Zur 5. Ausgabe des Roundtables Awareness & Teilhabe von Clubkombinat Hamburg e.V. in Zusammenarbeit mit Act Aware e.V. kamen rund 50 Teilnehmende aus dem Club- und Veranstaltungskontext im moondoo zusammen.
Wir sind auf die Suche gegangen nach Antworten auf die Frage „Warum brauchen wir Awareness?“ Input hierzu lieferten uns Kim Winterhalter und Mariama Bah.
Kim Winterhalter arbeitet in unterschiedlichen Awareness-Bereichen in der Hamburger Clubkultur. Aktiv ist sie seit einiger Zeit im Stadtteil eingegliederten und für sich stehenden Golden Pudel Club sowie beim Fluid Festival. Außerdem befasst sie sich darüber hinaus mit Clubkultur spezifischen Thematiken, da sie sich selbst als DJ in den zu schützenden Nachtlebenräumen bewegt und darum auch die Verantwortung sieht, diese Räume proaktiv mitzugestalten.Kim zeigte uns Möglichkeiten auf, Machtstrukturen und das damit verbundene Verhalten kritisch zu hinterfragen, um gemeinsam zu lernen.
Mariama Bah organisiert seit 2021 das Coraci Festival, ein kleines politisches Festival mit antirassistischem Anspruch, bei dem sie das Awareness-Konzept mit verantwortet. Vor drei Jahren hat sie das JUA, Junges Afrokollektiv, als einen Ort für Vernetzung und Austausch in Lüneburg mitgegründet. Sie ist außerdem im Awareness-Team des Act Aware e.V. auf verschiedenen Veranstaltungen aktiv.
Mariama ergänzte Kims Schilderungen mit Herausforderungen, die vor allem People of Color beim Feiern haben und erklärt, wie Awareness dazu beitragen kann, dass sich alle sicherer fühlen können.
In beiden Inputs wurde deutlich, dass es keine Räume ganz frei von Gewalt oder Diskriminierung gibt. Diese gesellschaftliche Schieflage, die vor allem Sexismus und sexualisierte Gewalt ermöglicht, macht dann eben auch vor der Clubtür nicht Halt.
Im Anschluss an die Inputs wurden in einer aktiven Pause Diskussionen anhand von Fallbeispielen initiiert. Alle Teilnehmer*innen konnten sich im zweiten Teil anhand praktischer Beispiele aus dem Clubkontext vertiefend mit den angesprochenen Diskriminierungen Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit beschäftigen. Die Szenarien finden sich hier im Anhang.
Im Plenum wurden daraufhin einige der Beispiele anhand folgender Fragen besprochen: Wie hätte diese Situation verhindert werden können? Wie würdet ihr reagieren privat oder als Mitarbeitende? Welche Unterstützung würdet ihr euch in dieser Situation wünschen?
Als Resümee ließen sich folgende Hauptpunkte aus diesem Abend feststellen:
1. Keine Person oder kein System ist frei von „-ismen“. Wir leben indiskriminierenden Strukturen und sind jeweils so sozialisiert. Am wichtigsten istdaher die Offenheit zur Reflexion und die Anerkennung, dass es diese gewaltvollenStrukturen gibt, die verschieden erlebt und wahrgenommen werden. Kritik- undLernfähigkeit sind hier tragende Säulen. Es ist nicht die Aufgabe von Betroffenendazu aufzuklären, sondern unsere als Gemeinschaft.
2. Wir können den Club als Lernfeld nutzen um Veränderungen in der Gesellschaftvoranzutreiben. Hier kann und sollte Aufklärungsarbeit und Austausch geschehen.
3. Awareness auf einer Veranstaltung ist nicht „zubuchbar“, sondern eine Haltungfür deren Umsetzung es Ressourcen braucht. Es braucht Engagement und Wille zugesellschaftlicher Veränderung und dann sämtliche finanzielle Ressourcen. Sosollten beispielsweise Schulungen in Arbeitszeit durchgeführt werden, AwarenessTeams ausreichend Vor- und Nachbereitungszeit haben, Taxigeld für Notfällebereitstehen, usw.
Offen bleiben Fragen wie: Intervention oder nicht? Lieber keine Awareness als schlechte Awareness?
Anhang
Arbeitsdefinition Awareness:
Awareness ist ein Ansatz, um sexualisierter Gewalt, Diskriminierung aller Art und Grenzüberschreitungen, die in unserer Gesellschaft und somit auch in Veranstaltungsräumen existieren, auf präventiver und praktischer Ebene zu begegnen. Das langfristige Ziel von Awareness ist es, über Veranstaltungen niederschwellig viele Menschen für diese Themen zu sensibilisieren und eine rücksichtsvolle Art des Zusammenseins vorzuleben, um so einen gesamtgesellschaftlichen Wandel zu erreichen.
Awareness fordert eine Auseinandersetzung jeder Einzelperson, Organisation und Veranstaltung mit Machtstrukturen und Diskriminierung, um sexualisierte Gewalt, Diskriminierung und Grenzüberschreitungen möglichst schon im Voraus zu verhindern. Dabei muss Awareness als fortlaufender Prozess verstanden werden, der in allen Bereichen einer Veranstaltungsorganisation verankert ist. Durch die Einnahme einer gemeinsamen Haltung, die auf kollektiver Verantwortungsübernahme, Betroffenenzentriertheit und Parteilichkeit beruht, sowie durch professionelle Unterstützungskonzepte auf Veranstaltungen wird ein Umgang mit Vorfällen möglich, der deren negative Konsequenzen abmildert und auf die Wiederherstellung oder Erhaltung der Handlungsfähigkeit Betroffener abzielt. Handlungsmaxime sind dabei das individuelle Erleben und die Bedürfnisse betroffener Personen.
Übung: Szenarien
Eine Person wendet sich an das Team, weil sie von anderen Besuchenden aus der Toilette ihrer Wahl geworfen wurde.
Eine Person trägt Kleidung mit rechten Symbolen darauf. Die Symbole sind nicht verboten, aber können klar der rechten Szene zugeordnet werden.
Dem Barpersonal fällt auf, dass eine männlich gelesene Person vielen weiblich gelesenen Personen Drinks ausgibt und dann sehr aufdringlich wird.
Der männliche Act auf der Bühne fordert das Publikum auf ihre T-Shirts auszuziehen. Viele männlich gelesene Personen folgen der Aufforderung. Die Stimmung ist aufgeheizt.
Nach einem Konzert nimmt der Artist zwei hocherfreute, allerdings augenscheinlich minderjährige Fans mit in den Backstage Bereich.