Im Club mit: Deine Cousine


In deinem Song „Kiez oder Kinder“ fragst du dich, ob Kiez und Kinder sich vereinen lassen. Hast du eine Antwort gefunden?

Deine Cousine: Das muss jeder selbst entscheiden. Manche glauben sie müssen aufs Land ziehen, andere finden es ist das Beste für ein Kind, mitten in St. Pauli groß zu werden. Da ich erst mal keine Kinder habe, muss ich das zum Glück noch nicht entscheiden (lacht). Aber dass man mal einen Schwangerschaftstest macht und denkt was zur Hölle passiert eigentlich, wenn der positiv ist, freue ich mich dann oder verzweifele ich, kennen bestimmt viele Frauen in meinem Alter. Was, wenn man sich dagegen entscheidet und es dann später nicht mehr klappt? Das ist eine Angst, die Männer nicht verstehen können und die ich mit dem Song verarbeiten wollte.

Das Video ist zum Teil auf der Reeperbahn gedreht. Wann hast du das letzte Mal eine Nacht auf dem Kiez durchgemacht und wo?

Beim Reeperbahn Festival! Generell wird es immer weniger, weil ich am Wochenende häufig weg bin. Aber wenn ich feiern gehe, dann oft im Molotow. Ich gehe aber auch gerne ins Knust, weil ich da lange an der Bar gearbeitet habe, als ich nach Hamburg gezogen bin. Unter der Woche kann man auch mal auf den Hamburger Berg gehen, aber am Wochenende verkneife ich mir das.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft beschreiben?

Ich finde die super. Es ist eigentlich für jeden was dabei. Manchmal kann Hamburg einem ja etwas klein vorkommen – aber wenn ich von einer Tour nach Hause komme und neben unserer Autovermietung sehe, wie sonntags um 14 Uhr Leute aus dem Südpol stolpern, dann freue ich mich immer und denke, dass Hamburg doch eine Großstadt ist und Berlin nicht in allem nachsteht.

Was macht einen guten Club aus?

Gute Musik ist wichtig, aber auch eine gewisse Diversität. Dass es nicht immer komplett das gleiche ist, sondern Leute etwas entdecken können. Dass auch Aufbauarbeit stattfindet – das gilt für Konzerte genauso wie für Partys. Ein Club, der sich nur mit 1-Euro-Partys für Touristen beschäftigt, trägt nicht viel zum Geschehen der Stadt bei. Ich finde es wichtig, dass es wild und bunt bleibt.

Wenn du Hamburgs Kultursenatorin wärst, was würdest du ändern?

Ich würde versuchen, das Thema Gentrifizierung anders anzugehen. Dass zwischen den großen Touristenattraktionen und den kleinen Clubs ein Austausch herrscht und vielleicht auch ein finanzieller Ausgleich. Wenn Clubs ständig Angst haben, dass sie dicht machen müssen, führt das dazu, dass sie sich mit anderen Themen beschäftigen müssen als mit dem, was sie eigentlich machen möchten, nämlich ein gutes Programm. Was hingegen die Förderungen von Bands angeht, ist Hamburg eigentlich ganz gut aufgestellt.

Du hast 2014 den Panikpreis als Newcomer gewonnen. Was hat es damit auf sich?

Das ist ein Förderpreis, den Udo Lindenberg alle zwei Jahre ausruft. Eine Freundin hatte mir geschrieben, dass ich da mal mitmachen soll. Udo hat meinen Song dann tatsächlich total abgefeiert. Der Gewinn war ein Tag Panikkurs bei Udo. Irgendwann hat er mich angerufen und zu den Proben eingeladen. Aus einem Tag wurde dann eine Woche.

Mittlerweile bist du sogar in seiner Live-Band.

Das war eher Zufall: Eine seiner Backing-Sängerinnen wurde schwanger. Und weil wir uns so gut angefreundet hatten, war es naheliegend, dass ich das mache. Udo ist wirklich ein sehr großer Mentor für mich. Er ist einfach ein krasses Vorbild für das, was ich erreichen möchte. Es geht ja beim Musikmachen um so viel mehr als einfach die Musik. Udo hat die Dinge einfach oft anders gemacht.

Was war der wertvollste Rat, den er dir gegeben hat?

Es gibt so viel, was ich von ihm gelernt habe. Es ist eine krasse Inspiration, ihn den ganzen Tag beobachten zu können. Wie er mit Fans umgeht, mit seinem Team, mit seinen eigenen Kräften. Das kann man nicht auf eine Sache beschränken. Er ist einfach jemand, der ganz viel geschafft hat.

Du bist 2011 nach Hamburg gekommen. Wo hattest du damals deine ersten Auftritte?

