Im Club mit … Johannes Oerding


Johannes, du wirst regelmäßig als „Live Junkie“ bezeichnet. Was ist so toll daran, auf der Bühne zu stehen?

Johannes Oerding: Konzerte zu geben ist für mich die Essenz des Musiker Berufs. Mit den Jahren habe ich gemerkt, dass es das Einzige ist, was mich wirklich zu 100 Prozent glücklich und zufrieden macht. Wenn ich mal eine Woche Pause habe, sitze ich nach zwei Tagen zu Hause und weiß nichts mit mir anzufangen! Das ist wie eine Sucht für mich.

Letztes Jahr hast du 150 Konzerte gespielt. Ist man da noch nervös, oder wird es irgendwann normal, im Scheinwerferlicht zu stehen?

Oerding: Mein Konzept ist ja, jeden Abend ein besonderes Konzert zu geben. Dazu lese ich mir vorher an, was den Ort ausmacht, an dem ich spiele. So kann ich mit den Leuten spontan in Dialog treten. Die musikalischen Säulen stehen, aber zwischen den Songs passiert sehr viel. Von daher bin ich schon vor jedem Auftritt nervös. Sobald die ersten Akkorde gespielt sind, fällt das ab, aber bevor ich auf die Bühne gehe, kriege ich definitiv kleine Adrenalinschübe.

Letztes Jahr hast du in Hamburg deine erste Live-DVD aufgenommen. Sind Konzerte in Hamburg für dich etwas Besonderes?

Oerding: Auf jeden Fall! Ich lebe jetzt seit 15 Jahren in Hamburg, hier habe ich angefangen mit meiner eigenen Musik raus zu gehen, ich bin in fast jedem Club aufgetreten – und irgendwie habe ich das Gefühl, dass Hamburg mich mag. Obwohl ich nur Wahlhamburger bin, stehe ich inzwischen für die Hamburger Musikszene. Das finde ich toll.

Welches deiner Hamburg-Konzerte wirst du nie vergessen?

Oerding: Da gibt es drei: Mein allererstes Konzert im Rahmen der „Lausch Lounge“ im Hörsaal. Unter den 30 Leuten im Publikum war auch Udo Lindenberg, der danach zu mir sagte, ich hätte eine „Kehle aus Gold“ (lacht). Er weiß das heute nicht mehr, aber für mich war das ein riesiger Motivationsschub. Toll war auch, als ich zwei Abende in Folge das Knust ausverkauft habe, denn dort war ich selbst auf so vielen Konzerten. Und der größte Meilenstein war natürlich die Sporthalle. Das kam meinem Kindheitstraum schon sehr nahe, als auf einmal 7.000 Leute meine Lieder sangen.

Gehst du selbst noch gerne auf Konzerte?

Oerding: Absolut, das ist eines meiner größten Hobbys. Wenn Kollegen wie Bosse, Philipp Poisel oder Andreas Bourani in der Stadt sind schaue ich vorbei. Ich gucke mir aber auch oft Konzerte von jungen Kollegen an, weil ich ständig auf der Suche nach Vorbands bin. Gestern erst war ich im Kleinen Donner auf der „Session.One“, das ist eine Serie, die jeden ersten Dienstag im Monat stattfindet. Erst spielen zwei Bands aus dem Bereich R&B, New-Soul, Soul oder HipHop, danach gibt es eine offene Session, bei der jeder spielen kann. Das ist immer ein geiler Vibe. Manchmal mache ich sogar selbst mit – das hängt von meinem Bier-Pegel ab.

Wo gehst du sonst gerne hin, wenn du in Hamburg ausgehst?

Oerding: Da ich mitten in der Schanze lebe, liegen viele Dinge vor der Tür. Meine Ausgehkultur hat sich allerdings verändert. Ich gehe nicht mehr in einen Club, wo ich den ganzen Abend durchtanze, sondern ziehe eher von Kneipe zu Kneipe–da gibt es in der Schanze ja viele Möglichkeiten. Die Daniela Bar zum Beispiel.

