Club-Bilanz 2018/2019


Das Clubkombinat veröffentlicht die Club-Bilanz 2018/2019 coronabedingt erst im Jahr 2021. In den Betrachtungen der Entwicklungen der Musikspielstätten in Hamburg fließen Schließungen, Neugründungen ein und verzeichnet auch Namens- bzw. Betreiberwechsel und Programmpausen.

Im Gegensatz zum Vergleichszeitraum 2016/2017 (- 8) weist die Beobachtung für die Jahre 2018/2019 insgesamt einen geringen Verlust von zwei Musikbühnen aus. Insgesamt stehen vier Neugründungen sechs dauerhaften Schließungen gegenüber.

Ob bei den Berichterstattungen über das Terrace Hill, Moloch oder Purgatory – bei fast jeder Club-Schließung oder Unterbrechung grassiert schnell der Begriff “Clubsterben” durch die Presse. Für einen möglichst faktenbasierten Diskurs erhebt das Clubkombinat Hamburg seit 2014 kontinuierlich die Entwicklungen in der Hamburger Clublandschaft und zieht alle 24 Monate ein Fazit.

Diese Form der Bilanzierung bildet jedoch nur einen Ausschnitt der Szenerie ab. Die enorme Anzahl an Musikclubs sowie die Vitalität der Aktivitäten in dieser Szene lassen sich nur äußerst schwierig in ihrer Gesamtheit erfassen. Die Ausführungen konzentrieren sich auf die wichtigsten Ereignisse der Clubszene und erheben keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit.

Die Gesamtbilanz seit dem Start der Erhebung im Jahr 2014 verzeichnet nur einen geringen Verlust von insgesamt zwei Musikspielstätten:

2014/2015: Zunahme: + 7 / Abnahme: 0 = + 7

2016/2017: Zunahme: + 7 / Abnahme: – 15 = – 8

2018/2019: Zunahme: + 4 / Abnahme: – 6 = – 2

GESAMTBILANZ: Zunahme: + 18 // Abnahme: – 21 = Insgesamt minus 3

Thore Debor, Geschäftsführer Clubkombinat Hamburg e.V. bilanziert: „Die aktuellen Zahlen unterstreichen, dass wir in Hamburg seit dem Start der Erhebung bislang keinen Aderlass an Musikspielstätten verzeichnen. Wir behalten die Entwicklungen weiterhin detailliert im Auge und werden die ersten sein, die Alarm schlagen, wenn in Hamburg ein breites Clubsterben einsetzt.“

Neben der reinen Summierung von Flächenveränderungen gilt es zur qualitativen Analyse auch die Anzahl von Musikveranstaltungen im Blick zu behalten. Im Jahr 2017 konnte das Clubkombinat erstmals über das Jahr laufende Veranstaltungsprogramme der Mitglieder erfassen. Von den Musikspielstätten und Veranstalter:innen, die bis Ende 2017 im Clubkombinat organisiert waren, wurden Veranstaltungsdaten von durchschnittlich 82 Musikspielstätten verzeichnet. Das Ergebnis waren insgesamt 11.222 Veranstaltungen, davon 5.876 Konzerte (inkl. OpenStage; 52,4%) und 3.892 Parties (34,7%) und somit 9.768 Musikveranstaltungen.

2019 konnten insgesamt 13.165 Veranstaltungen von durchschnittlich 105 unterschiedlichen Quellen verzeichnet werden. Die Veranstaltungen unterteilten sich in 6.551 Konzerte (49,76%) und 4.468 Parties (33,49%), die somit 11.019 Musikveranstaltungen ergeben.

Die Zahlen sind jedoch unter Berücksichtigung der Steigerung bei den Quellen vom Jahr 2017 (82) zu 2019 (105) in Höhe von 27,8 Prozent zu betrachten. Da die Anzahl der Konzerte im Vergleichszeitraum nur um 15,6 Prozent anwuchsen, ist de facto von einem Konzertrückgang pro Club/Veranstalter:in auszugehen. Im Durchschnitt ergibt sich für das Jahr 2019 ein Wert von rund 36 Veranstaltungen pro Tag.

