Im Club mit: Enno Bunger


Enno, dein neues Album „Was berührt, das bleibt“ entstand nach zwei Schicksalsschlägen und behandelt den Tod. Warum hattest du das Bedürfnis, das zu thematisieren?

Das Bedürfnis war eher mich selber zu therapieren und Worte für etwas zu finden, für das ich keine Worte hatte. Weil es mir die Sprache verschlagen hat, dass zwei Menschen, die mir so nahestehen, in so kurzer Zeit an Krebs erkrankt sind. Und dann noch in dem Alter, beide unter 30. Wie die beiden damit umgegangen sind, wie stark sie waren und wie sehr das alles mich und meinen besten Freund zusammengeschweißt hat… ich musste das alles rauslassen.

Inwiefern kann Musik in schweren Zeiten eine Stütze sein?

Für mich war sie das schon immer. Als Hörer, aber vor allem als Musiker. Ich habe schon mit sechs Jahren Klavier gespielt. Wenn mich etwas bedrückt hat, habe ich mich ans Klavier gesetzt und danach ging es mir besser. Das war immer mein Kummerkasten und ich kann nur allen Leuten, die Kinder haben, empfehlen, ihnen Zugang zu Kunst oder Sport oder irgendetwas zu ermöglichen, wodurch sie ein Ventil haben.

Wie kriegst du den Kopf am besten frei – Zuhause beim Musikhören, im Club, auf Konzerten?

Bei allem. Die Platte, die mir zuletzt sehr geholfen hat, ist „Sleep“ von Max Richter. Das ist ein Konzeptalbum, das in der langen Version acht Stunden geht. Eine Platte zum Schlafen. Die Musik ist total meditativ. Immer, wenn ich nicht schlafen kann, mache ich sie an und dann kann ich pennen. Auf Konzerten und in Clubs kriege ich den Kopf auch frei, ich war in letzter Zeit aber einfach zu beschäftigt mit meinem Album. Ich freue mich schon auf die Zeit, wenn ich wieder mehr in Clubs gehen kann.

Kannst du dich noch an deinen ersten Club- oder Konzertbesuch in Hamburg erinnern?

Das war 2007 als ich bei einem Bandwettbewerb im Molotow gespielt habe. Ich habe damals noch in Ostfriesland gelebt aber kannte den Club, weil er so oft auf Tourplänen von irgendwelchen Bands stand. Wir hätten auch in Oldenburg an dem Bandwettbewerb teilnehmen können, aber wir haben uns extra für Hamburg angemeldet. Uns ging es gar nicht ums Gewinnen, sondern wir wollten einfach sagen können, dass wir im Molotow gespielt haben.

Wo hattest du danach deine ersten Auftritte in Hamburg?

Im Silber, in der Pooca Bar, in der Astra Stube – das waren kleine, selbstgebuchte Konzerte. Damals habe ich 100 Emails an Veranstalter geschrieben und dann zehn Antworten und eine Konzertzusage bekommen. Ich hatte ja nichts vorzuweisen, ich war einfach ein ostfriesischer Junge, der Musik gemacht hat. Außerdem habe ich wahnsinnig viele Wohnzimmerkonzerte gespielt, bei Leuten Zuhause. Und ich bin oft als Support aufgetreten, zum Beispiel für Klee im Uebel & Gefährlich.

Was haben diese Orte für deinen Werdegang bedeutet?

Für mich war das eine unglaubliche Motivation, in diesen kleinen Clubs zu spielen und nicht zu wissen, ob jemand kommt. Meistens waren aber tatsächlich Leute da und dann machte es einfach wahnsinnig viel Spaß. Man bekommt bei solchen Konzerten unglaublich viel zurück – Aufmerksamkeit, Wertschätzung oder auch ehrliche Kritik. Das ist sehr wertvoll, denn ich will mich ja verbessern.

Wenn du nicht selbst auf der Bühne stehst, wo trifft man dich in Hamburg?

Ich habe keinen Lieblingsladen. Ob in der Fabrik oder im Uebel & Gefährlich, im Molotow, Knust, Hafenklang oder Nochtspeicher, ich bin überall gerne. Es gibt so viele tolle Läden in Hamburg, das ist schon geil und ich hoffe, dass die Stadt das erkennt, fördert und Möglichkeiten bietet – und dass die Gentrifizierung nicht dafür sorgt, dass Clubs immer weiter nach Draußen gedrängt und Mieten zu teuer werden.

