Die Perspektive der genauen Umsetzung während einer Veranstaltung konnte nicht allgemein gültig besprochen werden, da es immer individuell auf den Veranstaltungsort angepasst werden muss.
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