Co2-Bilanzen im Clubbetrieb

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Einführung & Überblick über die kostenlosen Tools im Markt

CO2 ist in aller Munde und doch immer noch ein abstrakter Begriff: wir können uns meist schwer vorstellen, was eine Tonne des Treibhausgases real bedeutet, welchen Impact das auf unser Klima hat und wie wir konkret dazu beitragen können, diese zu reduzieren.

Kunst und Kultur haben das Potential, Verständnis für die Thematik zu schaffen und das Bewusstsein für die Schädlichkeit des Treibhausgases und seine Ursachen zu schärfen, sowie Verantwortung für die Emissionen des eigenen Betriebs zu übernehmen. Dafür braucht es bei Kulturschaffenden aber zunächst selbst das Wissen und die Werkzeuge, um sich der Thematik zu nähern. Wir möchten deshalb einen Überblick zur CO2-Bilanzierung und den aktuellen Rechnern im Kulturbereich bieten und damit eine Hilfestellung bieten.

Warum eine CO2-Bilanz erstellen?

Als PR-Strategie der Öl- und Gaskonzerne diente der CO2-Fußabdruck jahrelang vor allem der Verantwortungsverschiebung von der fossilen Energiewirtschaft hin zu individuellen Verbraucher:innen. Heute ist die Klima- oder CO2-Bilanz ein probates Werkzeug, um die Bedeutung der Klimaauswirkungen von Aktivitäten wie der Bereitstellung oder dem Konsum von Produkten und Dienstleistungen für Unternehmen, Institutionen und Staaten zu beziffern und essenzieller Bestandteil einer Nachhaltigkeitsstrategie. Denn im Kern gilt: Was man misst, das kann man auch verändern. Gibt es Klarheit über die Emissionsquellen, ist eine Priorisierung von klimaschützenden Maßnahmen möglich, um Emissionen effizient zu senken und so zur Sicherung unserer Lebensgrundlagen beizutragen. Internationale Standards liefert das Greenhouse Gas Protocoll (GHG) und die darin beinhaltete Unterteilung in die Emissionskategorien in direkte (Scope 1), indirekte (Scope 2) und vor- und nachgelagerte (Scope 3) Emissionen.

Einteilung der Emissionen nach Scopes, Quelle: https://plant-values.de/wp-content/uploads/2021/04/CO2-Bilanz-Scops.png
Erstellen einer Bilanz

Am Anfang steht immer das Ziel: was soll durch die CO2-Bilanz konkret erreicht werden, welche Motivation gibt es? Im nächsten Schritt gilt es daraufhin, die Wesentlichkeit und die Systemgrenzen zu bestimmen, also einen zeitlichen, örtlichen und operativen Rahmen der Datenerfassung zu definieren. Als Faustregel gilt: Es sollte alles gemessen werden, was schätzungsweise für mehr als 1% der Gesamtemissionen verantwortlich ist und worauf man Einfluss hat.

Im Anschluss erfolgt die Datenerfassung, der umfangreichste Teil der Bilanzierung: neben dem vergleichsweise simplen Ablesen des Stromzählers bedeutet das beispielsweise auch, das Müllaufkommen oder die Logistikfahrten zu erfassen. Je genauer die Datengrundlage, umso besser ist die Bilanz. Wichtig ist, die Daten gut zu dokumentieren und die Datenlage stetig zu verbessern.

Auf Grundlage der Datenerfassung werden anschließend durch Multiplikation mit Emissionsfaktoren die CO2-Äquivalente (CO2e) berechnet.
Die Emissionsfaktoren-Datenbanken von staatlichen Institutionen und Umweltagenturen liefern dafür die Grundlage und werden stetig aktualisiert. Emissionsfaktoren sind teilweise länderspezifisch, da sich beispielsweise Modalitäten in der Abfallwirtschaft oder dem Strommarkt unterschieden. Datenbanken für den deutschen Markt sind daher zu bevorzugen.

