Im Club mit … Liedfett


In eurem neuen Video dominieren typische Hamburg-Motive wie Hafenkräne, der Kiez und der alte Elbtunnel. Eine Hommage an die Stadt?

Lucas Uecker: Absolut, und an all die schlaflosen Kiezbewohner. Wir haben uns in diesem Viertel schließlich selbst eine Menge Nächte um die Ohren geschlagen. Ich habe lange in der Großen Freiheit gewohnt. All diese nachtaktiven Gestaltendort – das ist wie eine Parallelgesellschaft. St. Pauli bei Nacht ist ja was anderes als Hamburg am Tag.

Die Hauptrolle in dem Video spielt Bjarne Mädel. Wie kam es dazu?

Daniel Michel: Er ist bei der gleichen Schauspielagentur wie ich und über seine Agentin ließ er irgendwann mal verlauten, dass er unser Album gut findet. Wir hatten schon länger im Hinterkopf ihn mal zu fragen – und dann kam er auf uns zu. Wir konnten es selbst kaum glauben (lacht).

Bjarne Mädel ist genau wie ihr gebürtiger Hamburger. Hält man als Hamburger zusammen?

Uecker: So wie ich die Hamburger Künstler- und Musikszene wahrnehme ja. Wir sind ja sehr eng verbandelt mit Le Fly, Das Pack, Monsters Of Liedermaching oder auch Eljot Quent. Da ist schon ein starker Zusammenhalt. Man hilft sich gegenseitig, vermittelt sich Auftritte.

Eure Bandgeschichte begann der Legende zufolge auf der Toilette des Logos. Ist da was dran?

Uecker: Ja, Philipp und ich hatten damals eine Hardcore-Punk-Band namens Streugut, Daniel hat noch bei Meschugge gesungen. Eines Tages haben wir zusammen im Logo gespielt. Daniel und ich haben uns dann Backstage so geil verstanden, dass wir eine Gitarre mit aufs Klo genommen und ein Lied geschrieben haben. „Sabine“ heißt es. Wir wollten es eigentlich an dem Abend noch aufführen, es war nur schon so spät, dass das Logo uns den Strom abgestellt hat. Aber uns war schnell klar, dass da etwas Längerfristiges draus wird.

Welche anderen denkwürdigen Clubbesuche werdet ihr nicht vergessen?

Uecker: Im ersten Jahr unserer Bandgeschichte waren wir wahnsinnig viel im Kaiserkeller. Da war Donnerstag immer Rocknacht. Die Playlist war jede Woche die gleiche, aber es gab Bier und Schnaps für einen Euro. Danach kam dann unsere Hamburger-Berg-Zeit.

Michel: Unsere krasseste Kiez-Geschichte fing im Lucky Star an.

Erzähl!

Michel: Das war ja einer der ersten Läden, die diese Mexikaner groß rausgebracht haben, deshalb waren wir oft da. Eines Abends haben wir uns mit dem etwas rechts eingestellten Türsteher angelegt. Wir sind dann in die Bar gegenüber geflohen und weil wir noch total euphorisiert davon waren, dass wir an dem Tag drei Songs geschrieben hatten, beschlossen Lucas und ich im Suff Blutsbrüderschaft zu schließen. Wir hatten natürlich kein Messer, also nahmen wir einen Schlüssel. Und genau in dem Moment, als ich zu Lucas sagte „sag mal hast du eigentlich Aids“, kam ein Typ rein. Er konnte nicht mehr vor Lachen!

Wo trifft man euch dieser Tage am Tresen?

Uecker: Seit es die Cobra Bar nicht mehr gibt, sind wir öfter im 20 Flight Rock, weil unser Mercher da arbeitet. Tortuga Bar, Otzentreff und Crazy Horst ist auch ein schönes Dreieck. Und die Ilohh Bar am Hauptbahnhof ist super. Da haben wir früher direkt gegenüber gewohnt und das war praktisch unser zweites Wohnzimmer.

Was macht einen guten Laden denn aus?

Michel: Die Stimmung der Leute ist das Wichtigste. Deswegen fühle ich mich in der Tortuga Bar so wohl. Man darf so sein, wie man ist, und kann an der Bar auch mal sitzen und seine Fresse halten. Jeder Zustand ist erlaubt. Ansonsten finde ich es geil, wenn ein Laden nicht nur ein Ort für Ekstase, Freidrehen und Kreativität ist, sondern auch Jugend- und Sozialarbeit leistet. So wie zum Beispiel die KoZe im Münzviertel. Die Flora ist natürlich auch eine schöne Sache – Hamburg muss ein bisschen dreckig bleiben – und das Freundlich + Kompetent. Da hängt viel Leidenschaft drin.

