(Credit: Andreas Hornoff)

Im Club mit … Kettcar


Jeden Monat sprechen wir mit einer Hamburger Band oder einem/einer KünstlerIn über die hiesige Clublandschaft. Diesen Monat: Kettcar-Gitarrist Erik Langer. Alle Interviews erscheinen auch im Clubplan Heft und in der Clubplan App. Alle vergangenen Ausgaben stehen in unserem Archiv.

(Credit: Andreas Hornoff)
(Credit: Andreas Hornoff)

Euer Label Grand Hotel van Cleef wird dieses Jahr 15 und feiert das mit dem „Fest van Cleef“, bei dem auch Kettcar auftreten. Welche Erinnerungen hast du an das letzte Fest von Cleef auf der Trabrennbahn vor fünf Jahren?

Erik Langer: Ich war am nächsten Tag sehr froh, dass ich heile nach Hause gekommen bin – weil ich mit dem Fahrrad unterwegs und doch ganz schön betrunken war (lacht). Im Ernst: Das war ein wirklich schöner Abend. Was schon immer auf das Grand Hotel projiziert wurde, nämlich dass das eine große Familie ist, wurde an dem Tag wirklich eingelöst. Ich habe unheimlich viele Kinder gesehen und die Atmosphäre war einfach toll. Auf die Show im August freue ich mich auch deshalb, weil wir mit Kettcar unglaublich lange nicht gespielt haben.

Das Grand Hotel wurde damals gegründet, weil ihr für euer Debütalbum kein Label gefunden habt. Seid ihr im positiven Sinne überrascht, dass es sowohl Kettcar als auch das GHVC 15 Jahre später noch gibt?

Langer: Als wir Kettcar gegründet haben, war uns allen klar, dass das etwas längerfristiges sein soll und wir alles da rein stecken. Dass das Grand Hotel so lange durchgehalten hat, ist schon eher eine Überraschung. Auch wenn Kettcar oder Tomte das Überleben des Labels sichern konnten, war es sicherlich nicht immer einfach. Und ich finde es echt schön, dass das Grand Hotel für manche Leute sogar eine gewisse Institution geworden ist.

Wie wichtig war GHVC für die Hamburger Club- und Konzertlandschaft in den letzten 15 Jahren?

Langer: Ich würde eher sagen, dass die Hamburg Clublandschaft wichtig für das Grand Hotel und dessen Künstler war! Es gab immer Möglichkeiten aufzutreten, auch wenn manchmal keiner wusste, ob am Ende vielleicht ein Minus dabei heraus kommt. Die vorhandenen Strukturen haben mit dafür gesorgt, dass das alles überhaupt entstehen konnte.

Ihr habt in Hamburg seitdem zahlreiche Konzerte gespielt. Welche wirst du nie vergessen?

Langer: Wir hatten mehrmals die Gelegenheit auf Schiffen zu spielen – das war immer toll, die Verstärker die Landungsbrücken runter zu rollen. Unser Sonnenaufgangskonzert auf Kampnagel hat auch Spaß gemacht. Überhaupt finde ich es toll, dass man solche besonderen Sachen in Hamburg auf die Beine stellen kann. Einmal haben wir auf dem Vordach des Schauspielhauses gespielt. Wir standen kollektiv mit Gänsehaut vor diesen riesigen Fenstern. FSK hatte das Konzert mit einer Schnitzeljagd angekündigt, und auf einmal kamen da 2.000 Leute angerannt. Das werde ich nie vergessen.

Mit welchem Laden verbindest du persönlich die meisten Erinnerungen?

Langer: Mit dem Molotow. Ich habe meine Jugend in Goslar am Harz verbracht und schon damals sind wir ab und zu ins Molotow gegangen. Verrückt eigentlich: Zweieinhalb Stunden Fahrt, nur um die Disco zu gehen! Aber Hamburg war für uns wahnsinnig fremd und aufregend. Ich kann mich auch noch gut an eins meiner ersten Konzerte in Hamburg erinnern: Pavement mit Stereolab im Vorprogramm, in der Markthalle. Am Ende kam Jochen Distelmeyer auf die Bühne und hat zusammen mit Pavement „Verstärker“ gesunden. Blumfeld und Die Sterne waren auch ein Grund, warum ich später nach Hamburg gezogen bin.

Wo trifft man dich heute an?

Langer: Im Störtebeker bin ich wahnsinnig gerne. Da fühle ich mich einfach wohl und es ist immer entspannt. Und ich habe mir vorgenommen, wieder häufiger ins Molotow zu gehen. Insbesondere die Sky Bar finde ich toll. Generell mag ich gerne kleine Konzertorte.

Was macht denn einen guten Club aus?

Langer: Ich finde man kriegt ziemlich schnell mit, ob die Betreiber nur eine schnelle Mark machen wollen oder wirklich mit Herzblut dabei sind. Und davon hängt dann im Grunde auch alles andere ab: Was für ein Klientel angezogen wird, wie die Stimmung ist. Und natürlich ist auch der Sound nicht ganz unwichtig.