Die Berechnung kurz an einem Beispiel erklärt:
Ein Musikclub heizt mit Heizöl (Emissionsquelle, Scope 1) und verbraucht jährlich 1.000 Liter. Der Emissionsfaktor für Heizöl wird mit 0,7 kg CO2/Liter angegeben. (Quelle: UBA Climate Change 50/2022: Emissionsbilanz erneuerbarer Energieträger: Bestimmung der vermiedenen Emissionen im Jahr 2021)

1.000 Liter Heizöl x Emissionsfaktor 0,7Kg/L = 700 kg CO2e

So werden nach und nach alle Emissionsquellen betrachtet, erfasst, berechnet und in der Bilanz gebündelt.

Auf dem Markt bestehen bereits zahlreiche CO2-Rechner und Tools, sodass eine manuelle Berechnung und Recherche von Emissionsfaktoren nach Datenerfassung nicht zwingend notwendig ist. Für Veranstaltende und Spielstättenbetreiber:innen möchten wir die folgende kostenlosen Tools kurz vorstellen:

Creative Climate Tools by Julie’s Bicycle:

  • Intuitiv gestaltet ermöglicht diese Toolbox sowohl die Erstellung von Jahresbilanzen als auch die Bilanzierung einzelner Veranstaltungen oder Tourneen. Die Emissionsfaktoren beruhen allerdings auf britischen Standards und weichen ggf. vom Deutschen Markt ab. Manuell ermittelte Emissionen können allerdings problemlos hinzugefügt werden. Der CO2-Rechner bietet einen exzellenten Überlick und überzeugt durch die herausragende Benutzerfreundlichkeit und eine übersichtliche Analyse. Durch die Login-Funktion können Bilanzen hier gespeichert und mit Folgebilanzen und Branchenbenchmarks verglichen werden. Es können Prognosen erstellt und sogar Amortisationszeiten für verschiedene Energielösungen (z.B. neue Bühnenbeleuchtung oder Kühlschränke) berechnet, sowie die eigenen Bilanzen mit Benchmarks der Branche verglichen werden. Eine umfassende Datenbank liefert weiterführende Informationen, durch die Datenübermittlung werden weitere Vergleichswerte gesammelt, die Schwarmintelligenz wächst. Darüber hinaus können Ziele und Maßnahmen nachgehalten, Nachhaltigkeitskonzepte und Aktionspläne hinterlegt werden. Die Toolbox ist in englischer Sprache, kann aber im Browser übersetzt werden.

E-Tool C02 Kulturrechner:

  • Ebenfalls ein sehr umfassender webbasierter Emissionsrechner, entwickelt von der Mittelstandsinitiative Energiewende und Klimaschutz, angepasst auf den Kultursektor durch die Stadt Leipzig und dem Amt für Kultur und Denkmalschutz der Stadt Dresden. Berechnet werden auch hier alle Emissionen nach Greenhouse Gas Protokoll, Jahresbilanzen als auch Veranstaltungsbilanzen sind möglich, auch für mehrere Standorte. Darüber hinaus können Anlagen und Maschinen (z.B. Lüftungsanlage, Bühnentechnik) gesondert erfasst werden. Das manuelle Eintragen von Emissionsequivalenten ist möglich. Die Auswertung im Energiecockpit ist übersichtlich, Detaildaten können auch über mehrere Jahre verglichen werden. Die Dokumentablage ermöglicht ein Nachhalten von Abrechnungen, Verträgen, Zulassungen, Gebäudedaten etc.. Weitere Zusatztools: Entwicklungsfahrplan, Lastgang-Dokumentation, Berechnung der CO2-Mehrkosten, PV-Berechnungstool. Die Weblösung bietet enormes Potential, braucht aber auch etwas Muße in der Einarbeitung, da sie recht komplex ist. Wir empfehlen das Wahrnehmen von Schulungs- angeboten. Das E-Tool birgt das Potential, eine einheitliche Lösung für den Kultursektor im deutschen Markt zu bieten.

