Im Club mit … Viktor Hacker


Viktor, seit 30 Jahren stehst du vor den Eingängen von Hamburgs Clubs. Was ist am Türsteher-Job so unterhaltsam, dass du mit deinen zwei Mitstreitern daraus ein Bühnenprogramm gemacht hast?

Viktor Hacker: Der Humor entsteht in der Kommunikation mit den Gästen. Ich versuche das immer so zu beschreiben: Als Türmann ist man im Grunde ein Schiedsrichter, ähnlich wie beim Fußball. Mit den Entscheidungen, die man fällt, werden 50 Prozent der Anwesenden nicht einverstanden sein und diskutieren wollen. Jetzt stelle man sich diese 50 Prozent noch besoffen vor, und das Spiel dauert nicht 90 Minuten, sondern acht Stunden. Dann hat man eine Vorstellung davon, was es bedeutet, Türmann zu sein.

Welchen Abend wirst du nie vergessen?

Viktor Hacker: Skurrile Geschichten passieren viele. Im Roschinsky’s hat sich eines Abends ein Gast einen Joint gebaut. Ich gab ihm zu verstehen, dass er den bitte draußen rauchen muss. Als ich fünf Minuten später wieder an ihm vorbei kam, wollte er das Ding gerade anzünden, also habe ich ihm den Joint weggenommen, bin damit raus gegangen und habe ihn auf den Gehweg geschmissen. Der Typ ist dann erst mal weggelaufen– und kam mit der Polizei im Schlepptau zurück (lacht). Er wollte ernsthaft versuchen, mich wegen Diebstahl anzuzeigen.

Was ist die wichtigste Regel für einen Türsteher?

Viktor Hacker: Nerven bewahren! Du bist nüchtern, die anderen sind betrunken – oder sogar mit anderen Substanzen verunreinigt. Man darf die Leute deshalb nicht so behandeln, wie man im normalen Alltag mit ihnen sprechen würde. Man muss für sie mitdenken. Und man sollte nie rigoros nein sagen. Immer ein bisschen vage bleiben und locker mit ihnen reden. Das entspannt viele Situationen.

Wer muss bei dir draußen bleiben?

Viktor Hacker: Es gibt eigentlich nur zwei Gründe, warum jemand nicht in einen Club hinein darf oder wieder hinaus muss: Wenn er unfreundlich und aggressiv ist, oder wenn er zu viel getrunken hat. Auf dem Kiez ist das alles kein Problem, da gehen die Leute einfach wo anders hin. Bei der Großraumdisco auf dem Land, wo ich früher auch an der Tür stand, ist das anders, da müssen die Leute rein. Die sind extra 20 Kilometer gefahren! Das gibt auf jeden Fall eine Schlägerei (lacht).

Wenn du nicht selbst vor irgendeiner Tür stehst, wo gehst du in Hamburg gerne hin?

Viktor Hacker: Ich bin gerne in Läden, die etwas abseits sind. Im Gun Club zum Beispiel, oder im Chug Club von Bettina Kupsa in der Taubenstraße. Läden, die keine Laufkundschaft haben, sondern wo die Leute gezielt hinkommen. Ich gehe nach wie vor gerne aus, weil ich dann immer merke, dass die meisten Gäste völlig okay sind. Das entspannt und entkrampft mich für die nächste Schicht.

Was macht einen guten Club aus?

Viktor Hacker: Es gibt kein Geheimrezept, das ist das fiese. Der Laden muss Seele haben. Die Musik muss gut sein – eine Balance zwischen massentauglicher Musik und speziellem Charme. Und der Besitzer und das Team müssen Bock haben. Das merkt man auch daran, dass das Personal nach der Schicht oder an freien Tagen am Tresen sitzt. Dann hat der Laden Gesicht –das spüren auch die Gäste und das ist die beste Werbung. Das Roschinsky’s ist so ein Laden. Der ist immer voll, seit es den gibt, und keiner weiß genau warum.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Viktor Hacker: Verzweifelt. Zwar sind an guten Wochenenden bis zu 100.000 Menschen auf dem Kiez unterwegs, aber für viele Clubs – gerade Live-Clubs – ist es schwierig, davon etwas abzugreifen. Denn die Menschen in Hamburg sind satt. Es gibt so ein großes Angebot und kleine Läden haben dadurch oft richtig zu kämpfen. Zumal von den Behörden permanent neue Bestimmungen und Regeln eingeführt werden. Und die Kioske, die das Billigbier raushauen, sind sowieso die Pest. Oft frage ich mich, ob Leute wie Andi vom Molotow überhaupt noch Geld verdienen, oder ob das nur noch Idealismus ist.

Mal angenommen du würdest zum nächsten Kultursenator gewählt werden, was wäre deine erste Amtshandlung?

Viktor Hacker: Ich würde versuchen diesen ganzen Vorschriftenkatalog zu entfilzen. Wenn du alte Häuser mit Innenhöfen wie auf dem Hamburger Berg hast, wie willst du da einen Fluchtweg schaffen? Da müsste man die Häuser dahinter abreißen. Außerdem würde ich steuerliche Erleichterungen schaffen für kleine Läden und solche, die neu aufmachen – statt das ganze Geld in irgendwelche Großprojekte zu stecken.

Mal angenommen du würdest einen Club aufmachen, wie wäre der?

Viktor Hacker: Ich würde nie einen Club aufmachen, weil ich weiß, dass das schief gehen würde (lacht). Aber wenn doch, wäre es ein Punk-Rock, Oi und Psychobilly Laden, weil das die Ecke ist, aus der ich komme. So für 70 bis 100 Leute, mit einer kleinen Bühne für Kleinkunst, Musik, Liedermacher.

Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubgänger?

Viktor Hacker: Ihr geht nicht zu einer Party, ihr seid die Party! Und noch eine Bitte: Glüht nicht so extrem vor (lacht).


ZUR PERSON

Viktor Hacker wurde 1965 in Hamburg geboren. Seit 30 Jahren steht er als Türmann vor Hamburgs Clubs, heutzutage regelmäßig vor Headcrash, Klubsen und Freundlich + Kompetent. Seine humorvollen und dramatischen Anekdoten schreibt er nicht nur für den St. Pauli Blog nieder, sondern trägt sie gemeinsam mit seinen Kollegen „Intensiv-Dieter“ und Henning Geisler auch im Rahmen der beliebten Spoken-Word-Performance „Zeit für Zorn – Die Türsteherlesung“ vor. Darüber hinaus ist der ausgebildete Synchronsprecher und Kabarettkünstler regelmäßig auf den zahlreichen Kleinkunstbühnen der Stadt zu.


LESESTOFF

Die Erlebnisse von Viktor Hacker, „Intensiv-Dieter“ und Henning Geisler gibt es auch in Buchform: „Dumm & Brutal“ haben die drei Türsteher ihr erstes, im Eigenverlag erschienenes Buch genannt, es folgte die ergänzte Version „Dumm & Brutal 1.1″. Mitte Mai erscheint mit „Dümmer & Brutaler“ ihr mittlerweile drittes Buch. Es enthält brandneue Geschichten aus dem Hamburger Nachtleben – skurril, lustig und spannend.

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