
Foto: Alex Heil
Phil, wann war dein letztes Konzert vor dem Shutdown und wie hast du die Zeit ohne Auftrittsmöglichkeiten verbracht?
Mein letztes Konzert vor dem Shutdown habe ich mit der Soulounge in der ausverkauften Fabrik am 22. Februar gespielt. Nach zwei Wochen fast ausschließlich zu Hause bleiben habe ich mich anschließend in meinem Proberaum eingeschlossen und angefangen, neue Songs zu schreiben. Und natürlich habe ich auch ein paar Livestream Konzerte gespielt.
Wie waren deine Erfahrungen damit?
Die Bandbreite ging von ganz einfach mit dem Handy aufgenommenen Streams aus dem eigenen Wohnzimmer bis hin zu aufwändig produzierten Streams mit Moderatorin und Bühnenbild. Unterm Strich muss ich sagen, dass Streamingkonzerte für mich kein wirklicher Ersatz zum richtigen live spielen sind. Mir fehlt dabei einfach, den Moment am gleichen Ort gemeinsam zu erleben. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, dass das Livestreamen von Konzerten zukünftig weiterhin eine Rolle spielen wird. Dafür bin ich offen, freue mich aber schon auf die Zeit, wenn wir wieder in vollen Clubs spielen dürfen – wann auch immer das sein wird.
Welche Perspektiven hast du derzeit als Musiker überhaupt, weiterhin deinen Beruf auszuüben?
Mittlerweile habe ich schon wieder erste kleine Konzerte mit echten Menschen und ohne Bildschirme zwischen mir und dem Publikum spielen dürfen. Ansonsten hatte und habe ich zum Glück hier und da Studiojobs, mit denen ich weiter Geld verdienen kann. Außerdem machen das Schreiben und Produzieren von Musik ja einen großen Teil meines Berufs aus und das geht zum Glück weiterhin.
Du selbst bezeichnest deine Musik als „Pop, der Jazz und Soul atmet“. Woher kommt deine Liebe zu Jazz und Soul?
Bill Withers war für mich die Einstiegsdroge. Vor ungefähr acht Jahren habe ich mit meiner damaligen Band einen Song von ihm gecovert und gemerkt, dass diese Musik gut zu mir passt. Danach habe ich Stevie Wonder und Marvin Gaye für mich entdeckt. Das sind aber nicht meine einzigen Einflüsse. Auf meinem Album gibt es zum Beispiel auch einige folkige Songs oder Jazz- und Blues-Elemente.
In Hamburg hast du dir als Sänger der Soulounge bereits einen Namen gemacht. Wie kamst du zu dem Bandprojekt?
Vor drei Jahren fing ich an mit Sven Bünger, einem der Initiatoren der Soulounge, an meinem Album zu arbeiten. Ungefähr zeitgleich hatte Sven die Idee, die Soulounge, die ja 2010 ihr Abschlusskonzert hatte, wieder aufleben zu lassen. Er hat mich dann direkt eingeplant und seitdem gehöre ich fest dazu. Das ist total lustig, denn ich kannte die Soulounge natürlich, da ich Sänger wie Johannes Oerding und Roger Cicero immer verfolgt habe. Ich war damals aber noch zu jung, um zu den Konzerten zu gehen. Dass ich beim ausverkauften Konzert in der Fabrik im Februar dann zusammen mit Johannes auf der Bühne stand, war schon besonders.
Warum ist die Soulounge so eine gute Talentschmiede?
Das hat viel mit Sven zu tun, weil es nun mal zu seinen Qualitäten gehört, dass er die Leute früh entdeckt und fördert. Man kriegt bei den Proben sofort mit, dass es um einiges geht und die Musiker und Gäste ihren Kram alle echt draufhaben. Die Band macht unheimlich viel Druck und man wird sofort ins kalte Wasser geschmissen. Dadurch lernt man ziemlich schnell sehr viel.
Wo hattest du unabhängig von der Soulounge deine ersten Konzerte?
Ich habe mit meiner alten Band schon ein paar Shows in Hamburg gespielt, aber das erste Konzert mit meinen eigenen Sachen hatte ich 2017 in der Pooca Bar. Ich weiß noch genau, wie sich das angefühlt hat, das erste Mal mit den eigenen deutschen Songs auf der Bühne zu stehen… Ziemlich besonders waren dann auch meine zwei Konzerte im Birdland letztes Jahr. Alleine schon, weil dort ja ein echter Flügel auf der Bühne steht, das ist für meine Musik natürlich „the real deal„!
In welchen Läden trifft man dich privat?
Ich mag den Mojo Club sehr gerne, da habe ich schon echt gute Konzerte gesehen. Und ich war neulich das erste Mal im Cotton Club. Dort hat es mir auch total gut gefallen. So kleine, gemütliche Jazzclubs finde ich toll, wo alte Posaunen und andere Instrumente an der Decke hängen.
Was macht einen guten Club sonst aus?