Kulturstand der BKM Hamburg:

  • Der im Oktober 2023 veröffentlichte Kulturstandard definiert eine einheitliche Erhebungsmethode für die Erstellung von Klimabilanzen für Kulturbetriebe in Deutschland und beinhaltet zur Datenerfassung und Bilanzierung eine Excelvorlage mit Emissionsfaktoren. Er gliedert sich in die Bereiche „KlimaBilanzKultur“, „KlimaBilanzKultur+“ und „Beyond Carbon“, die jeweils unterschiedliche Scopes beinhalten und in ihrer Struktur vom GHG abweichen, um in der Anwendbarkeit bedarfsorientiert zu bleiben: relevante Emissionen wie die Anreise des Publikums müssen nicht zwingend erfasst werden, eingekaufte Materialien werden nach dem jeweiligen Abfallaufkommen berechnet, die vorgelagerten Emissionen dabei also teilweise vernachlässigt. Dies kann – je nach Definition der Systemgrenzen sinnvoll sein, aber auch zu einer Verfälschung der Bilanz führen, wenn relevante Emissionen nicht oder nicht vollständig erfasst werden.
  • Das Exceltool eignet sich vor allem zur Erstellung von Jahresbilanzen für Standorte, weniger für das Bilanzieren einzelner Veranstaltungen. Es ist möglich, manuell Emissionsfaktoren zu ergänzen und zusätzliche Faktoren in der Bilanz zu erfassen, dies weicht dann allerdings vom gesetzten Standard ab und verfehlt so den anvisierten Anspruch der Vergleichbarkeit. Relevante Emissionsquellen wie Catering finden keine Berücksichtigung im Rechner.

Ecocockpit:

  • Das browserbasierte Tool der Energieeffizienzagentur NRW bietet die Möglichkeit Unternehmensstandorte und Produkte zu bilanzieren. Es ist nicht für die Kulturbranche spezialisiert, ermöglicht allerdings das Hinzufügen benutzerdefinierter Positionen und hilft, komplexe Bilanzen übersichtlich darzustellen. Durch die Login-Funktion können Bilanzen hier gespeichert und verglichen, sowie Systemgrenzen und Stammdaten der Bilanz hinzugefügt werden. Um eine differenzierte Veranstaltungs- oder Clubbilanz zu erstellen, ist die Recherche und das manuelle hinzufügen von zahlreichen Emissionsfaktoren für Prozesse wie Catering, Entsorgung etc nötig, da der Rechner vorrangig auf Produktionsprozesse und Produkte ausgelegt ist.

Music C.A.R.E.S. CO2-Rechner:

  • Ebenfalls browserbasiert, spezialisiert auf Shows, perspektivisch auch Festivals und Tourneen, bietet die aktuelle Betaversion die Möglichkeit mit Durchschnittswerten Emissionen vorab vorauszuberechnen und so präventive Maßnahmen zu ergreifen, oder anschließend auf Basis von Datenerhebungen genauer zu erfassen. Das Tool ist niedrigschwellig und bietet vor allem Einsteiger:innen einen gut geführten Überblick und Orientierung. Ein Speichern der Ergebnisse und ein Vergleich mit Folgebilanzen ist allerdings nicht möglich. Wir vermissen die Funktion, exakte Messwerte einzutragen. Es gibt allerdings die Möglichkeit mit Ersatzwerten und Prozentangaben zu rechnen, sollten Messwerte oder Schätzungen nicht möglich sein.
    Fazit: Das Tool bietet einen sehr niedrigschwelligen Einstieg für kleinere Projekte, Veranstaltungen oder Venues und hilft, ein erstes Gespür für Emissionen zu bekommen. Für eine umfassende Bilanzierung und einen Jahresvergleich ist es nicht geeignet.

