Nachbericht zum Roundtable Awareness & Teilhabe #02

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Thema: Barrierefreiheit

05.10.2022 @ Monkeys Music Club

Der zweite „Roundtable Awareness & Teilhabe“ am 05. Oktober 2022 im Monkeys Music Club hatte Felix Brückner von der „Initiative Barrierefrei Feiern“ zu Gast und lieferte viele Erkenntnisse. Felix, der selbst Experte in eigener Sache also ein Mensch mit Behinderung ist, zeigte sehr eindrücklich auf, dass das Thema Barrierefreiheit auf vielfältigste Art und Weise im Handlungsfeld der Kultur realisiert werden kann. Dabei stehenn icht immer nur bauliche Maßnahmen im Fokus, sondern es können auch viele kleine Schritte in anderen Bereichen (z.B. Kommunikation), die nicht gleich viele Investitionen bedürfen, getätigt werden. Neben einer angestrebten Inklusion können solche Maßnahmen auch in Sachen Zielgruppenerweiterung spannend sein, denn bezogen auf die Gesamtbevölkerung verfügen 9,4% der Bevölkerung in Deutschland (7,8 Millionen Personen) über einen Status als schwerbehinderte Menschen. Als schwerbehindert gelten Personen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben.

Die Kernziele der Initiative sind gleichberechtigte Zugänge schaffen, die Sensibilität für die Anliegen und Sichtweisen von Behinderten erhöhen, das gesellschaftliche Bild von Menschen mit Behinderung verändern und Barrierefreiheit nicht stets im Kontext von Rollstuhlnutzenden zu sehen. Außerdem muss mit Blick auf Inklusion auch die Diversität in Teams und auf den Bühnen erhöht werden. Nur so können nachhaltige Aufklärungs- und Sensibilisierungsprozesse (auch in den A-Teams) angestoßen und etabliert werden.

Zum Einstieg erfolgte eine begriffliche Annäherung an Barrierefreiheit (= maßnahmenorientierte Zugänge – Infrastruktur für Teilhabe) und Inklusion (= gilt als Ziel/Zustand/Mindset, wenn Teilhabe ermöglicht wurde. Es ist ein Miteinander auf Augenhöhe und wäre eine neue Normalität). Wörter wie „Rollifahrer“, „Menschen mit einem Handicap“ werden aus der Community immer weniger als Selbstbezeichnungen gewählt. Begriffe wie „barrierearm“ sollten vermieden werden.

Felix beschrieb die Situation mit dem Satz: „Menschen sind nicht behindert, sondern werden behindert.“ Geistig behinderte Menschen, könne man auch als Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten benennen. Ein Sprachleitfaden bieten die Sozialhelden auf ihrer Homepage: https://leidmedien.de/

Handlungsfelder

Barrierefreiheit kann und sollte in verschiedenen Bereichen hergestellt werden:

1. Kommunikation
Hier existieren etliche Handlungsstränge:

+ Homepage: a.) Alternativtexte bei Bildern eintippen, damit blinde Menschen auch eine Chance haben zu erfahren, welche Inhalte auf den Grafiken enthalten sind; b.) FAQs mit Infos zur Barrierefreiheit anpassen c.) über einfache und leichte Sprache mit Blick auf die Zielgruppe von Menschen mit Lern- und Leseschwierigkeiten nachdenken

+ Die Erhebung und Darstellung des IST-Zustands wäre ein maßgeblicher und zumeist kostengünstiger Schritt, um das Thema Barrierefreiheit anzugehen. Explizite Hinweise, wo man noch nicht barrierefrei ist, sind auch nützlich und sehr wertvolle Hinweise an die Zielgruppe.

+ Die FAQ sollten auch Infos zur Barrierefreiheit enthalten (und gerne nicht ganz am Ende stehen).

+ Geschaffene Barrierefreiheit auf Veranstaltungen sollten in die Communitys pro-aktiv transportiert und gestreut werden. Die Kontakte zu Communitys in Hamburg versucht das Clubkombinat in den kommenden Wochen zentral z.B. über die Inklusionsbeauftragte der Stadt zu erheben. Behinderte Menschen gehen in der Regel davon aus, dass an sie bei Veranstaltungen nicht gedacht wird.

