Im Club mit: Anna Lafrentz & Felix Stockmar (Clubkombinat Hamburg e. V.)

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Die anhaltende pandemische Lage hat auch im Clubkombinat Hamburg die Tätigkeitsschwerpunkte verändert. Im Jahresrückblick berichten Anna Lafrentz und Felix Stockmar aus dem Vorstand heraus, welche Fokus-Themen sie in 2021 im Blick hatten, die in den kommenden Jahren hohe Relevanz für Clubbetreiber:innen und die Livemusikbranche besitzen.

WIE HAT SICH DIE PANDEMISCHE LAGE AUF EURE Arbeit ALS VORSTAND DES CLUBKOMBINAT HAMBURG AUSGEWIRKT?
Wir wissen gar nicht wie die Vorstandsarbeit vorher war, da wir während der Pandemie in die Ämter gewählt wurden. Während den Schließzeiten ist viel Arbeitszeit in den Vorstand geflossen, da ja sonst nicht so viel zu tun war, außer jede Menge Förderanträge und -abrechnungen.

Große Herausforderungen sind die ständig neuen und mit vielen Überraschungen versehenen EVO’s (Eindämmungsverordnungen) und die daraus entstandenen Verunsicherungen und Unklarheiten, sowie finanzielle und personelle Schwierigkeiten für unsere Mitglieder.

Natürlich erfordert diese Lage deutlich mehr Abstimmungen, kurzfristige Presse-Antworten und einen deutlich verstärkten und intensiveren Dialog mit der Politik, um Prozesse zu beschleunigen und die Spielstätten am Leben zu erhalten.

GIBT ES INHALTLICHE SCHWERPUNKTE IN DEN ARBEITEN; DIE IHR MEHR IN DEN FOKUS GERÜCKT HABT?
Der Stellenwert von Livemusik-Kultur und die damit verbunden gesellschaftliche und soziale Verantwortung, wurde vorher nicht groß diskutiert. Es geht immer wieder darum laut zu werden und trotz verschlossener Türen sichtbar zu bleiben, damit die Livemusik-Kultur nicht vergessen wird. Unter dem Stichwort „Systemrelevanz“ werden wir sicherlich noch eine Weile weiterdiskutieren, und das ist gut! In der letzten Legislatur hat eine parteiübergreifende Allianz im Bundestag den Beschluss gefasst, dass Clubs als Kulturstätte anerkannt werden. Das ist ein wichtiger Meilenstein, dessen formale Umsetzung aber derzeit noch aussteht.

GIBT ES ZUSÄTZLICH ZU DEN KURZFRISTIGEN THEMEN AUCH LANGFRISTIGE INHALTE, DIE FÜR DIE HAMBURGER CLUBLANDSCHAFT IM VORDERGRUND STEHEN?
Die Auswahl an großen Themen ist enorm. Angefangen bei dem Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein. Wie gehen wir damit um? Wie können unsere Veranstaltungen zukunftsfähig(er) werden und ggf. gleichzeitig als Vorbild und Beispiel für weitere dienen und empowern?

Awareness: Wie können Veranstaltungen sicherer für alle gestaltet und Teilhabe gewährleistet werden?

Zukunft der Live-Kultur: Wo soll die Reise hingehen? Was ist nötig, um in unserer hochverdichteten Stadt und den zunehmend gentrifizierten Ausgehvierteln eine Livemusik-Kultur zu bewahren und neue Räume und Konzepte zu erschließen. Weitere Stichpunkte lauten: Strukturförderung, Kulturraumschutz, Clubs are Culture, Schallemissionen.

BLICKT MAN AUF 22 MONATE PANDEMIE ZURÜCK; WIE HAT SICH AUS EURER SICHT DAS BESUCHERVERHALTEN IN DEN CLUBS VERÄNDERT?
Wir beobachten, dass bei steigenden Zahlen viele Gäste vorsichtiger werden, im Dezember wurden teilweise bis zu 50 Prozent der verkauften Tickets nicht genutzt.

Insgesamt ist die Besucher:innenschaft sehr divers, so gibt es Gruppen, die sofort vor der Tür stehen sobald Tanzen wieder möglich ist und es gibt auch die Konzertbesucher:innen, die, auch wenn nicht vorgeschrieben, freiwillig mit Maske und Abstand im Club sind.

