Am 12. Oktober 2025 haben die Hamburger:innen mit 53,2 % Zustimmung und Erfüllung des Quorums eines der ambitioniertesten Klimagesetze Deutschlands auf den Weg gebracht: Die Klimaneutralität der Stadt soll nicht erst 2045, sondern bereits 2040 erreicht werden. Mit dem erfolgreichen Volksentscheid zur Gesetzesänderung wird ein verbindlicher Pfad mit jährlich festgelegten Emissionsobergrenzen und einer Pflicht zum Sofortprogramm bei Zielverfehlung sozialverträglich verankert. Für die Musik- und Clubszene heißt das perspektivisch: planbare, verbindliche Leitplanken — und eine beschleunigte Transformation vor allem in Gebäude/Wärme, Strom/Effizienz und Mobilität.
Was wurde beschlossen?
Mit dem Klimaschutzverbesserungsgesetz wird das bestehende Hamburgische Klimaschutzgesetz (HmbKliSchG) in mehreren zentralen Punkten geändert. Die vollständigen Veränderungen sind hier einsehbar.
- Zielverschiebung & Reduktionspfad: Reduktion der CO₂-Emissionen um 70 % bis 2030 und um 98 % bis 2040; Ziel: Netto-CO₂-Neutralität bis spätestens 2040. Dazu kommen verbindliche jährliche Minderungsziele.
- Monitoring & Nachsteuerung: Bis 30. Juni legt die zuständige Behörde eine Schätzbilanz für das Vorjahr vor. Bei Überschreitung der Emissionswerte muss der Senat binnen fünf Monaten ein Sofortprogramm beschließen; Über-/Unterschreitungen werden auf Folgejahre angerechnet.
- Sozialverträglichkeit: Die Ziele sind sozialverträglich umzusetzen; Wirtschaftlichkeit/Sparsamkeit sind als Prinzip festgeschrieben.
Was heißt das konkret für Clubs & Veranstaltende?
Das vom Senat beauftragte Machbarkeitsgutachten kommt zum Ergebnis: 2040 ist machbar, erfordert aber erhebliche Zusatzanstrengungen mit spürbaren Auswirkungen für Haushalte, Unternehmen und den Haushalt der Stadt — die konkrete Maßnahmenlogik betrifft vor allem Gas-/Wärmenetze, Gebäudesanierung, ÖPNV/Radverkehr sowie Elektrifizierung.
Clubs, Veranstaltungsorte und Kulturbetriebe sind als Teil des Sektors „Gewerbe, Handel, Dienstleistungen“ (GHD) sowie Gebäude- und Wärmesektor indirekt betroffen — aber rechtlich verpflichtet, wenn die Maßnahmen aus diesen Bereichen umgesetzt werden.
Im Kern kommen voraussichtlich die folgenden gesetzlich wirksamen Veränderungen auf die Szene zu:
Pflicht zur Umstellung der Wärmeversorgung
- Hamburg muss seine Wärmeversorgung bis spätestens 2040 vollständig dekarbonisieren, also ohne fossile Brennstoffe auskommen.
- Laut Machbarkeitsgutachten sollen Gasnetze ab 2030 schrittweise stillgelegt oder auf klimaneutrale Energieträger (z. B. Wasserstoff oder Biogas) umgestellt werden. Neue Gasheizungen dürfen nicht mehr eingebaut werden, und bestehende müssen mittelfristig ersetzt werden.
Für Spielstätten bedeutet das:
Wer heute noch mit Gas oder Öl heizt, muss in den kommenden Jahren auf erneuerbare Wärme umsteigen — spätestens, wenn das eigene Gebäude oder Quartier umgerüstet wird. Diese Umstellung wird gesetzlich vorgeschrieben, sie ist nicht freiwillig. Förderprogramme sollen die Kosten abfedern, aber ein ‚„Weitermachen wie bisher“‘ wird rechtlich nicht mehr möglich sein.
Pflicht zu energetischer Gebäudesanierung
- Das Klimagesetz schreibt jährliche Emissionsobergrenzen für den Gebäudesektor fest.
- Um diese einzuhalten, wird Hamburg die Sanierungsquote für Gebäude deutlich erhöhen müssen — das ist eine Maßnahme, die im Machbarkeitsgutachten ausdrücklich genannt wird.
- Dazu gehören: Dämmung von Dächern und Fassaden, Austausch von Fenstern und Türen, Effizienzsteigerung der Lüftungsanlagen.
