15 Jahre Clubkombinat Hamburg e.V. –
You´ll never walk alone – Meilensteine (Teil 2)


Eine Kranzniederlegung vor dem Hamburger Rathaus, um auf das Clubsterben aufmerksam zu machen.
Ein gemeinsames Clubplakat, um musikalische Kompetenz in
der Stadt zu demonstrieren. Der monatliche Clubplaner, um gebündelt für die eigene Programmvielfalt zu werben. Und vor allem: Selbstverwaltung lernen und sich professionalisieren, um zusammen politische Schlagkraft zu entfalten. Wenn zwei Club-Profis – und Pop-Persönlichkeiten – wie Karsten Schölermann und Terry Krug sich über Projekte und Meilensteine des Clubkombinats Hamburg unterhalten, wird die Liste schnell lang. Ein flottes Pingpong an Erinnerungen und Sachkunde, Kritik und Stolz, Passion und humoresker Chemie.

     

Schölermann ist so etwas wie Hamburgs popkulturelle Ideenmaschine. Er gründete den Verein RockCity Hamburg, initiierte die Nacht der Clubs und erfand das Rockspektakel auf dem Rathausmarkt. Zudem ist diese blitzgescheite Type seit 1983 Geschäftsführer des Knust und gehörte von 2006 bis 2014 zum Vorstand des Clubkombinats Hamburg. Terry Krug wiederum hat als wagemutige Macherin die Hamburger Club- und Gastroszene aufgemischt und bereichert, etwa Anfang der 2000er-Jahre mit der coolen Wundertüte von einem Club, der Tanzhalle St. Pauli. Die Schnelldenkerin und Innovationsgranate war zweite Geschäftsführerin des Clubkombinats Hamburg. Sie arbeitet heute als Beraterin und betreibt das Restaurant Krug auf St. Pauli. Und sie engagiert sich ebenso wie Schölermann in der Clubstiftung, einem der wichtigsten Meilensteine, den das Clubkombinat Hamburg gesetzt hat.

Der Stiftungsgründung ging jedoch eine beispielhafte und vor allem äußerst hilfreiche Errungenschaft voran, wie sich die zwei erinnern. „Das Clubkombinat kann zurecht stolz darauf sein, Hamburger Fördermodelle erfunden zu haben, vor allem den Live Concert Account, der gerecht und verlässlich ist“, erklärt Schölermann mit Nachdruck. „Gut 60 Clubs werden da unterstützt – und nicht bloß drei oder neun.“
Er spielt an auf die sogenannte Clubprämie, über die von 1987 bis 2008 lediglich einzelne von einer Jury gekürte Spielstätten städtische Gelder erhielten.

Gemeinsam mit der Kulturbehörde entwickelte das Clubkombinat Hamburg eine Methode, diese Mittel fairer aufzuteilen. Das Ergebnis: Der Verteilungsschlüssel der momentan jährlich verfügbaren 250.000 Euro ist nun simpel wie genial konstruiert: Grundlage sind die Zahlungen an den Rechteverwerter GEMA, die Clubbetreiber leisten müssen, wenn Bands bei ihnen auftreten. Je mehr Live-Musik eine private Musikbühne nachweisen kann, desto höher fällt der Förderbetrag aus. Eine direkte Unterstützung – eins zu eins – für mehr Rock ’n‘ Roll und weniger Event. Für eine gelebte vielfältige Popkultur, bei der die Musik die Hauptrolle spielt und nicht bloß als Grundrauschen dient für die nächste Flatrateparty.

„Der nächste Schritt war dann unfassbar politisch“, erinnert sich Schölermann – und meint die Stiftung, die das Clubkombinat gründete. Durch diese „Stiftung zur Stärkung privater Musikbühnen“, so der offizielle Titel, sei der Beweis gelungen, dass Clubs nicht als reine Wirtschaftsbetriebe agieren, sondern einen gemeinnützigen Kulturauftrag erfüllen. „Seitdem können wir Geld auf Spendenbasis einnehmen und zum Beispiel in die Renovierung des Pudel stecken“, erklärt Schölermann. „Die Stiftung hat gezeigt, dass die Stadt uns vertraut – mit 376.000 Euro von der Kulturbehörde. Wir waren nicht nur die Irren, die sich die Nächte um die Ohren schlagen“, erläutert Krug. Es geht um Akzeptanz, um Augenhöhe.