Co2-Rechner für Veranstaltungen des Umweltbundesamts:

  • Ebenfalls browserbasiert ist dieses Tool zur Bilanzierung von Veranstaltungen entwickelt. Es bietet die Möglichkeit zum Excel und PDF-Export. Daten werden in der online-Version leider nicht gespeichert. Mobilitätsdaten sind nur für PKW, ÖPNV und Flugreisen erfassbar. Ein manuelles Eintragen der Berechnung eigener Mobilitätsdaten ist nicht möglich. Es erfolgt keine Differenzierung nach Antriebsart des Fahrzeugs. Logistikfahrten können nicht über PKW hinaus erfasst werden, dabei kommen gerade in der Veranstaltungsbranche und im Touring häufig Fahrzeuge über 3,5t zum Einsatz. Auch Stoffströme und Abfall können nicht erfasst werden. Dafür bietet dieser Rechner als Einziger die Möglichkeit, Essensportionen zu kalkulieren werden, inklusive der Emissionen bei der Herstellung. Wir empfehlen, diesen dafür zu nutzen und die Werte in andere Rechner einzupflegen.
Fazit CO2-Rechner

In der tiefgreifenden Analyse zeigt sich, alles Gute ist nie beisammen. Simple Rechner liefern auch nur rudimentäre Bilanzen, komplexe Systeme können schnell überfordern oder sind unpassend für die Clubbranche. Es fehlt in vielen Bereichen noch an Emissionsfaktoren, besonders veranstaltungsspezifische wie Catering, Abfall oder Dekorationsmaterial, sodass aktuell immer nur eine Annäherung an eine Bilanz möglich ist.

Gleichzeitig stellt sich die Frage, ob eine Bilanzierung der CO2-Emissionen bis in den letzten Winkel zielführend ist, oder es – zum aktuellen Zeitpunkt – vor allem wichtig ist, mit der Thematik zu beginnen, Daten zu erfassen und sich einen Überblick zu verschaffen. Die Entwicklung ist klar, CO2-Bilanzen werden immer relevanter, sowohl für die innerbetriebliche Organisation als auch für externe Akteur:innen wie Behörden und Fördermittelgebende. Wer jetzt nicht loslegt, steht später vor größeren Herausforderungen.

Unsere Empfehlung

Das E-Tool hat das Potential, nicht nur CO2-Rechner sondern das umfassendes Nachhaltigkeits-Cockpit für den Betrieb zu sein, angepasst den deutschen Markt und die Kulturbranche. Wer das Thema ernsthaft und langfristig angehen möchte, ist hier richtig. Interessierte sollten unbedingt an einer kostenlosen einmaligen Einführung zum E-Tool am 23. Oktober von 10 bis 11.30 Uhr via Videokonferenz teilnehmen unter https://lmy.de/kuVGe. Wem das Tool zu umfassend für den eigenen Betrieb erscheint, sollte auf die Creative Climate Tools zurückgreifen. Für die Berechnung von Catering bietet sich derzeit nur der UBA-Rechner an.

Alternativ ist die Nutzung der KBK und KBK+ oder einer eigenen Excel-Tabelle zur Datenerfassung ein probater Weg, allerdings mit einigem Aufwand verbunden und in der Auswertung und Funktionalität weit hinter den oben beschriebenen Lösungen.

Soweit zur Erstellung von Bilanzen. Wie geht’s weiter?

Es folgt der wichtigste Schritt: das Ableiten von Erkenntnissen und Maßnahmen: wo liegen CO2-Einsparpotentiale, welche Stellschrauben sollen im nächsten Geschäftsjahr oder bei der nächsten Veranstaltung verändert werden? Essenziell ist es, die Ergebnisse der Bilanz an das gesamte Team zu kommunizieren, sowie SMARTE Ziele zu setzen, die zur Umsetzung der gewählten Maßnahmen führen. Vor der Kompensation steht immer die Reduktion. Erst wenn Emissionen nicht mehr vermieden werden können, sollte großzügig, am besten mit Faktor 2-3 kompensiert werden, bevorzugt in regionale und zertifizierte Projekte wie die MoorFutures in Schleswig Holstein.

Hilfestellung bei der Bilanzierung bietet Jette Krauss, Projektkoordinatorin für Nachhaltigkeit im Clubkombinat unter zukunftfeiern@clubkombinat.de

Das Clubkombinat Hamburg wird erstmals für den diesjährigen Clubaward Daten zur Erstellung einer CO2-Bilanz erstellen und diese publizieren.

Vertiefende Anleitungen zur Erstellung einer Bilanz finden sich auf folgenden Seiten:

Übersicht der Datenbanken für Emissionsfaktoren

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