Im Club mit … Pohlmann


Jeden Monat sprechen wir mit einer Hamburger Band oder einem / einer KünstlerIn über die hiesige Clublandschaft. Im Mai 2017 mit: Ingo Pohlmann. Alle Interviews erscheinen auch im Clubplan Heft und in der Clubplan App. Alle vergangenen Ausgaben stehen in unserem Archiv.

Deine Karriere begann in der Hamburger Bar BP1, wo du als Kellner gearbeitet hast und schließlich entdeckt wurdest. Mit welchen Gefühlen denkst du an jene Zeit zurück?

Pohlmann: Das sind Briketts, die heute noch glühen! Mein damaliger Kollege Erik und ich, wir waren ein echtes Show-Kellner-Team. Wir haben nicht bloß Mopo gelesen, Bier aufgemacht und gewartet, dass der Abend vorbei ging, sondern sind richtig ran an die Leute. Wenn sie eigentlich nur zum Vorglühen gekommen waren, wollten wir erreichen, dass sie den Abend bei uns verbringen. Irgendwann habe ich dann meine Gitarre mitgebracht, so entstand der „Rocker vom Hocker“, wo jeder Musik machen konnte, der wollte.

Wie sah so ein Open-Mic-Abend im BP1 aus?

Pohlmann: Los ging es abends um neun und zugemacht haben wir am nächsten Tag mittags um zwölf. Die Musiker saßen einfach an der Theke. Keine Bühne, kein Licht. Es war eng, klein und laut – aber es hat sich rumgesprochen, dass das der Shit ist, und irgendwann kamen Leute wie Jan Plewka, Sasha und Helling Wehland. Ich würde sagen das war die kleine Version vom Onkel Pö. Die Leute, die daraus hervor gegangen sind, sind berühmt geworden, und die, die da rein gegangen sind, waren schon berühmt.

Den „Rocker vom Hocker“ gibt es immer noch – jeden letzten Donnerstag im Good Old Days. Was ist das besondere an diesen Open Mic Sessions?

Pohlmann: Die Direktheit ist einfach eine andere. Die Persönlichkeit eines Publikums wächst oft mit dessen Kleinheit. Außerdem hat man keinen Druck. Das ist etwas anderes als bei einer richtigen Show. Wenn ich Zeit habe, gehe ich deshalb immer noch gerne zum „Rocker vom Hocker“. Und meistens stehe ich am Ende auch auf der Bühne, mache die Augen zu und bin auf einmal drin in diesem Universum des Vortrags – dabei wollte ich eigentlich nur was trinken.

Wo trifft man dich sonst noch?

Pohlmann: Ich trinke seit eineinhalb Jahren keinen Alkohol mehr, seitdem gehe ich weniger aus. Wenn ich losgehe, dann bin ich wie ein Piranha: Ich bleibe in meinem Gebiet. Ich gehe ins Good Old Days oder ins Jolly Jumper im Haus 73. Das wird von dem einstigen BP1-Besitzer Gerrit Lerch betrieben und sogar die Kellner-Entourage ist zum Teil identisch. In der Daniela Bar bin ich auch gerne, und der Saal 2 und das Le Fonque sind spitze. An Konzertclubs mag ich die Große Freiheit 36, das Knust und die Fabrik am liebsten.

Was macht einen guten Laden aus?

Pohlmann: Ich brauche ein Miteinander. Die Freundlichkeit der Barkeeper trägt viel zur Gemütlichkeit bei – da fühlt man sich an der Theke dann sofort Zuhause. So wie im Zwick zum Beispiel. Das ist alte Schule, wie da mit den Gästen umgegangen wird. Ansonsten mag ich es, wenn ein Laden Geschichte hat. So wie die Große Freiheit. Die Biographie des Ladens spürt man einfach, wenn man da rein kommt.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Pohlmann: Ich finde hier fehlt es an nichts. Das einzige, was mir ein bisschen Sorge bereitet, ist dass sich im Sommer alles nach draußen verlagert. Statt in Kneipen gehen die Leute zum Kiosk. Das ist gefährlich für die Bars. Andererseits können solche Corner-Runden auch echt witzig sein, wenn sich nachts um vier Touristen aus den unterschiedlichsten Ländern auf der Schanze treffen und die Gitarre rausholen.

Es ist 15 Jahre her, dass du nach Hamburg gekommen bist. Was hat dich damals an der Stadt begeistert?

