Im Club mit … Samy Deluxe


Du bist in Hamburg geboren – kannst du dich noch an dein erstes Konzert oder deinen ersten Clubbesuch erinnern?

Samy Deluxe: Mein erstes Konzert war Prince in der Alsterdorfer Sporthalle, auf der „Diamonds & Pearls“-Tour. Aber das ist so lange her – außer dass ich da war, weiß ich nicht mehr viel. Meine Ma hatte mir die Karte geschenkt. Ich mochte Prince gar nicht, aber Michael Jackson war halt nicht auf Tour. Mein erster Clubbesuch war wahrscheinlich in irgendeinem Jugendhaus… Ich durfte früher nicht so lange raus. Das erste Mal, dass ich mehr als ein Glas Sekt zum Anstoßen getrunken habe, war mit 27.

Quatsch!

Samy Deluxe: Doch. Ich war aber auch nie ein Partygänger im klassischen Sinne, der sich irgendwo derbe besäuft und auf den Tischen tanzt. Für mich bedeutete in einen Club gehen nicht tanzen und Frauen aufreißen. Ich wollte immer eine Ecke haben, in der ich entspannt einen rauchen kann. Und ich habe Clubs dazu genutzt, um zu checken, was Leute musikalisch bewegt. Um die Musik zu analysieren und zu gucken, welche Songs im Club am besten klingen. Wie das alles zusammenhängt und warum manche Songs das Publikum mehr bewegen als andere.

Mit welchem Hamburger Laden verbindest du die meisten Erinnerungen?

Samy Deluxe: Ich habe mich zwischen zwei Welten bewegt. Auf der einen Seite war die HipHop-Szene, auf der anderen die Black Music Szene. Mit den HipHoppern war ich viel im Powerhouse, das war ein unglaublicher HipHop-Club. Tropf, der damals mein Mitbewohner und Produzent war, hat außerdem oft im Molotow aufgelegt – ein dunkler Raum voller Kiffer. Tanzen hieß da rum stehen und mit dem Kopf nicken (lacht). Und wir waren auch viel im Golden Pudel Club, wo freitags immer HipHop lief. Da hatte jeder einen Rucksack voller Sprühdosen und anschließend ist man sprühen gegangen.

Und die Black Music Szene?

Samy Deluxe: Die traf sich im Sky gegenüber der Davidwache, oder im Black World. In den Neunzigern gab es in Hamburg eine echt beeindruckende Black Music Szene. Die Partys waren immer verrückt. Die African Boys haben richtig krass getanzt und waren total geil angezogen. Da ging es echt drum, dass du fly aussiehst. Bei den HipHoppern ging es eher um den Lifestyle, da wurde gefreestylt, gebreakt und gesprüht. Beides hat seine Berechtigung und ich bin froh, dass ich beides miterleben konnte.

Wenn du heute ausgehst, wo gehst du dann hin?

Samy Deluxe: Die Jungs im kleinen Donner machen ein gutes DJ-Booking. Leider ist die Anlage da nicht so geil. Und der neue Mojo Club ist schön. Im Oktober spiele ich ja zwei Mal im Mehr! Theater, vielleicht machen wir an einem Abend eine Aftershowparty im Mojo. Aber um ehrlich zu sein: In Hamburg gehe ich nicht aus. Weil ich hier seit fast 40 Jahren wohne und mich viel zu viele Leute kennen. Außerdem habe ich hier schon so krasse Partys erlebt – warum soll ich mich mit irgendwelchen 20-jährigen in viel zu warme Räume stellen und zugucken, was sie in ihrem postpubertären Wahnsinn für Drogen konsumieren? Das ist mir zu anstrengend.

Trifft man dich eher in deinem Restaurant „Gefundenes Fressen“ in der Marktstraße?

Samy Deluxe: Öfter als im Club auf jeden Fall. Am Anfang war ich richtig oft da, weil ich wirklich was zu tun hatte. Jetzt läuft es und wenn ich nicht gebraucht werde, hänge ich da nicht gerne sinnlos rum. Dann fahre ich lieber aufs Land, wo mein Studio ist. Jeden Tag etwas zu kreieren reizt mich mehr als dieses zur Show stellen. Aber das Restaurant ist auf jeden Fall ein Ort, an dem ich mich wohl fühle. Ich habe es ja komplett selbst eingerichtet, das ist wie mein zweites Wohnzimmer.