2. Arbeitsplatz/Team
Behinderte Menschen einstellen!

3. Bühnen/Backstage
Behinderte Menschen gehören auch AUF die Bühne, weswegen auch Backstage-Bereiche behindertengerecht gestaltet werden sollten.

4. Ticketing
Regelungen für Begleitpersonen treffen und kommunizieren (auf VVK-Plattform und eigenen Kanälen); Behinderte verfügen über einen Behindertenausweis, in dem vermerkt ist, ob sie eine Begleitperson offiziell begleiten sollte (Merkzeichen B).
Behinderten mit diesem Status und einem Ticket sollte ein kostenfreier Zutritt der Begleitperson ermöglicht werden. Die Initiative „Barrierefrei Feiern“ empfiehlt allen Inhaber:innen unabhängig vom Grad der Behinderung die kostenfreie Mitnahme einer Begleitperson zu ermöglichen.

5. An-/Abreise
Als ÖPNV-Hinweis reicht es nicht, wenn eine Verlinkung zu Google-Maps erfolgt. Google-Maps beinhaltet keine zusätzlichen Informationen für Behinderte. Eine Schilderung der Beschaffenheit von der ÖPNV-Haltestelle zum Veranstaltungsort (z.B. Hinweise zu Leitsystemen, die Blinde und Sehbehinderte leiten und auf Gefahrenstellen hinweisen (z.B. hohe Kantsteine), die Angabe von exakten Entfernungen, sowie erhöhte Bahn/Bussteige, Aufzüge, Ansprechpartner bei Ausfällen beim HVV, Ampelübergänge mit akustischen Signalen können sehr nützlich sein.

6. Vor-Ort
+ z.B. Minimierung von Stufen, Bereitstellung einer behindertengerechten Toilette (oder Hinweise: Wo in der Nähe eine solche zur Verfügung steht)
+ Sensibilisiertes Personal im Umgang mit Menschen mit Behinderung sind enorm wichtig vom Security Team bis zum Catering- / Bar-Personal
+ barrierefreies Bühnenprogramm
+ diverses Bühnenprogramm
+ Wegestrukturen

Auf Nullbarriere.de befinden sich viele DIN-Normen, wie Einrichtungen angelegt sein müssten.
Beispiele sind barrierefreies Bauen für öffentlich zugängliche Gebäude, Räume für Veranstaltungen (DIN 18040-1) und Sanitärräume.

Workshops, Beratung & Prozessbegleitung

WIR KÜMMERN UNS bietet u.a. Workshops für clubspezifische Schulungen an, in denen gewerkeübergreifend Maßnahmen für einen „Inklusiven Kulturbetrieben & Community-Management“ aufgezeigt werden. Individuelle Ortsbegehungen zur Überprüfung der Barrierefreiheit durch Expert:innen in eigener Sache und anschließende Auswertung und die Vorstellung der Ergebnisse runden dieses Angebot ab.

Aber auch Workshops zur „Barrierefreie Kommunikation“ scheinen sinnvoll, da es meist die Zuständigen für Öffentlichkeitsarbeit/SocialMedia/Ticketing/Vorverkauf sind, die die Besucher*innen-Anfragen erhalten. Dazu können die Erarbeitung von Strategiepapieren (und Präsentation und Unterweisung), aber auch die Zusammenstellung eines Team-Handbuchs und FAQs gebucht werden.

Fotocredit by Fabian Stoffers

NACHTRAG
Checkt mal, ob Eure Venue bereits auf Wheelmap verzeichnet und aktuell ist. Die Website ist ein Angebot von Sozialhelden e.V. und legt den Fokus sehr stark auf Rollstuhlfahrer:innen.

Die Eintragung und der Datencheck sollte Vor Ort unbedingt mit behinderten Menschen durchgeführt werden, da sie Expert:innen in eigener Sache sind und die Lage vor Ort mit ganz anderen Resonanzen verzeichnen.

Fotocredit Titel „WKU Awareness Team“ by Victoria Tomaschko; Eventbild by Fabian Stoffers

Nächster Termin

Roundtable: Awareness & Teilhabe #03 – K.O. Tropfen im Veranstaltungskontext am 06.12.22 um 18:00 Uhr in der Molotow, Skybar

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