Wie würdest du die Clublandschaft in Hamburg insgesamt beschreiben?

Langer: Das Angebot in Hamburg ist so breit, dass eigentlich für jeden etwas dabei ist. Aber wenn man ein paar Jahre hier wohnt, bekommt man schon das Gefühl, dass ein Damoklesschwert über der Clublandschaft hängt. Früher dachte ich, dass es so etwas wie das verlassene C&A Gebäude, in das dann die Weltbühne kam, immer geben wird – aber das stimmt nicht. Übergangsnutzung wird immer weniger, es wird sofort abgerissen und neu gebaut. Ich stelle mal eine These auf…

Nur zu!

Langer: Die meisten existierenden Clubs in Hamburg hätten keine Chance, wenn sie jetzt anfangen wollen würden. Das heißt es besteht die Gefahr, dass sich das Ganze im Kreis dreht. Der Ist-Zustand ist nicht schlecht, aber wenn Clubs wie die Hasenschaukel weg brechen, wird es immer schwieriger, diese Lücken zu füllen. Gerade die Hasenschaukel hat sich ja international einen Namen gemacht und war total wichtig für die Songwriter-Szene. Dass es sie nicht mehr gibt, ist schon schmerzhaft und macht mir Sorgen.

Mal angenommen du wärst Kultursenator, was würdest du ändern?

Langer: Das ist eine Frage, die mich überfordert (lacht). Ich denke schon, dass die Stadt sich des Problems und der Wichtigkeit der Kulturszene bewusst ist, aber wenn man sieht, wie Gelder hier verteilt werden… Andererseits wollen viele Clubbetreiber ja auch gar nicht mit Geld überschwemmt werden, weil sie unabhängig bleiben möchten. Weitergedacht: Man müsste also eher dafür sorgen, dass Platz für alle bleibt. Wenn ich Kultursenator wäre, würde ich mich einmal die Woche mit Leuten aus der Szene an einen Tisch setzen und gemeinsam überlegen, was wir tun können. Wie wir diesen Marktmechanismen Räume entreißen können, so dass eine Diversität geschaffen wird und erhalten bleibt.

So lange du noch nicht im Amt bist – bei welchem Konzert würdest du im August gerne auf der Gästeliste stehen?

Langer: Am 16. August bei Boris im Hafenklang, weil die so laut sind und ich das ab und zu brauche, um den Kopf frei zu bekommen. Und bei Seun Kuti & Egypt 80 am 17. August auf Kampnagel, weil ich die Verbindung von Politik und Musik cool finde. Leider werde ich an den Tagen nicht in Hamburg sein – Mist!

Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubgänger?

Langer: Nutzt die Möglichkeiten, die diese Stadt bietet! Und blickt auch mal über den Tellerrand. Nicht immer bloß in den Lieblingsclub gehen. Für mich gibt es in Hamburg immer noch viel zu entdecken. Ich muss mich manchmal selbst von der Couch aufraffen, aber es lohnt sich immer.


ZUR BAND

1991 taten sich Marcus Wiebusch und Frank Tirado-Rosales (vorher bei …But Alive), Reimer Bustorff (vorher Rantanplan) sowie Erik Langer und Lars Wiebusch unter dem Namen Kettcar zusammen. Weil sie für ihr Debütalbum „Du und wieviel von deinen Freunden“ keine Plattenfirma fanden, gründeten Wiebusch und Bustorff gemeinsam mit Thees Uhlmann einfach selbst eine: Grand Hotel van Cleef wurde in Indie-Kreisen schnell eine Institution, genauso wie Kettcar. Ihre letzten drei Alben erreichten jeweils Platz Fünf der deutschen Charts. Im April 2013 gab die Band bekannt, eine kreative Pause einzulegen. Marcus Wiebusch veröffentlichte seitdem ein Soloalbum.


ZUR MUSIK

Die einen nennen es Hamburger Schule, die anderen Gitarrenpop – musikalisch bewegen Kettcar sich im Bereich des deutschsprachigen Indie-Rock und Indie-Pop. Zuletzt, insbesondere auf ihrem 2012 veröffentlichten Album „Zwischen den Runden“, hat die Band ihren Stil um Klavier, Streich- und Blasinstrumente erweiterte und damit progressiver und jazziger gemacht. Aktuell arbeiten Kettcar im Studio an ihrem fünften Album, das noch im Herbst erscheinen soll.


KETTCAR live

„Fest van Cleef 2017 – 15 Jahre Grand Hotel van Cleef“ mit Kettcar, Thees Uhlmann, Gisbert zu Knyphausen u.a.

Datum: 18. August 2017 Ort: Open Air am Großmarkt

Uhrzeit: 18.00 Uhr

Tickets: ab 43,62 Euro

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