Was macht denn einen guten Laden aus?

Samy Deluxe: Ich mag Clubs, die ein bisschen dunkler sind und in denen man sich nicht wie auf dem Präsentierteller fühlt. Clubs, in denen man Platz und Anonymität hat, um so zu feiern, wie man will. Das alte Echochamber, wo ich selber mehrere Jahre den „Bounce-Club“ veranstaltet habe, war ziemlich geil. Vorne war ein Bar-Bereich mit Sitzmöglichkeiten und der nächste Raum war der Tanzraum: komplett schwarze Wände, minimale Lichtanlage. Das war der perfekteste Club, den ich in Hamburg je gesehen habe.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Samy Deluxe: In Sachen Konzerte ist Hamburg auf jeden Fall eine der Top Städte in Deutschland. Ich habe hier viele tolle Shows gesehen – in der Markthalle, im Docks, der Freiheit und auch im Stadtpark. Ich bin gespannt auf das Mehr! Theater, denn ein Laden in der Größe hat Hamburg bis jetzt echt gefehlt.

Mal angenommen du würdest zum nächsten Kultursenator gewählt werden, was wäre deine erste Amtshandlung?

Samy Deluxe: Alkohol verbieten und Gras legalisieren (lacht). Nein, ich würde Live-Musik auf kleinem Level fördern. In meinem Restaurant machen wir manchmal ganz spontan angekündigte, kleine Konzerte. So etwas finde ich toll. Ich mag es, wenn Kultur greifbar und direkt an den Leuten dran ist. In Städten wie London oder New York gibt es so viele kleine Clubs mit toller Live-Musik. Wobei ich nicht glaube, dass ein Kultursenator da so viel machen kann. Eine Stadt macht ihre Kultur selber.

Sie entsteht erst durch Leute mit Idealismus, die Dinge bewegen.

Wenn du freie Hand hättest – welchen Künstler würdest du nach Hamburg holen und in welchen Club?

Samy Deluxe: Ich stehe ja total auf Reggae-Festivals und Festivals mit karibischem und afrikanischem Flavour. Ich würde so ein Ding wie die Summer Jam in Köln organisieren, und zwar an der Elbe. So ein nettes Sommer-Festival, wo nur Menschen mit positiven Vibes auftreten. Ein paar geile Reggae-Acts, dann so jemand wie Erykah Badu. Dazu ganz viele Foodtrucks mit geilem Essen, das man nicht an jeder Ecke kriegt – karibisch, jamaikanisch, kolumbianisch. Das wäre glaube ich ein schöner Tag.

Dein aktuelles Album heißt ja „Berühmte letzte Worte“. Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubgänger?

Samy Deluxe: Koks ist schlecht für euch, lasst das.


ZUR PERSON

Samy Sorge, besser bekannt als Samy Deluxe, wurde am 19. Dezember 1977 in Hamburg-Eppendorf geboren und begann schon als Teenager zu rappen. Gemeinsam mit DJ Dynamite und Tropf gründete er 1997 die Band Dynamite Deluxe, mit der er bald erste Erfolg feierte. Seit Anfang des Jahrtausends macht Samy Deluxe unter seinem eigenen Namen Musik und gehört mit über einer Million verkauften Tonträgern zu den kommerziell erfolgreichsten deutschen Rappern. Anfang 2015 eröffnet er mit „Gefundenes Fressen“ sein eigenes BBQ-Restaurant im Karoviertel.


ZUR MUSIK

Nein, Samy Deluxe denkt nicht ans Aufhören. Sein neuntes Album, das im April erschienen ist und Platz Vier der deutschen Charts erreichte, heißt deshalb „Berühmte letzte Worte“, weil es eine Art Bilanz seiner Karriere sein soll, eine Zusammenstellung von Dingen, die er schon immer mal sagen wollte. Und weil darauf Beats zu hören sind, die so gut sind, dass man damit abtreten könnte. Die Texte sind persönlicher und emotionaler als die Vorgängeralben, musikalisch ist das Album eher soulig gehalten – und mit Gastbeiträgen von Megaloh, Afrob, MoTrip, Julian Williams, Nena und Chefket veredelt.


SAMY DELUXE live in Hamburg

Datum: 28. und 29. Oktober 2016 Ort: Mehr! Theater

Einlass: 18.30 Uhr Beginn: 20 Uhr

Tickets: ab 34,45 Euro

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