DIE ERNEUT ERHÖHTEN ABSAGEN DURCH DIE VERSTÄRKTEN BESTIMMUNGEN FÜHREN FÜR VIELE CLUBS WIEDER ZU SCHLIESSUNGEN ZUM JAHRESSTART: WELCHE HILFEN BRAUCHT ES NUN ZUSÄTZLICH?
Bisher ist unter verschärften Auflagen – bis auf Tanzen – noch vieles möglich und wenn die Inzidenz nicht über 350 steigt, bleibt das ja auch erst mal. Viele haben sich trotzdem dazu entschieden ihre Türen zu schließen aus den unterschiedlichsten Beweggründen: Verantwortung Personal und Gästen gegenüber, fehlende Gäste bzw. keine Möglichkeit ein angenehmes Erlebnis für alle zu gestalten.

Grundsätzlich ist es wichtig, dass es Perspektiven zu einer Wiederbelebung der Kulturlandschaft gibt: gesonderte Anschubfinanzierungen, niedrigschwellige und unbürokratische für das gerade neu eingestellte Personal, vor allem die vielen 450€-Jobber:innen, für die Solo-Selbstständigen und Inhaber:innen.

Ansonsten müssen bisherige Fördersäulen verlängert und eine zügigere Abwicklung erzielt werden. Die Lohnentwicklung bei externem Veranstaltungspersonal muss in künftigen Finanzierungsüberlegungen eine Rolle spielen.

Viele Inhaber:innen, vor allem auch von Kneipen und Bars, die mindestens genauso wichtig für den Organismus Nachtleben sind, haben ihre kompletten Reserven aufgebraucht und stehen nun weiterhin vor dem Nichts – vor allem dort braucht es jetzt gezielte Förderungen.

INWIEWEIT WIRKT SICH DIE FORTSCHREITENDE DIGITALISIERUNG IN DER VERANSTALTUNGSBRANCHE POSITIV AUS?
Die Entwickler von Partymate haben sich hervorgetan mit Tools wie der Auswertung von Daten/Besucher:innenströme, personalisierten Konzertempfehlungen und neuen Kommunikationskanälen zwischen Clubs und Gästen.

Zudem stehen neue Möglichkeiten zur Erhöhung der Sicherheit auf veranstaltungen in den Startlöchern, wie z.B. „Help Button“ oder „Safer Space Button“ mit dem man anonym, schnell und effektiv Hilfe anfordern kann.

Das Streaming hat sich auch weiter entwickelt, ist aus unserer Sicht aber kein Ersatz für ein Live-Erlebnis. Gut möglich jedoch, dass wir in Zukunft mit unserem gekauften Konzertticket einfach zuhause vor dem Fernseher sitzen, wenn wir spontan krank werden – Hybridveranstaltungen schaffen es vielleicht in unseren Alltag.

WELCHE SCHÖNEN MELDUNGEN / HIGHLIGHTS GIBT ES VON EURER SEITE FÜR 2021 ZU NENNEN?
So viel berechtigte Kritik es am Kultursommer auch gibt, was Ausschreibung und Abwicklung betrifft, so sehr hat es uns auch gefreut die ganze Stadt in einem Kulturlicht scheinen zu sehen. An allen Ecken für sämtliche Zielgruppen gab es niedrigschwellige kostengünstige Angebote, die Branche konnte kurz aufleben und aufatmen und Personal und Künstler:innen kurzfristig zurück in die Beschäftigung geholt werden.

Weiter gab es den bereits erwähnten Bundestagsbeschluss in Bezug auf die Anerkennung von Musikclubs als kulturelle Orte.

Auch wenn wir Herrn Senator Brosda gern auf Bundesebene gesehen hätten, um sich für die Kultur stark zu machen, so freuen wir uns enorm, dass er noch eine Weile Kulturpolitik in der Hansestadt macht. Auch glauben wir, dass wir mit Claudia Roth eine engagierte und freudvolle Staatsministerin bekommen haben.

WIE IST MIT DEM DERZEITIGEN STAND EURE PROGNOSE FÜR DIE CLUB-SAISON 2022?
Wir können und wollen keine Prognose abgeben, da ständig neue Faktoren ins Spiel kommen.

Wir hoffen jedoch, dass sich die Dinge so entwickeln, dass wir nach diesem Jahreswechsel nicht mehr zurück in einen erneuten Winterschlaf müssen, sondern uns auf den Wiederaufbau der Branche konzentrieren können. Wir wünschen uns, dass die Auflagen und Beschränkungen Schritt für Schritt fallen und am Ende auch keine Kontaktdatenerhebung mehr notwendig ist und wir uns einem ausgelassenen eskalativen Feiern hingeben können, mit lauter Musik in den Ohren.

HABT IHR NOCH EIN LETZTES WORT AN DIE HAMBURGER CLUBGÄNGER:INNEN?
Passt auf euch und eure Mitmenschen auf und startet gut ins neue Jahr! Wir sehen uns auf dem Dancefloor.

Fotocredit: privat

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