2020 feiert die Stiftung zehnjähriges Jubiläum und hat bereits zahlreiche Hamburger Musikclubs gefördert, zum Teil sogar gerettet. Mit FairTix entstand zudem ein alternatives Kartenvorverkaufssystem in Kooperation mit TixForGigs. Wieder so ein einfacher und zugleich hoch effektiver Einfall: Die Firma verzichtet bei ihren Ticketverkäufen auf die Hälfte der üblichen Gebühren und führt einen Euro pro Eintrittskarte an die Stiftung ab. Geld, dass direkt in die Spielstätten der Stadt fließt – zum Beispiel in Beratungen, um die Clubs energieeffizient und digital umzurüsten oder juristisch zu unterstützen. Zudem finanzieren diese selbst erwirtschafteten Erlöse die Club Academy, die Clubkulturschaffende in Bereichen wie „Medizinische Notfälle“ oder „Betriebsprüfungen“ weiterbildet. Pilotprojekte, die anderen Bundesländern als Vorbild dienen.

Ohnehin war Hamburg ein starker Motor in dem Prozess, die vielen regional existenten Club-Netzwerke in Deutschland zu bündeln und 2012 den Bundesverband Live Komm zu gründen – mit Sitz auf St. Pauli, als Bürogemeinschaft mit dem Clubkombinat. „Wie die Bekloppten sind wir durch das ganze Land gereist, um den Leuten zu verklickern, dass die Clubs zusammen dastehen müssen“, erzählt Krug. „Das Wissen wird komplett eifersuchtsfrei ausgetauscht“, sagt Karsten Schölermann zufrieden. „Und die Arbeit ist super verteilt. Die Berliner kümmern sich mehr um Lobbying, die Hannoveraner mehr um Jazz, die Münchner mehr um Bandförderung.“ Innerhalb von sieben Jahren hat die LiveKomm rund 17 Millionen Euro Fördermittel erschlossen. Eine unfassbare Erfolgsgeschichte, die in Hamburg ihren Ursprung hat.

Die Relevanz all dieser Meilensteine erkennt und honoriert auch Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda: „Das Clubkombinat ist eine großartige Institution, weil es dabei hilft, Interessen, die ja häufig kleinteilig und heterogen sind, gut zu bündeln. Der Verband ist nicht nur ein guter Ansprechpartner für die Politik, sondern schafft auch eine gemeinsame Sichtbarkeit, die klar zeigt: Hamburg ist ein starker Musikstandort und als solcher insbesondere auf das Fundament seiner Clubs gegründet. Weil Kultur und Musik an diesen Orten oft besonders spannend und aufregend sind – und sich subkulturell von hier entwickeln.“

Organisiert werden all die Aktivitäten längst in einer eigenen Geschäftsstelle mit Thore Debor als Vollzeit-Geschäftsführer, verstärkt durch zusätzliche Mitarbeiter. Auf derart nachhaltig gewachsene Strukturen verweisen zu können, ist ein weiterer wichtiger Meilenstein. Damit die Szene all das und sich selbst auch amtlich feiern kann, verleiht das Clubkombinat seit 2010 einmal jährlich den Club Award. Und dass dieser Zusammenhalt in Hamburg keine bloße Behauptung ist oder sich auf gelegentliche Get-together reduziert, zeigt ein einschneidendes Erlebnis, von dem Terry Krug erzählt: „2006 musste ich die Tanzhalle auf St. Pauli schließen, weil ich eine 100-prozentige Mieterhöhung bekommen habe. Wir haben damals die Tür mit einem Minus von mehr als 30.000 Euro abgeschlossen. Doch wir hatten das große Glück, an das ehemalige Karstadt in der Großen Bergstraße zu kommen, haben dort ein zweitägiges Festival mit der Unterstützung von mehr als 25 Künstlern veranstaltet – und konnten danach unsere Schulden komplett zurückzahlen. Da wird mir heute noch warm ums Herz, dass das so gut funktioniert hat.“ Eine positive Energie, die unbezahlbar ist.

(Text: Birgit Reuther)

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