Problemlagen, die 2018/2019 der Clubszene zusetzten

Beschwerden von geräuschempfindlichen Anwohner*innen gehören nach wie vor zu den häufigsten Negativerscheinungen, mit denen Clubs in den unterschiedlichsten Lagen zu kämpfen haben. Ein besonders unschönes und deutliches Beispiel dafür, wie selbst seit Jahrzehnten etablierte Musikspielstätten durch Interventionen einzelner geschädigt werden können, ist die Bar Italia in Hamburg Eppendorf. Seit fast 12 Jahren werden dort an einigen Abenden Soul- und Jazz-Konzerte veranstaltet, intim und dezent. Eine einzige Mieterpartei fühlt sich davon gestört und sorgt für hohe Geldbußen und langfristig eventuell sogar den Konzessionsentzug. Durch so etwas droht die Verödung lebendiger Stadtteilkultur. Es bedarf daher klarer Regelungen, die den Kulturraum schützen.

So positiv der relative Rückgang der Schließungen auf den ersten Blick auch erscheint, noch immer werden auch alteingesessene Clubs durch Nachverdichtung, Mieterverdrängung und kostspieligen Auflagen aus ihren angestammten Räumen verdrängt. Gerade St. Pauli droht auf diese Weise weiterhin seine lebendige, kreative Seele zu verlieren. Denn gerade die kleinen Clubs sind es, die mit ihrem bunten Live-Musik-Programm dazu beitragen, dass der Kiez nicht völlig zu einer Art Ballermann für Party-Touristen wird.

Strukturelle Lösungsansätze als Hoffnungsschimmer

Das im September 2019 gemeinsam von Clubkombinat und der Behörde für Kultur und Medien eingeführte Club-Kataster soll helfen, kreative Räumen der Musik- und Clubkultur bei Nutzungskonflikten im Bestand zu sichern, sowie potenzielle Eroberungs- und Erprobungsräume für die kreativen Szenen zu identifizieren und neue Flächen in Stadtquartieren zu etablieren.

Ebenfalls erfreulich zu verzeichnen ist, dass das Clubkombinat mit dem Landesbetrieb Verkehr Hamburg relativ kurzfristig im Anwohner*innen-Parkgebiet St. Pauli eine Ausnahmeregelung für das Abstellen von Künstlerfahrzeugen erreichen konnte. Diese Sonderregelung für Clubs befindet sich derzeit in der Pilotphase.

Im Jahr 2018 wurden von der Bürgerschaft Planungsmittel für eine Bestandsaufnahme und Bedarfsermittlung Sanierungsbedarfe für Musikclubs über den Sanierungsfonds Hamburg 2020 mit Schwerpunkt auf Lärmschutz beschlossen. Inzwischen konnten für die Abwicklungsmodalitäten Klärungen getroffen und die Clubstiftung – ebenso wie in den beiden Vorrunden – für eine künftige Förderrunde III als Abwicklungsstelle im Jahr 2020 eingesetzt werden.

Ein Streifzug durch die Hamburger Clublandschaft – Was hat sich 2018/2019 konkret verändert?

I. NEUGRÜNDUNGEN

Hebebühne (Altona) / seit Januar 2018
Im Herzen von Ottensen gelegen, bietet die Hebebühne Künstlern und Kreativen aller Bereiche die Möglichkeit ihre Ideen und Visionen umzusetzen. Sehr erfreulich ist, dass mit der Hebebühne in Altona ein neuer Club geschaffen wurde, der über den normalen Club-Betrieb mit Live-Konzerten auch Proberäume, eine Full-Stage-Probebühne, Workspaces und Raum für Fotoshooting, Video-Dreh, Recording oder Ausstellungen anbieten kann.

