Negativpreis „Die zerbrochene Gitarre“ geht an geräuschempfindliche BeschwerdeführerInnen in Hamburger Szene- und Ausgehvierteln.


Begründung zur Verleihung der zerbrochenen Gitarre an die geräuschempfindliche Beschwerdeführerinnen in den Hamburger Szene- und Ausgehvierteln.

Das Clubkombinat setzt sich als Zusammenschluss Hamburger Club-, Party- und Kulturereignisschaffender für die Anliegen von Musikbühnenbetreibern und Kulturveranstaltern ein, die eine Schlüsselrolle für ein attraktives und urbanes Kultur- und Nachtleben Hamburgs einnehmen. Eine zentrale Herausforderung dieser Szene besteht darin, mit den lärmbelästigten AnwohnerInnen ein gegenseitiges Auskommen zu finden.

Hamburg gilt mit über 120 Musikspielstätten – gemessen an der Einwohneranzahl – als Deutschlands Live-Club-Hauptstadt mit der höchsten Spielstättendichte.
Die hiesige Clubszene verzeichnet eine spürbare Zunahme von Lärmbeschwerden. Dies hängt zum Einen mit der anwachsenden Nachverdichtung zusammen, zum Anderen sinken scheinbar die Toleranzgrenzen. Zudem hat sich die Erwartungs- und Anspruchshaltung der GroßstadtanwohnerInnen vergrößert, das bestehende Recht auf ländliche Dorfruhe einzuklagen.
Das Klagerecht des Einzelnen kann jede Musikspielstätte mit konsequenten Beschwerden zur Aufgabe zwingen. Anstatt das Richter bei Lärmklagen den Einzelklägern Recht zu sprechen, sollten Beschwerden nur verfolgt werden, wenn mehrere Beschwerdenparteien aus verschiedenen Häusern sich für eine Sammelklage zusammenschließen. Das Schließen von Fenstern gilt vor Gericht leider als unzumutbar. Damit ruiniert häufig ein überzogenes Ruhebedürfnis eines einzelnen Nachbarn eine ganze Branche und trampelt das Bedürfnis von Menschen nach unbeschwertem Feiern oder Erleben von Musik in Grund und Boden. Einer gegen alle, und der eine gewinnt fast immer. Hier läuft etwas gehörig falsch. Selbst in belebten Ausgehvierteln wie der Sternbrücke, Karoviertel, Schulterblatt, Grosse Freiheit oder Parallelstraßen der Reeperbahn häufen sich die Anwohnerbeschwerden.

Die Passivraucherschutzgesetzgebung hat diese Problematik in den letzten Jahren zusätzlich verstärkt, indem rauchende Menschen vor den Club-Türen stehen (müssen) und dadurch die Nachtruhe zusätzlich stören. Hinzu kommen die Schwierigkeiten bei Emissionsmessungen bei bestehenden Beschwerdelagen. Die Nachweispflicht der Grenzwerteinhaltung wird durch Nebengeräusche wie Straßen- oder S-Bahn-Lärm mit kumulierten Werten verfälscht und damit dem Club bzw. dessen Betreiber negativ zugerechnet.

Lärmemission mit Räumen der Musikkultur in Verbindung zu bringen, ist paradox, Clubkultur und Musik ist kein Lärm, sondern Lebensqualität. Der Begriff allein stuft Musikclubs auf eine Ebene mit Verkehrslärm oder Baulärm, und wird damit der Rolle von Musikspielstätten in keinster Weise gerecht. Mit jährlich über 20.000 Bühnen- und Veranstaltungsprogrammen sorgen Musikclubs für den Sound bzw. den Klang einer lebendigen Metropole.
Wenn überhaupt, sind Lärm und Immissionen von Musikorten – im Segment des sog. Freizeitlärms – mit Sport- und Kinderlärm einzustufen. Diese beiden Lärmquellen sind im Baurecht priviligierte Lärmformen und von BürgerInnen zu dulden. Doch bis diese Erkenntnis zu einer angemessenen gesellschaftlichen und politischen Anerkennung führt, wird es wohl noch Jahre andauern.

Um der Problematik im Vorfeld zu begegnen, schlägt das Clubkombinat die Einrichtung einer kommunalen Ombudsstelle vor, die als Ansprechpartner fungiert, um zwischen den Parteien zu moderieren und zu schlichten. Sie könnte polizeiliche Beschwerdelagen dauerhauft dokumentiertén, klassifizieren und in einem Jahresbericht die Lärm-Hotspots veröffentlichen. Diese Daten könnten auch kumuliert in einem städtischen „Club-Kataster“ öffentlich zugänglich gemacht werden. So hätten auch potenzielle Neuzugezogene bereits vor einer Anmietung die Möglichkeit, sich über die Schallquellen ihres Wohnviertels Viertels vorab zu erkundigen. Zudem bedarf es eines jährlichen Sanierungsfonds, der Kosten für dringende Lärmschutzmaßnahmen und Gutachten deckt. Auf Bundesebene muss die Verlagerung der Messpunkte von VOR geöffneten Fenster in das Rauminnere MIT geschlossenen Fenstern vollzogen werden. Leider bringt die jüngst neu geschaffene Gebietskategorie “Urbanes Mischgebiet” keinerlei Verbesserungen für Kulturbetriebe. Nachts bleibt dort der Grenzwert von 45 db(A) auch künftig bestehen. Letzlich müssten künftig Investoren und Eigentümer, die an Musikclubs heranrücken wollen – analog zum Naturschutz – Kosten für Lärmschutzmaßnahmen, Umsiedlungen und/oder Ausgleichsflächen auferlegt werden.

Solange diese Schutzmaßnahmen nicht greifen, verleiht das Clubkombinat die zerbrochene Gitarre 2018 an die geräuschempfindlichen BeschwerdeführerInnen in den Hamburger Szene- und Ausgehvierteln.

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