Im Club mit … Deichkind


Porky, wann hast du das letzte Mal so richtig die Nacht durchgefeiert?

Porky: Vorgestern, nach dem Madsen Konzert. Ich kenne die Jungs ganz gut, also bin ich zu ihrem Auftritt in der Großen Freiheit gegangen – und das ist dann ausgeartet bis halb 8 morgens. Nur weil ich inzwischen Kinder habe, feiere ich nicht weniger. Ich habe ja keinen geregelten Job. Wir sind hin und wieder auf Tour und im Studio, aber sonst habe ich immer frei und hänge Zuhause rum. Ab und zu schickt meine Frau mich weg, weil sie es nicht mehr aushält, und dann passiert so etwas wie vorgestern (lacht).

Wie muss ein Club sein, damit es dir dort gefällt?

Porky: Die Musik muss natürlich gut sein, das ist das wichtigste. Davon abgesehen finde ich es gut, wenn jeder kommen kann. Auf diese „du kommst hier nicht rein“ Berghain-Mentalität stehe ich überhaupt nicht.

Wo gehst du gerne hin, wenn du in Hamburg ausgehst?

Porky: Ich gehe gerne ins Golem, weil es da gute Drinks gibt. Oder in den Pudel. Da muss man niemand sein. Man kann da im Anzug hingehen, aber auch als verschimmelter Penner ohne Zähne. Im Pudel sind alle willkommen, das ist irgendwie so ein neutraler Punkt in Hamburg, ohne Dresscode. Und da ist auch montags was los. Ich bin ja eher der Typ, der montags oder dienstags ausgeht. Am Wochenende ist es mir zu voll, da trinke ich mein Bier lieber Zuhause.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Porky: Manchmal habe ich das Gefühl, da findet gerade ein Generationswechsel statt. Wenn ich früher in die Schanze gegangen bin, kannte ich jeden. Man hing einfach auf der Straße ab, mit 30 Leuten. Heute kenne ich kein Schwein mehr… Es kommt mir vor, als würde man in Berlin öfter Leute in meinem Alter treffen – so Mitte bis Ende 30. Aber generell ist die Clublandschaft in Hamburg natürlich sehr abwechslungsreich, auch was Konzertclubs betrifft. Das einzige was fehlt, ist eine mittelgroße Halle. Dafür haben wir Läden wie die Große Freiheit und das Docks – das sind halt echt Institutionen. Wenn Clubs über Jahrzehnte eingerockt sind, haben die auch einfach einen guten Sound.

Mal angenommen du wärst Hamburgs Kultursenator, was würdest du ändern?

Porky: Ich würde etwas für den Nachwuchs tun. Auf der einen Seite schmückt Hamburg sich gerne mit Künstlern wie Jan Delay oder Deichkind, und in der Mopo steht dann groß, warum wir Musikweltstadt sind. Aber auf der anderen Seite werden Clubs und Übungsräume abgerissen. Ich bin selbst drei Mal auf Demos gegen den Abriss der Esso-Häuser gegangen. Man will sich engagieren, aber es ist so hoffnungslos, weil die Geldmaschine am Ende doch alles platt macht… Aber deswegen: Ich denke in der City bezahlbaren Raum für Nachwuchs schaffen, das wäre auf jeden Fall schon mal was. Damit auch neue Bands nachwachsen.

Du selbst bist seit 2005 bei Deichkind. Kannst du dich noch ein dein erstes Konzert mit der Band erinnern?

Porky: Das war in der damaligen Tanzhalle. Da waren vielleicht 70 oder 80 Leute. Zu der Zeit waren wir echt extrem drauf. Wir haben regelmäßig alles kaputt geschlagen und ich weiß noch, wie ich mir als Kostüm mal einen Kühlschrank auf den Rücken geschnallt habe. Uns war damals egal, was mit Deichkind passiert. HipHop war vorbei, wir dachten die Band ist tot und wollten das Ding endgültig gegen die Wand fahren. Deswegen auch der Stilwechsel zum Techno. Dieser Anarchiegedanke hatte dann so eine Wucht, dass das durch die Decke gegangen ist. Und nach und nach wurde es immer größer. Das hätte damals keiner von uns gedacht.

Von welchem Deichkind-Konzert wirst du noch deinen Enkeln erzählen?

Porky: Als wir bei der „Arbeit nervt“-Tour in der Sporthalle gespielt haben. Wir waren damals so unsicher, wie das mit Ferris alles funktioniert und hatten auch noch nie in so einem großen Laden gespielt. Aber die Leute haben schon gepogt, bevor das Konzert überhaupt losging. Das ist völlig hoch gekocht und eskaliert. Für uns war das wie ein Befreiungsschlag.

Was macht ein gutes Konzert aus?

Porky: Wenn da ein verrockter Typ steht, ein Zweifler, der plötzlich durchbricht. Wir selbst sind eigentlich auch voll die introvertierten Typen und haben oft Angst aufzutreten. Vor der Show sind wir manchmal sogar richtig manisch. Aber auf der Bühne wird auf einmal ein Schalter umgelegt. Bei Queens Of The Stone Age oder D’Angelo zum Beispiel ist das so. Auf einmal kommt da eine Urgewalt und man fragt sich, wo diese Wucht herkommt. Diese Wucht will man spüren, wenn man auf ein Konzert geht. Egal welche Musik das ist.

Hast du noch ein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Porky: Mein Tipp, wenn ihr viel getrunken habt: Basica! Das hilft gegen Übersäuerung. Vor dem Schlafengehen einen halben Liter Wasser – nicht mehr, sonst kann man nicht ausschlafen, weil man pinkeln muss – und dazu Basica. Dann hat man nicht so einen Schädel am nächsten Tag. Gibt es in der Apotheke.


ZUR PERSON

Seine Ausbildung zum Elektriker brach Sebastian Dürre alias „Porky“ ab, um Profimusiker zu werden. In den folgenden Jahren tourte mit Künstlern wie Jansen & Kowalski, Ronan Keating und Ben. 2005 stieg er bei Deichkind ein. Ihren Durchbruch hatte die Band um die Jahrtausendwende mit dem Song „Bon Voyage“ gehabt. Mit ihrem dritten Album „Aufstand im Schlaraffenland“ und der Erfolgssingle „Remmidemmi (Yippie Yippie Yeah)“ entwickelten sie ihren Sound 2006 vom HipHop hin zum Elektro-Punk. Heute gehören Deichkind zu den erfolgreichsten Bands Deutschlands, ihr aktuelles Album „Niveau weshalb warum“ erreichte Anfang des Jahres die Spitze der deutschen Charts.

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