Es muss auf jeden Fall anständiges Bier geben! Eine Willkommenskultur, die man spürt, ist auch wichtig. Also eine gewisse Wärme. Das hat natürlich auch mit dem Ambiente zu tun. Urige Läden mag ich einfach gerne. Und auch wenn ich weiß, dass es ein schwieriges Unterfangen ist, kleine Clubs am Leben zu halten: wenn man Newcomer bei sich spielen lässt, finde ich es wichtig, dass die Gagen schon irgendwie fair sind.
Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft vor dem Lockdown beschreiben?
Ich würde sagen sie ist angenehm florierend. Es gibt für die unterschiedlichsten Stile viele Orte, an denen man tolle Konzerte erleben und auch spielen kann. Ich lebe unter anderem deswegen gerne in Hamburg, weil ich das Gefühl habe, man kann es hier als Musiker sehr gut aushalten und hat viele Möglichkeiten.
Und wie ist es um die Jazz-Szene bestellt?
Ich gehöre da ja nur peripher dazu, weil ich mir hin und wieder Musiker aus der Jazz-Szene ausborge oder mal auf dem Elbjazz spielen durfte. Aber ich finde, dass da gerade ein ziemlich frischer Wind weht. Ums Jazzkombinat herum gibt es viele kluge, junge Musikerinnen und Musiker. Und auch die Jungs, die das Birdland jetzt betreiben, machen ihre Sache echt gut. Es läuft immer noch viel Jazz, was wichtig ist, aber gleichzeitig haben sie den Laden etwas mehr geöffnet für poppigere Sachen. Das ist eine schöne Entwicklung und es lohnt sich auf jeden Fall, da regelmäßig hinzugehen. Ab Oktober ist hier wohl wieder mit bis zu 30 Gästen freitags und samstags geöffnet.
Wenn du Kultursenator wärst, was würdest du ändern?
Eine Art Fond für Newcomer wäre toll. Ein Programm, an das sich auch Clubs wenden können, damit sie Bands einladen können, die sie inhaltlich toll finden, die aber vielleicht noch nicht dafür sorgen, dass der Club voll ist.
Auf YouTube hast du zuletzt ein Format namens „Auf einen Song“ ins Leben gerufen, für das du gemeinsam mit Kollegen wie Lina Maly und Pohlmann musizierst. Wen würdest du in Zukunft gerne mal einladen?
Wir haben grad die nächste Runde gedreht. Zu Gast waren Antje Schomaker und FINN. Die Songs, die wir da zusammen gespielt haben, veröffentlichen wir nach und nach ab Oktober. Für die Zukunft würde ich super gerne mal was mit Gregor Meyle machen, weil ich den früher echt viel gehört habe und nach wie vor sehr schätze. Und richtig groß gedacht würde ich gerne Jarle Bernhoft einladen, das ist ein norwegischer Soulsänger. Oder Gregory Porter, der dürfte auch kommen (lacht).
Bei welchem Konzert würdest du im November oder Dezember gerne auf der Gästeliste stehen?
Eigentlich hätte ich mir einen Gästelistenplatz für das Jamie Cullum Konzert gewünscht, aber das wurde bereits wieder verschoben auf Juni 2021 im Stadtpark. Ansonsten ist Gregor Meyle am 17.12.20 in Lüneburg. Am liebsten würde ich hier aber nicht auf der Gästeliste stehen, sondern Support spielen!
ZUM KÜNSTLER
Phil Siemers fing mit 13 Jahren an Gitarre zu spielen und hatte schon während der Schulzeit verschiedene Bandprojekte. Seit etwa vier Jahren macht er unter seinem eigenen Namen Musik. Er spielte bereits auf dem Elbjazz und als Support für Zaz oder Keb Mo. Sein Debütalbum „Wer wenn nicht jetzt“ ist gerade erschienen. Für Aufmerksamkeit sorgte der gebürtige Hamburger auch als Sänger der Soulounge, die schon Künstlern wie Johannes Oerding oder Roger Cicero als Sprungbrett zur Solokarriere diente.
www.philsiemers.de
ZUR MUSIK
Zeitgenössischen Pop verbindet Phil Siemers auf seinem Debütalbum „Wer wenn nicht jetzt“ mit Einflüssen aus Jazz, Soul und Folk. Sanfte Balladen treffen auf groovende Jazz-Shuffle, Gitarren-Pickings auf Hummings, die an Bill Withers erinnern. Die 14 Songs entstanden gemeinsam mit Sven Bünger, der schon Johannes Oerding, Madsen und Cultured Pearls zum richtigen Sound verhalf. Auf die Bühne bringt Siemers das Ganze mit seiner vierköpfigen Liveband, inklusive Klavier, Hammond Orgel und Kontrabass.
PHIL SIEMERS live
Datum: 7. Dezember Ort: Mojo Club
Einlass: 19 Uhr Beginn: 20 Uhr
Tickets: 28,20 Euro