Ich habe überall gespielt – bei Open Mic Nights im Haus 73, in der Soulkitchen, noch mit meinem alten Projekt, auf dem Weihnachtsmarkt in Eimsbüttel. Es gibt ja Leute, die das verteufeln, diese kleinen Gigs für 100 Euro. Aber ich habe mich damals wahnsinnig gefreut, wenn ich für meine Musik 100 Euro bekam.

Was haben diese Orte für deinen Werdegang bedeutet?

Ich habe super viel gelernt. Wenn du von heute auf morgen auf eine große Bühne geschmissen wirst, ist das ein ganz schön schwieriger Schritt. Damit bist du im Zweifelsfall nur überfordert. Ich habe einfach sehr viel Erfahrung vor fünf bis 50 Leuten sammeln dürfen und das kann man später echt gut gebrauchen. Man kriegt total Routine.

Obwohl du schon früh Musik gemacht hast, hast du zunächst eine Ausbildung zur Industriemechanikerin absolviert. Wie bist du am Ende doch zur Musik gekommen?

Ich komme aus einem 3.000-Seelen-Dorf – ich konnte mir lange nicht vorstellen, dass Musik ein Job sein kann. Es gab halt einfach keine Vorbilder bei mir in der Gegend. Irgendwann habe dann gemerkt, wie die Musik neben meinem Job immer weniger wurde. Eines Tages habe ich einfach vier Wochen frei genommen, habe mir eine Wohnung auf dem Kiez gesucht und Musik gemacht. In der Zeit habe ich so viele Leute kennengelernt, die ernstzunehmende Musiker waren. Also habe ich beschlossen, es zu wagen.

Mal angenommen, du dürftest in Hamburg ein eigenes Festival veranstalten – wo würde es stattfinden und mit wem?

Lustig, genau das planen wir! Also wir denken darüber nach, wie so ein Festival aussehen könnte. Als Location würde ich das Molotow gut finden, weil es so viele verschiedene Bühnen hat. Einladen würde ich ganz viele kleine Bands, die noch keiner kennt, und Freunde von mir wie Rogers oder 8kids.

Bei welchem Konzert würdest du im Dezember gerne auf der Gästeliste stehen?

Bei Swiss & die anderen am 7. Dezember in der Sporthalle – aber da stehe ich sowieso auf der Gästeliste! Auf Hot Chip am 11. Dezember im Docks hätte ich auch Lust, und dann noch The Hirsch Effekt und The Intersphere am 12. Dezember im Knust. Bei The Hirsch Effekt spielt ein Kumpel von mir und The Intersphere ist eine sehr geile Rockband.

Auf Facebook hast du kürzlich ein Foto von deinem eigenen Bier gepostet. Wird es das bei deinem Konzert im Knust im Dezember auch geben?

Leider nicht! Das organisiert Landstreicher Booking immer, wenn man im NAUMANNs in Leipzig spielt. Da stehen dann 20 Flaschen im Backstage. Die Fans waren da auch ganz wild drauf. Wir haben dann ein paar von den leeren rausgestellt, aber die meisten haben wir eingesackt und mitgenommen (lacht).

 


ZUR KÜNSTLERIN

Deine Cousine ist Ina Bredehorn. In Jaderberg bei Jever aufgewachsen, stand sie schon als Kind auf Schultheater- und Chorbühnen, mit 14 gründete sie ihre erste Band. Nach der Schule machte sie eine Ausbildung zur Industriemechanikerin, doch die Musik ging ihr nicht aus dem Kopf – also kündigte sie 2011, um nach Hamburg zu ziehen. Sie brachte sich Gitarre- und Klavierspielen bei und fing an, unter dem Namen Deine Cousine Songs zu schreiben. Drei Jahre später gewann sie den von Udo Lindenberg begründeten Panikpreis. Mittlerweile ist sie bester Bestandteil seiner Liveband. Im April ist das erste Album von Deine Cousine erschienen.

www.deinecousine.de


ZUR MUSIK

Das Debütalbum von Deine Cousine heißt „Attacke“ und macht seinem Namen alle Ehre: Ina Bredehorn macht aufrichtige Rockmusik irgendwo zwischen Jennifer Rostock, Wirtz und Broilers. Ihre Songs erzählen vom Zweifeln, sich Aufraffen und Nicht-unterkriegen-lassen. „Ich versuche, dem etwas angestaubten Image der Rockmusik etwas Frisches zu verleihen, sie wieder salonfähig zu machen“, sagt sie.


DEINE COUSINE live

Datum: 6. Dezember 2019 Ort: Knust

Einlass: 20 Uhr Beginn: 21 Uhr

Tickets: ausverkauft

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