TONALi Saal (Eimsbüttel) / seit Januar 2018
Der 1890 im Grindelviertel erbaute Pferdestall war zwischenzeitlich Schnapslager, Fotostudio und hippe Design-Schmiede. Jetzt dient er als Entdecker-Ort für außergewöhnliche Konzerte klassischer Musik. Eine Besonderheit: die Stars von morgen sind hier regelmäßig mit eigenen, originellen Konzertformaten zu hören (und zu sehen) – und auch die Stars, die normalerweise die großen Bühnen wie Elbphilharmonie und Carnegie Hall NY bespielen, kann man in der Reihe „Stars nah“ erleben.

Fitzgerald (Altona), ehemals Golem / seit Februar 2018
Auf zwei Ebenen wurde hier mit Bar, Club, Indiependent-Kino, Snacks und Kellerclub mit abwechselnd HipHop und Techno/Electro-Parties ein rund-um-glücklich-Paket auf Augenhöhe mit dem Publikum konzipiert.

Moin Club, (Mitte), ehemals FRITZ BAR / seit Februar 2018
Im Februar 2018 als neuer Club für elektronische Musik in der Friedrichstraße, in den Räumen der ehemalige FRITZ BAR, eröffnet. Das MOIN war der erste Club in Hamburg, in dem Smartphones verboten sind. Die Begründung für die Restriktion: Die Betreiber wollten authentische Momente abseits der digitalen Welt schaffen.

II. SCHLIESSUNGEN

Moin (Mitte) / Juli 2018
Wie kurz ein Clubleben sein kann, zeigte sich beim „Moin Club“. Im Februar eröffnet, war er im Juli desselben Jahres auch schon wieder Geschichte.

Fitzgerald (Altona) / Juli 2018
Auch das Fitzgerald in Altona wurde leider nicht einmal ein halbes Jahr alt. Damit ist die Hälfte der aktuellen Neugründungen auch schon wieder aus der Clublandschaft verschwunden.

BarRock (Nord) / April 2019
Die BarRock war die Live-Institution in der City-Nord. Freier Eintritt, Jam-Sessions und handgemachte Musik von Blues, Southern-Rock und Rock‘n‘Roll lockten über jahrzehnte Besucher in die urige Musikspielstätte.

Kogge (Mitte) / Juli 2019
Nach über 16 Jahren ist die Schließung des einzig wahren Rock‘n‘Roll Hotel Hamburgs in der Bernhard-Nocht-Straße ein weiteres trauriges Paradebeispiel. Ein organisch gewachsener und liebevoll erhaltener Szene-Kulturort wurde durch fehlenden politischen Willen leichtes Opfer von Investoren. Dieser Standort ist durch Abriss und Neubau für immer von der Hamburger Kulturkarte gelöscht.

Good Old Days(Altona) / Juli 2019
Das Good Old Days lag mitten im Schanzenviertel, einer der angesagtesten Ecken der Stadt. Hier trafen sich abends Ur-Hamburger und Touristen gemeinsam zum Trinken und Tanzen zu Swing oder elektronischer Musik. Die günstigen Getränkepreise locken vor allem ein junges, studentisches Publikum an.

Moloch (Mitte) / März 2019 – Juli 2019
Ein kollektiver, partizipativer und basisdemokratischer Ort für kulturelle und künstlerische Projekte und natürlich exzessive Clubkultur. Bis zum Ende der Genehmigung im Juni 2020 wird das Projekt ANDERSWELT unter der Leitung des Gängeviertels weitermachen, irgendwo zwischen Techno und Theater, zwischen Kunst und Konzerten wird im Oberhafen wieder einmal ein Ort entstehen, der nicht nur in Hamburg einzigartig werden soll.

Lüttje Lüüd (Mitte) / Mai 2019 – November 2019
Der Info- und Kulturladen auf der Veddel „Lüttje Lüüd“ will einen Ort des Zusammenkommens, sowohl zum Austausch und zum Diskutieren als auch für Kunst und Kultur in jeglicher Form darstellen. Dabei ist das Ziel, Jugendliche, junge Erwachsene und Junggebliebene jeder Nationalität im sozialen, kulturellen, Bildungs- und Freizeitbereich zu unterstützen und ihnen Möglichkeiten der politischen Meinungsbildung zu bieten.

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