Begründung zur Verleihung der zerbrochenen Gitarre 2022 für die Verweigerung des Anerkennungsstatus als Kulturstätten im Rahmen der BauNVO durch das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer
Das Clubkombinat setzt sich als Zusammenschluss Hamburger Club-, Party- und Kulturereignisschaffenden für die Anliegen von Musikbühnenbetreiber:innen und Kulturveranstalter:innen ein und vergibt einmal im Jahr in eigener Verantwortung die “Himbeere” der Hamburger Club Awards. Diese wird an denjenigen oder diejenigen verliehen, die in vorsätzlicher Art und Weise das „Club-Sterben“ durch gesellschaftliche, politische und/oder finanzielle Entscheidungen vorantreiben, oder wissentlich in Kauf nehmen. Mit dem „Negativ“-Preis werden die Probleme der Clubkultur in die öffentliche Wahrnehmung gelenkt und dem(n) Awardgewinner(n) die Möglichkeit zur Korrektur geboten.
Wir schreiben das Jahr 2022 und Musikclubs gelten gemäß Baunutzungsverordnung immer noch als Vergnügungsstätten – und stehen im Baurecht somit mit Wettbüros, Spielhallen und Sex-Kinos auf der untersten Stufe. Und dies obwohl der politische Wille auf Bundesebene bekundet wurde, diesen Zustand zu ändern: eine parteiübergreifende Allianz von CDU/CSU, SPD, GRÜNEN, LINKE und FDP stimmte im Mai 2021 im Deutschen Bundestag für einen Entschließungsantrag und fordert, “dass die Bundesregierung die Baunutzungsverordnung dahingehend anpasst, dass Clubs und Livespielstätten mit nachweisbarem kulturellen Bezug nicht mehr als Vergnügungsstätten, sondern als Anlagen für kulturelle Zwecke definiert werden”.
Doch leider ist das bedruckte Papier wenig wert, wenn die Verwaltungs- und Ministerialebene gegen eine Umsetzung dieses Parlamentsbeschlusses Widerstand leistet und verzögert. Die Verwaltung konzentrierte sich im Rahmen der Fachkommission Städtebau – einem Gremium der Bundesländer – darauf, Hinweise zur bauplanungsrechtlichen Beurteilung von Musikclubs zu verfassen, die nach einem Jahr im Mai 2022 beschlossen und etwas später auf bauministerkonferenz.de veröffentlicht wurden. Die eingeforderte Stellungnahme der LiveKomm fand dabei weitestgehend keine Berücksichtigung. Horst Seehofer und das ihm unterstellte Bauressort ließ damit – trotz LiveKomm Appell – sieben Monate Zeit für eine Umsetzung dieses Beschlusses bis zur Übergabe der Amtsgeschäfte an die Ampelkoalition verstreichen. Das Fazit der LiveKomm der Vollzugshinweise ist ernüchternd: das Papier der Fachkommission Städtebau beinhaltet weiterhin eine Einstufung als “Vergnügungsstätten light” und missachtet dabei u. a. zwei wesentliche Aspekte:
1. Die Fachkommission verweist auf eine Differenziertheit, die den Kommunen im Rahmen der Bauleitplanung die Entscheidung darüber einräumt, ob und unter welchen Voraussetzungen eine Ansiedelung oder Entwicklung welcher Art von Vergnügungsstätten in einem bestimmten Gebiet städtebaulich gewünscht wird. Dies setzt ein Vorgehen im Einzellfall voraus und erfordert erheblichen Einsatz an Zeit, Personal, Kenntnis, Ausdauer und politischen Willen, der nur in besonders seltenen Fällen von Erfolg gekrönt sein könnte.
2. Fast bedeutender als der reale Gewinn an neuen Ansiedlungsgebieten ist der symbolische Wert der Gleichstellung von Theatern Konzerthallen, Opernhäusern und Musikclubs. Im Finanz- und Steuerrecht wurde diese Erkenntnislücke mit dem “Berghain-Urteil” geschlossen. Die Zeit für eine Anpassung im Baurecht ist überfällig. Wir benötigen dringend vom Bund das unmissverständliche Signal in die rund 11.000 Städte und Gemeinden: “clubsAREculture”.
In Hamburg könnte die Politik aktiv werden – statt passiv dem Prozess auf Bundesebene zu verfolgen. Auch hier existiert das Problem, dass die Ansiedlung von Vergnügungsstätten z.B. in Reeperbahn-Nähe nicht mehr genehmigungshähig sei und ein Konzertbetrieb untersagt wird.
Nachdem die ersten Bundesländer in Berlin und Bremen Beschlüsse verabschiedet haben oder wie in Baden-Württemberg das Vorhaben auf Landesebene im Koalitionsvertrag vereinbart wurde, Musikclubs als Anlagen kultureller Zwecke zu behandeln und eine entsprechende Bundesratsinitiative starten wollen, könnte auch Hamburg diesen Weg gehen und versuchen weitere Länder für diesen Ziel zu gewinnen. Schließlich wird eine Novelle des BauGB auch den Bundesrat passieren müssen.
Mit einer nächsten BauGB-Novelle, in der auch die Anliegen der Musikclubs eingebettet sein könnten, ist nicht vor 2024/2025 zu rechnen. Danach folgt noch der Weg durch die Länderkammer. Wir verlieren – dank Horst Seehofer – somit wertvolle Zeit. Dabei sollte im Bewusstsein der Politik und der Verwaltung inzwischen verankert sein: “Eine Stadt ohne Clubs ist eine tote Stadt”. Daher verleiht das Clubkombinat die zerbrochene Gitarre 2022 für die
„Verweigerung des Anerkennungsstatus als Kulturstätten im Rahmen der BauNVO
durch das Bundesinnenministerium unter Horst Seehofer.“
und wählt zur Verleihung den Songtitel: “Tote Stadt” von der Band Plastikstrom.
Hamburg, im August 2022
Gez.
Der Vorstand
Clubkombinat Hamburg e. V.
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