Im Club mit: Antje Schomaker


Jeden Monat sprechen wir mit einer Hamburger Band oder einem/einer KünstlerIn über die hiesige Clublandschaft. Diesen Monat: Songwriterin Antje Schomaker.

© Sony Music

Du hast schon als Kind Klavier und Fagott gespielt. War dir immer klar, dass du Musikerin werden möchtest?

Meine Geschwister und ich waren auf einer Waldorfschule, da lernt man Blockflöte und spielt ein Instrument. Und weil man immer will, was die älteren Geschwister machen, habe ich schon mit fünf oder sechs angefangen, Klavier zu spielen. Ab da konnte ich mit der Musik nicht mehr aufhören. Fagott und Gitarre kamen dann später dazu. Ich habe nicht irgendwann entschieden, dass ich Musikerin werden will, sondern es ist einfach immer so gewesen.

Vor deinem Studium der Musikwissenschaften hast du ein Jahr in Dublin gelebt – eine Stadt, die wie kaum eine andere von Live-Musik lebt. Was hast du von dort mitgenommen?

Ich habe dort tatsächlich in Pubs gespielt und auch das erste Mal Straßenmusik gemacht. Das ist eine harte Schule, da nimmt man viel mit. Das wichtigste ist Offenheit. Einfach machen! Als ich dort ankam, war ich sehr schüchtern, aber die Straße und die Pubs sind deine Möglichkeit. Hinterher ärgerst du dich höchstens, wenn du es nicht gemacht hast. Dort zu stehen und alle singen mit… das ist eine tolle Erfahrung. Deswegen sage ich jungen Musikern immer: Nehmt jede Bühne, die ihr kriegen könnt.

Wo hattest du in Hamburg deine ersten Auftritte?

Ich bin wirklich in jedem kleinen Club aufgetreten – als Support in der Prinzenbar und im Knust, im Hörsaal, bei den Open Mic Nights im Pooca, im Kleinen Donner oder für die Clubkinder. Das erste Mal einen eigenen Song gespielt habe ich beim Song Slam im Molotow und das erste Konzert, zu dem die Leute wirklich wegen mir gekommen sind, war auch im Molotow. Das war total verrückt, weil ich vorher halt nur Soloshows gespielt hatte. Irgendwann hat mich dann mein heutiger Booker gesehen und meinte „ich buche dir eine Show im Molotow, mit Band“. Ich dachte erstens ist das viel zu groß und zweitens habe ich gar keine Band. Aber das Konzert war tatsächlich ausverkauft und eine Band hatte ich bis dahin auch.

Was haben diese Orte für deinen Werdegang bedeutet?

Es war cool, diese Bühnen ohne Plattenvertrag und Booking-Agentur zu bekommen. Ich finde es wirklich toll, dass es in Hamburg viele Läden gibt, die jungen Künstlern eine Möglichkeit geben. Der Kampf der Künste hat mich super gefördert und schnell auch bei größeren Slams auftreten lassen. Ich habe dadurch sehr viele Leute kennengelernt und musste mich irgendwie nie um Auftritte kümmern. Klar habe ich viel Zeit investiert, aber es entwickelte sich organisch, durch Mundpropaganda.

Wo trifft man dich, wenn du nicht selbst auf der Bühne stehst?

Ich liebe tatsächlich das Molotow, weil nicht nur der Ort ein Zuhause schafft, sondern auch die Menschen, die dort sind. Da ist immer jemand, den ich kenne und irgendwie schafft das so eine Heimeligkeit. Außerdem haben die ein sehr liebesvolles Booking. Ansonsten gehe ich gerne in die Daniela Bar. Aber eigentlich darf man das nicht verraten, weil die so klein ist (lacht).

Was macht einen guten Club aus?

Man merkt einfach, wenn da Herzblut drinsteckt und die Leute sich Gedanken machen. In gute Läden kann man auch blind gehen, weil man weiß, dass die einen guten Geschmack haben. Als Musikerin finde ich es außerdem wichtig, dass die Bar nicht zu nah an der Bühne ist – damit die Leute auch zuhören können und nicht nur die Eiswürfel hören.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft beschreiben?

Ich habe das Gefühl sie ist relativ statisch: Wir haben immer die gleichen Läden, in denen alles beim Alten bleibt und nicht viel Neues passiert. Das ist manchmal vielleicht etwas langweilig, aber andererseits entsteht dadurch ein sehr gutes Netzwerk.

Wenn du Kultursenator wärst, was würdest du in Hamburg ändern?

Die größte Schwierigkeit in Hamburg ist glaube ich die Kultur zu erhalten. Was wir schon haben, muss geschützt werden. Dass es beim Uebel & Gefährlich jetzt reinregnet, weil irgendwer das Dach grün machen will, ist doch unmöglich. Warum passen wir da nicht besser auf? Das ist auch übertragbar auf Europa: Was wir schon haben, nämlich der Frieden, muss bewahrt werden. Genauso bei den Clubs. Läden wie das Molotow oder das Uebel & Gefährlich ziehen junge Musiker doch nach Hamburg, weil da Geschichte geschrieben wurde.