Wie würdet ihr die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Michel: Ich finde da passiert gerade ganz viel Neues – und wenn man sich ein bisschen treiben lässt und auf sein Bauchgefühl hört, landet man meistens in sehr schönen Läden. Von Außen sieht Hamburg vielleicht ein bisschen wild aus, teilweise vielleicht auch etwas desorientiert. Aber gerade das macht die Szene aus und macht sie zu einer Wiege der Kultur, Kreativität, Inspiration. Diese kleinen, rotzigen Clubs halten sich teilweise doch länger, als man gedacht hätte. Sogar der Pudel macht wieder auf!

Wenn ihr in der Hamburger Kulturpolitik ein Wörtchen mitreden dürftet, welche Projekte würdet ihr angehen?

Michel: Mein großer Traum wäre ein Kulturzentrum aufzubauen. Räume schaffen für genau so etwas. Für Straßenfeste. Auch mal mutiger sein.

Welche Künstler würdet ihr für den Eröffnungsabend in eurem Kulturzentrum buchen?

Michel: Erstmal würden wir uns natürlich selber einen Slot geben. Ansonsten… Wir leben ja nach dem Prinzip „Laufenlassen“, von daher würde ich mir darüber Gedanken machen, wenn es soweit ist. Und dann so schön und groß wie möglich denken!

Uecker: Aber Le Fly, Milliarden, Monsters Of Liedermaching, Das Pack, Urban Majik Johnson, Die Ohrboten und Rantanplan müssen natürlich dabei sein. Wir machen einfach ein Jahr lang jeden Tag ein Konzert, bis wir total kaputt sind.

Bevor es so weit ist– bei welchem Hamburger Konzert würdet ihr im Dezember gerne auf der Gästeliste stehen?

Michel: Puh, da gibt es eine Menge! Dunkelbunt am 2. in der Fabrik – die erinnern mich immer an schöne Tanzabende mit meiner Freundin in ihrer alten WG. Die Beginner am 3. in der Sporthalle, damit sind wir aufgewachsen. Maeckes am 7. im Grünspan, wegen der geilen Texte. Und Rocko Schamoni am 8. in der Fabrik. Da muss man aber eine Windel mitnehmen, weil man sich unter Umständen vor Lachen in die Hose macht.

Habt ihr noch ein letztes Wort an die Hamburger Clubgänger?

Michel: Nehmt euch nicht zu ernst, lasst laufen…

Uecker: …und passt auf eure Wertsachen auf!


ZUR BAND

Als Daniel Michel und Lucas Uecker sich Ende 2007 bei einem gemeinsamen Konzert im Logo trafen, beschlossen sie spontan eine Band zu gründen. Ihren ersten Song namens „Sabine“ schrieben sie noch am gleichen Abend – auf der Toilette. 2010 stieß Philipp Pöhner als festes Mitglied hinzu, ein Jahr später gelang Liedfett mit dem Gewinn des Wettbewerbs „Hamburg rockt“ der Durchbruch. Ihr Debütalbum „Kochbuch“ erschien kurz darauf. Mit ihrem dritten Album „Laufenlassen“ schaffte die Band es im März dieses Jahres auf Platz 46 der deutschen Charts


ZUR MUSIK

„Liedermaching Untergrund“, so nennen Liedfett selbst ihre Musik – weil sie Liedermachertum mit Einflüssen aus Rap und HipHop verbinden. Dafür nutzt das Trio ausschließlich akustische Instrumente, darunter Gitarre, Cajón, Kazoo oder Akkordeon. Die Themen der Songs reichen von Alkoholkonsum über Liebeskummer bis hin zu Gesellschaftskritik. Ihre aktuelle Single „Schlaflied“ handelt von Schlaflosigkeit, im Video spielt „Tatortreiniger“ Bjarne Mädel die Hauptrolle. Liedfett arbeiten derweil schon an ihrem vierten Album, das im März erscheinen wird.


LIEDFETT live in Hamburg

Datum: 23. Dezember 2016

Ort: Große Freiheit 36

Einlass: 18 Uhr | Beginn: 19 Uhr

Tickets: 24,90 €

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