Was macht einen guten Club aus?

Eine gute Anlage ist wirklich wichtig – das ist das einzige, was mich in Clubs manchmal nervt, wenn die Boxen dröhnen. Und gutes Booking. Ich bin sehr traurig, dass es die Hasenschaukel nicht mehr gibt. Da war ich immer sehr gerne und habe viele geile Singer/Songwriter kennengelernt. Das war ein Laden, wo man für leise Konzerte hinging und sowas fehlt Hamburg jetzt.

Wenn du Hamburgs Kultursenator wärst, was würdest du ändern?

Ich würde auf jeden Fall dafür sorgen, dass die Clubs, die es gibt, bestehen bleiben. Eine Art Schutz für die Clublandschaft. Leute, die hierherziehen, sollten wissen, dass Hamburg eine bunte Stadt ist, die Bock auf Kultur hat. Das betrifft übrigens auch Straßenmusik. In Berlin gibt es einige prominente Plätze, wo das kein Problem ist, entsprechend ist die Szene da viel größer. Die Hamburger Straßenmusiker haben da mehr zu kämpfen.

Warum ist Straßenmusik so wichtig?

Du brauchst als Künstler eine Möglichkeit, aufzutreten, du brauchst eine Bühne. Und ich finde, es ist eine Bereicherung für eine Stadt, wenn sie voller Künstler ist. Egal, ob sie Musik oder bildende Kunst machen. Das macht eine Stadt bunter und bringt Menschen zusammen, es bringt einen Austausch und eine Vielfalt in eine Stadt. Das ist etwas, das mit Geld nicht zu bezahlen ist, sondern das man einfach in dem Sinne fördern muss, dass es passieren kann.

Mal angenommen, du dürftest ein eigenes Festival veranstalten – wo würde es stattfinden und mit wem?

Ich würde die ganzen HVV-Fähren mieten und da jeweils einen Künstler drauf stellen, so dass die Leute mit einem einfachen Tagesticket Konzerte angucken können. Buchen wurde ich auf jeden Fall viele Hamburger Songwriter und junge Künstler aus ganz Deutschland, die gerade geil sind, zum Beispiel Sarah & Julian. Dazu aber auch internationale Künstler, denn ich selbst höre am meisten englischsprachige Musik – Bon Iver, José González, Sufjan Stevens. Keine Ahnung, ob das zu finanzieren ist. Ich bräuchte auf jeden Fall einen guten Sponsor (lacht).

Bei welchem Konzert würdest du im Oktober gerne auf der Gästeliste stehen?

Bei Hanne Hukkelberg am 13. Oktober im Uebel & Gefährlich, die habe ich nämlich noch nie live gesehen. Dann bei Niels Frevert am 19. Oktober im Mojo Club – ich bin einfach Fan. Und bei Archive am 21. Oktober in der Großen Freiheit. Eine der wichtigsten Bands für mich überhaupt. Wie sie ihre Songs langsam aufbauen und strukturieren, hat mich wahnsinnig inspiriert. Wenn ich Gänsehaut erzeugen kann, dann habe ich das von Archive gelernt.


ZUM KÜNSTLER

Enno Bunger wurde 1986 in Leer in Ostfriesland geboren. Schon als kleines Kind spielte er Klavier, später verdiente er sein Geld als Barpianist und Organist. 2008 wurde die Plattenfirma PIAS auf ihn aufmerksam, über die 2010 sein Debütalbum „Ein bisschen mehr Herz“ erschien. Wenig später zog Enno Bunger nach Hamburg. Inzwischen hat er vier Alben veröffentlicht. In seiner Musik vereint er Indie mit Pop und Folk sowie Einflüssen aus Electronica und Rap.


ZUR MUSIK

Enno Bungers viertes Album „Was berührt, das bleibt“ ist wie schon sein zweites Werk ein Konzeptalbum, das nach der Krebserkrankung seiner Freundin und dem Tod der Frau seines Drummers entstand. Die Songs erzählen vom Tod und davon, wie er das Leben verändert. Verpackt in meist sanftem Indie-Rock singt der norddeutsche Singer/Songwriter von Trauer und Tränen, aber auch von Dankbarkeit und Freundschaft.


ENNO BUNGER live

Datum: 18. Oktober 2019 Ort: Große Freiheit 36

Einlass: 18 Uhr Beginn: 19 Uhr

Tickets: ab 25,30 Euro

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