Kannst du dich noch an deinen ersten Club- oder Konzertbesuch in Hamburg erinnern?

Das war Tomte im Uebel & Gefährlich. 2010, noch bevor ich nach Hamburg gezogen bin, habe ich ein Praktikum bei dem Produzenten Swen Meyer gemacht und weil er so viel zu tun hatte, sollte ich schon mal vorgehen. Am Ende stand ich die ganze Zeit alleine da, aber es war toll. Das hat dann auch direkt zu einer Songzeile geführt: „Das Leben ist kein Tomte-Song“. Denn manchmal ist es eben auch scheiße, alleine zu sein. An dem Abend war es aber echt schön.

Was spricht dafür, ein Konzert alleine zu besuchen?

Man redet nicht so viel und ist mehr im Moment. Außerdem gehen die Leute speziell mit einem um, wenn man alleine ist. Ich bin schon öfter ins Gespräch gekommen.

Es kommt aber immer aufs Konzert drauf an. Auf Tanz-Konzerten macht es mehr Spaß, mit jemandem zusammen zu sein. Bei den ruhigeren Konzerten, wo man sich emotional öffnen und nachdenken kann, ist es auch alleine schön.

Im August spielst du auf dem Dockville Festival. Wenn du in Hamburg ein eigenes Festival veranstalten dürftest, wo würde es stattfinden und mit wem?

Ich glaube das Gelände ist mir egal – es soll bloß schön sein und die Leute sollen sich wohl fühlen. Wichtiger wäre mir, viele Frauen auf die Bühne zu holen. Die Ausrede, als Booker nur das zu buchen, was einem gefällt, finde ich nicht tragbar. Vielleicht muss man etwas länger suchen, aber es gibt diese Frauen. Und es ist doch so: Wenn ich in eine Galerie zwei Bilder hänge, eins von einem Mann und eins von einer Frau, kann jeder entscheiden, welches ihm gefällt. Wenn aber nur Bilder von Männern hängen, können mir auch nur Männer gefallen.

Es ist also die Aufgabe des Bookers, verschiedene Bilder aufzuhängen?

Genau. Auch, um jungen Frauen zu zeigen, dass sie selbst Bassistin oder Drummerin werden können. Ich würde zu meinem Festival auf jeden Fall Kat Frankie einladen. Außerdem würde es auf jeden Fall nachhaltig sein. Es gäbe kein Plastik vor und hinter der Bühne, Strohhalme aus Stroh, ein Becherpfandsystem auch beim Kaffeestand, Vorträge und Workshops, Öko-Strom für die Bühnen, Goldeimer-Toiletten und ich backe Taylor-Swift-Muffins für alle!

Bevor das soweit ist – bei welchem Konzert würdest du im Augst gerne auf der Gästeliste stehen?

Ich würde gerne zu Lewis Capaldi am 6. August im Stadtpark. Der singt krass und ist noch dazu der lustigste Mensch. Außerdem würde ich gerne zu Soap&Skin am 17. August in der Elbphilharmonie. Das wird bestimmt sehr emotional. Und auf dem Dockville muss ich unbedingt Billy Eilish sehen, die ist einfach der Wahnsinn.

Hast du noch ein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Geht auf Konzerte und achtet dabei aufeinander. Das wünsche ich mir sowieso in der Welt, dass Menschen aufeinander geben. Wenn du siehst, dass jemand angefasst wird oder schlechte Stimmung macht, dann mischt euch ein, damit das Konzert für alle schön bleibt!


ZUR KÜNSTLERIN

Antje Schomaker, 1992 in Nordrhein-Westfalen geboren, fing schon als junges Mädchen an, Klavier und Fagott zu spielen. Nach einem Praktikum bei dem Produzenten Swen Meyer zog sie 2012 nach Hamburg. Als sie wenig später den Song „Mein Herz braucht eine Pause“ auf YouTube stellte, lud Bosse sie auf Tour ein, im Folgejahr begleitete sie Johannes Oerding, Gloria und Amy Macdonald als Support. Im Februar 2018 veröffentlichte sie ihr Debütalbum „Von Helden und Halunken“. Aktuell arbeitet Schomaker an ihrem zweiten Album, im Spätsommer soll der erste neue Song erscheinen.

www.antjeschomaker.de


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ZUR MUSIK

Auf ihrem Debütalbum „Von Helden und Halunken“ versammelt Antje Schomaker elf feine Indiepop-Songs, die allesamt klingen, als kämen sie direkt aus dem Zimmer nebenan. Dazu singt sie wunderbare Zeilen wie „Wo die Liebe hinfällt, schlägt sie ihre Knie auf“. Es geht um Freundschaft, gemeinsame Erlebnisse und natürlich auch die Liebe. Das Album sei, so Schomaker, „eine Sammlung von Geschichten über meine Helden, deren Erlebnisse eben hin und wieder mit Halunken zu tun haben.“


ANTJE SCHOMAKER live

Datum: 18. August 2019 Ort: Dockville Festival

Tickets: 44 Euro (Tagesticket)

www.msdockville.de

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