Was macht einen guten Club aus?

Oerding: Ich finde es erschreckend, wie viele unfreundliche Leute in der Schanze arbeiten. Ich mache da noch nicht mal dem Service-Personal einen Vorwurf, denn es muss ihnen ja jemand vorleben. Mir ist wichtig, dass Leute aufmerksam sind und nicht so pseudo-cool. Und in Sachen Konzertclubs finde ich es toll, wenn ein Laden ein bunt gemischtes Programm hat, so wie im Kleinen Donner: Mal sind da DJs, mal Live-Bands, und es treffen sich alle Genres.

Wie würdest du die Hamburger Clublandschaft insgesamt beschreiben?

Oerding: Ich finde sie ist sehr unaufgeregt – nicht so verrückt wie in Berlin, wo die Leute oft völlig am Rad drehen. In Hamburg wird man nicht so reizüberflutet, die Feierei ist hier bodenständiger und entspannter. In Sachen Konzertclubs sind wir natürlich mega gut aufgestellt: Wir haben eine Menge renommierte Clubs, die gut klingen. Aber auch für Newcomer gibt es viele Bühnen und Sessions, wo sie sich einfach mal ausprobieren können, zum Beispiel im Goldfischglas in der Schanze oder im Knust.

Mal angenommen du würdest zum nächsten Kultursenator gewählt werden– wo würdest du den dringendsten Handlungsbedarf sehen?

Oerding: Puh, das ist schwierig. Ich glaube ich würde irgendetwas mit dem Bunker an der Feldstraße machen. Vielleicht einen weiteren Club? Aber eigentlich bin ich ganz zufrieden mit der Kulturlandschaft in Hamburg, also ist es wahrscheinlich am besten, wenn ich einfach weiter Musik mache.

Im August spielst du zwei Mal im Stadtpark. Wenn du die freie Wahl hättest, wen würdest du gerne einladen mit dir auf der Bühne zu stehen?

Oerding: Da ich ja gerade mit Udo Lindenberg auf Tour war und das total viel Spaß gemacht hat, würde ich ihn einladen. In meinen Kopf geistern tatsächlich schon viele Ideen herum, was ich mir für die Konzerte Besonderes einfallen lassen kann – vielleicht auch genreübergreifend, dass ich mal einen Rapper mit ins Boot hole. Also die Leute können gespannt sein.

Hast du noch ein letztes Wort für die Hamburger Clubgänger?

Oerding: Unterstützt Newcomer und kleine Bands! Wenn bei Sessions ein Hut herum geht, einfach mal fünf bis zehn Kröten reinstecken oder die CD kaufen.


ZUR PERSON

Johannes Oerding wurde am 26. Dezember 1981 in Münster geboren und wuchs in Geldern-Kapellen am Niederrhein auf. Vor 15 Jahren zog er nach Hamburg, um seine Musikkarriere voran zu treiben. Nach Tourneen im Vorprogramm von Künstlern wie Simply Red, Ich + Ich und Stefanie Heinzmann veröffentlichte er 2009 sein Debüt „Erste Wahl“. Mit seinem vierten Album „Alles brennt“ schaffte er es auf Platz 3 der deutschen Charts, die Platte hat sich bisher über 200.000 Mal verkauft. Oerding ist mit der Sängerin Ina Müller liiert und lebt in St. Pauli.


ZUR MUSIK

Für Johannes Oerding gibt es nichts größeres, als auf der Bühne zu stehen, deshalb brachte er Ende letzten Jahres seine erste Konzert-DVD „Alles brennt – Live in Hamburg“ auf. Die Show wurde in der ausverkauften Sporthalle aufgezeichnet und umfasst 22 Songs: Fast alle Stücke des Erfolgsalbums „Alles brennt“ sowie ältere Klassiker wie „Nichts geht mehr“ und „Engel“. Obendrauf gibt es einen 32-minütigen, intimen Einblick in den Backstage-Bereich.

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