Pohlmann: Ich kam ja aus Münster. Wenn du da nachts auf der Straße einschläfst, kommt die Polizei, bringt dich in dein Studentenbettchen und liest dir noch eine Gutenachtgeschichte vor (lacht). Hamburg war im Vergleich doch eine härtere Gangart – aber natürlich total aufregend. Ich hatte damals einen grasgrünen Ford Granada Combi, 63er Baujahr. Mit dem haben wir vorm Lehmitz geparkt, nachmittags um 15 Uhr das erste Bier getrunken und dann im Auto gepennt. Ich habe damals echt viel erlebt. Einmal sind wir mit einer Schaufensterpuppe um die Häuser gezogen.

Mit einer Schaufensterpuppe?

Pohlmann: Die hatten wir gefunden. Wir haben sie Helmut getauft und dann den ganzen Abend geschultert. Es war nämlich nur ein Torso. In den Bars haben wir Helmut immer auf die Theke gestellt und drei Drinks bestellt. Die Kellner haben sich kaputt gelacht. Am Ende landete Helmut dann in der Vitrine vom Lehmitz. Da stand er bestimmt sieben Jahre, bis ein neuer Besitzer kam.

Am 13. Mai spielst du in der Fabrik. Welches deiner Hamburg-Konzerte wirst du nicht vergessen?

Pohlmann: Am aufregendsten war natürlich das erste. Ich hatte meinem Vater gesagt, dass ich in Hamburg Bauwesen studiere, aber nachdem ich einmal in der Hochschule gewesen war, wusste ich, dass ich da nie wieder hingehe. Stattdessen habe ich eine Band gegründet: Goldjunge. Wir waren dann schnell bei Universal unter Vertrag. Unser erstes Konzert war im Knust. Es waren vielleicht 15 Leute da, aber mein Herz schlug bis zum Hals.

Im Sommer findet in Hamburg das Global Citizen Festival statt. Mit dem Ozean Festival hast du zu Gunsten von Sea Shepherd selbst schon ein Benefizkonzert organisiert. Wen würdest du nächstes Mal einladen?

Pohlmann: Die Beatsteaks und Die Toten Hosen sind Unterstützer von Sea Shepherd, die würde ich gerne mal vor den Karren spannen! Das nächste Ozean Festival kommt übrigens 2018 – dieses Jahr habe ich es wegen meines Albums einfach nicht geschafft.

Bei welchem Konzert würdest du im April selbst gerne auf der Gästeliste stehen?

Pohlmann: Bei den Monsters Of Liedermaching am 1. Mai im Logo natürlich, um meine ganzen alten Buddys zu beklatschen. Die machen nicht nur eine unfassbar lustige Show, sondern haben auch echt gute Texte. Und ich würde gerne bei Pohlmann auf der Gästeliste stehen – dann könnte ich mir das endlich mal von unten ansehen (lacht).

Dein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Pohlmann: Genießt den Sonnenaufgang! Mein letzter Sonnenaufgang nach einer durchzechten Nacht ohne Alkohol war am Altonaer Balkon: Mein Kumpel Erik und ich saßen im Auto und die Sonne ging auf, während wir auf dem Handy die Beerdigung von Bud Spencer guckten. Bei der Rede von Terence Hill hatten wir beide eine Träne im Knopfloch.

ZUR PERSON
Ingo Pohlmann wurde 1972 in Rheda-Wiedenbrück geboren. Nach seiner Maurerlehre verschlug es ihn über Münster nach Hamburg, wo er die Band Goldjunge gründete. Trotz Auftritten im Vorprogramm von Nena, The Cranberries und Laith Al-Deen blieb der große Erfolg aus. Pohlmann kellnerte daraufhin in der mittlerweile geschlossenen Kult-Kneipe „BP1″ und wurde bei dem regelmäßig dort stattfindenden Open-Mic-Abend von Henning Wehland (H-Blockx) entdeckt. 2006 veröffentlichte Pohlmann sein Debütalbum „Zwischen Heimweh und Fernsucht“.

www.ingopohlmann.de

ZUR MUSIK
Pohlmanns fünftes Album „Weggefährten“ ist im März erschienen. Nach dem von elektronischen Sounds geprägten Vorgänger „Nix ohne Grund“ kehrte Pohlmann bewusst zu seinen Songwriter-Wurzeln zurück. Heraus kam eine bunte Platte, die von sparsam instrumentiertem Folk über lupenreinen Pop bis hin zu Kill-Bill-Wüstenrock reicht – mit Texten, die genauso philosophisch wie gesellschaftskritisch sind.


POHLMANN live
Datum: 13. Mai 2017 Ort: Fabrik

Einlass: 20.00 Uhr Beginn: 21.00 Uhr
Tickets: 22,00 Euro

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