Für Spielstätten bedeutet das:
Wenn ihr Eigentümer seid oder langfristige Mietverträge habt, wird die Stadt energetische Mindeststandards vorgeben, die eingehalten werden müssen. Vermieterinnen werden verpflichtet, energetisch zu sanieren — die Kosten dürfen nicht voll auf Mieter:innen abgewälzt werden, weil das Gesetz die soziale Verträglichkeit ausdrücklich vorschreibt.
Strom- und Energieeffizienz als verbindlicher Standard
- Die jährlichen CO₂-Obergrenzen bedeuten, dass auch der Stromverbrauch im GHD-Sektor bis 2040 massiv sinken und die Energieeffizienz gesteigert werden muss.
- Hamburg wird entsprechende Programme und Prüfmechanismen einführen müssen, um die Emissionsziele einzuhalten.
Für Spielstätten bedeutet das:
Es wird verbindlich werden, alte Kühl-, Licht- und Tontechnik durch sparsame Geräte zu ersetzen, Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung einzusetzen und intelligente Steuerungssysteme und Verhaltensänderungen im Betrieb umzusetzen.
Anpassung an städtische Mobilitäts- und Verkehrsregeln
- Das Gutachten nennt die Verkehrswende als zwingende Voraussetzung für das 2040-Ziel: mehr ÖPNV, Radverkehr, weniger Autoverkehr, ggf. Tempo 30 innerorts, emissionsfreie Zonen
- Diese Maßnahmen werden gesetzlich ermöglicht durch Anpassungen im Verkehrsrecht und durch städtische Klimaschutzpläne.
Für Spielstätten bedeutet das:
- Weniger Parkflächen, dafür mehr Rad- und Fußgänger:inneninfrastruktur.
- Veranstaltungskonzepte müssen sich künftig stärker an umweltfreundlicher Anreise orientieren (ÖPNV-Erreichbarkeit, Shuttle, Fahrrad, Kombiticket).
- Der Zukunftspfad sieht den Umstieg auf emissionsfreie Fahrzeuge im gewerblichen Liefer- und Veranstaltungsverkehr vor (vgl. Machbarkeitsgutachten, Kap. 3.2 Verkehr). Für Clubs heißt das: mittelfristig werden E-Transporter oder E-Nightliner zur betrieblichen Praxis gehören.
Kontrolle, Nachsteuerung und sozialer Ausgleich
Das verbesserte Klimagesetz verpflichtet nicht nur zu ehrgeizigen Zielen, sondern auch zu einem klaren Mechanismus, wie deren Einhaltung überprüft wird.
§ 4 des Gesetzes schreibt vor: Hamburg muss jedes Jahr eine sogenannte Schätzbilanz vorlegen – eine CO₂-Zwischenrechnung, die zeigt, ob die Stadt im Plan liegt. Wird das festgelegte Emissionsbudget überschritten, ist der Senat verpflichtet, innerhalb von fünf Monaten ein Sofortprogramm zu beschließen, das den Kurs wieder korrigiert.
Für Clubs heißt das: Sie sind nicht direkt adressiert, gehören aber zu den Sektoren, in denen die Stadt Emissionen senken muss — etwa im Bereich Gebäude, Wärme oder Gewerbe. Wenn diese Sektoren ihr Ziel verfehlen, kann Hamburg kurzfristig mit neuen Förderprogrammen, strengeren Standards oder beschleunigten Umstellungen reagieren. Clubs werden also Teil der jährlichen Nachsteuerung, auch wenn sie keine individuellen Berichtspflichten haben.
Gleichzeitig sichert das Klimaschutzverbesserungsgesetz (§ 2 Abs. 4) die soziale Verträglichkeit aller Maßnahmen ab. Das Gesetz verpflichtet die Stadt, Klimaschutz „wirtschaftlich, sparsam und sozialverträglich“ umzusetzen. Kosten für Sanierungen oder Energieumstellungen dürfen also nicht einseitig auf Mieter:innen oder kleine Betriebe abgewälzt werden. Stattdessen muss Hamburg Ausgleichs- und Förderinstrumente bereitstellen, wenn Maßnahmen wirtschaftlich sonst nicht tragbar wären.
Kurz gesagt:
Die Stadt steht in der Pflicht, ihre Klimaziele jährlich nachzuweisen — und falls sie sie verfehlt, sofort gegenzusteuern. Für Clubs bedeutet das: Verbindliche Veränderungen kommen, aber sie sollen gerecht und fördergestützt umgesetzt werden. Klimaschutz wird damit kein exklusives Zusatzprojekt mehr, sondern ein Teil städtischer Infrastruktur- und Förderpolitik, die Kulturorte ausdrücklich mitdenkt.