Im Club mit … Alexander Schulz vom Reeperbahn Festival


1. Das RBF findet diesen Monat bereits zum 12. Mal statt und hat sich seitdem kontinuierlich weiterentwickelt. Was ist neu?

Stimmt – kein RBF ist wie das andere. Neben den offensichtlichen Neuerungen, wie der Bespielung der Elbphilharmonie, gibt es in diesem Jahr erstmals einen Music Film Contest, den wir in Kooperation mit dem UNERHÖRT! Musikfilmfestival durchführen – 24 Musikfilme, fünf Abende, vier Spielorte und den Eröffnungs-Beitrag des Wettbewerbs zeigen wir bereits am Dienstag, den 19. Sept. im Metropolis Kino. Streng genommen dauert also das RBF in diesem Jahr erstmals fünf Tage!

Foto: Robin Schmiedebach Photography www.robinschmiedebach.com

Wir versuchen ja schon lange eine plausible räumliche Verbindung für unsere Besucher zwischen den Clubs an der Feldstraße/im Bunker und dem Millerntorplatz herzustellen. In diesem Jahr können wir nun endlich unser Festival Village auf dem Heiligengeistfeld mit unterschiedlichen Spielorten umsetzen. Dort zeigen wir Programm für Fachbesucher und Fans: Panel-Sessions, Konzerte, Kunstinstallationen, Film und vieles mehr. Wichtigster Spielort im Dorf ist ein mobiler Dome für 360-Grad-Produktionen für etwa 250 Besucher, in dem u. a. Martin Kohlstedt ein für das RBF entwickeltes Werk „Currents“ täglich aufführt. Ticketing/Akkreditierung und der Pressebereich ziehen ebenfalls um ins Festival Village.

Beim RBF erfolgt der offizielle Launch des von der britischen PRS Foundation initiierten und EU-geförderten #keychange Projekts, das die Rolle der Frau in der Musikwirtschaft in den Fokus rückt. Gemeinsam mit Partnern aus sechs europäischen Ländern haben wir dann zwei Jahre Zeit, die Gender-Missstände in unserer Zunft zu benennen und Strukturen für Veränderungen auf den Weg zu bringen. Und das ist nur ein Teil der Neuigkeiten des RBF 2017!

2. Welche Spielstätte ist im Jahr 2017 die „Exotischste“ und warum? Welche neuen Spielorte kommen 2017 hinzu?

In den ersten Jahren hat das RBF ausschließlich die bekannten und eingeführten Musik-Clubs auf dem Kiez und in der Feldstraße bespielt sowie das Tivoli und die Fliegenden Bauten. Sie bilden (soweit noch existent) das Rückgrat im Herzen der Veranstaltung, reichen aber kapazitär nicht mehr aus. Deshalb garnieren inzwischen div. weitere Spielorte die Veranstaltung, darunter die HASPA-Filiale, Pearls Table-Dance, das Schulmuseum, der FC St. Pauli Fanshop und die Kirchen St. Michaelis und St. Pauli. Wichtigste Neulinge in 2017 sind die Spielorte im Festival-Village auf dem Heiligengeistfeld, darunter der Full-Dome für 360-Grad-Produktionen.

3. Welche Rolle spielen Hamburgs Musikclubs für das RBF? Und was bedeutet das RBF aus Deiner Sicht für die Hamburger Clubszene?

Ohne Hamburgs Clublandschaft gäbe es das RBF nicht, denn ohne ihre Dichte und Vielfalt wäre ich niemals auf die Idee gekommen, über die Etablierung eines solchen Veranstaltungsformates in dieser Stadt nachzudenken. Als Betreiber eines Kiez-Clubs kann ich sagen: Noch mehr als für viele andere Musikwirtschaftsunternehmen aus Hamburg und Deutschland gilt für uns Club-Betreiber, dass wir die Chance nutzen sollten, die sich einmal im Jahr vier Tage lang eröffnet: Nicht nur der Kontakt mit neuen Besuchergruppen ist hilfreich, sondern natürlich ist es mehr als unschädlich, wenn möglichst viele nationale und internationale Booker, Agenten, Produktmanager von Labels und Verlagen sowie andere Fachbesucher und Medien meinen Laden einmal von innen sehen. Bestimmt wurde auch durch den Erfolg des RBFs die immense Wichtigkeit einer gesunden und vielfältigen innerstädtischen Clubkultur für Stadtteile und Stadt inzwischen nicht nur auf Landes-, sondern auch auf Bundesebene erkannt.

4. Seit 2016 gibt es den ANCHOR – RBF International Music Award. Für alle, die die Premiere verpasst haben – was versteckt sich dahinter?

ANCHOR ist ein Prädikat, das den vielversprechendsten aufstrebenden internationalen Musik-Act des RBFs ehrt. Mit dem ANCHOR wollen wir versuchen, der Entwicklung des RBF gerecht zu werden, dass mit unserem Wachstum auf mittlerweile über 500 Konzerte das Bewusstsein entstand, eine Orientierungshilfe für die Vielfalt des musikalischen Angebots geben zu wollen. ANCHOR bedient sich dabei der Wettbewerbs-Mechanik, wie wir sie von den großen Filmfestivals kennen: Die Konzerte der unbekannten nominierten Künstler im öffentlichen Programm werden von einer recht prominenten Jury beurteilt. Sie besteht in diesem Jahr aus Tony Visconti, Emily Haines, Sonja Glas & Valeska Steiner, Shirley Manson und Huw Stephens und kürt am Samstag, 23.09. den Gewinner des ANCHOR 2017.

5. Der ANCHOR 2016 ging an Albin Lee Meldau, seitdem sieht und hört man den Schweden gefühlt überall. Habt ihr da eure Finger mit im Spiel?

Ja und nein. Wir selber versuchen natürlich auch den ANCHOR Gewinner möglichst gut zu fördern, Albin war zum Beispiel Teil des RBF Showcases bei der SXSW und in New York bei der RBF NYC Edition. Aber in erster Linie schafft der ANCHOR eine extrem gute Grundlage für den Gewinner und sorgt für eine hohe mediale Aufmerksamkeit. Wenn Tony Visconti einen bis dato relativ unbekannten Künstler in den höchsten Tönen lobt, zieht das natürlich seine Kreise und genau das ist ja auch das Ziel des Wettbewerbs.

6. Im Festival Line-Up habt ihr ein sehr vielfältiges Booking, das mehrheitlich aus Newcomern besteht – wo stoßt ihr auf diese KünstlerInnen?

Das Booking-Team ist nicht nur international vernetzt, sondern auch regelmäßig bei allen großen internationalen Showcase-Festivals wie Eurosonic, SXSW, The Great Escape, u. a. und ständig auf der Suche nach Künstlern, die man auf dem RBF präsentieren kann. Glücklicherweise kommen durch den Erfolg der Veranstaltung inzwischen auch sehr viele Agenten, Record Companies und Managements initiativ auf uns zu, um neue Künstler anzubieten.

7. Welchen Auftritt sollte man 2017 auf keinen Fall verpassen und warum?

Ich empfehle diese drei Shows:

  • TUA / Hip-Hop (21.09., Uebel & Gefährlich) – vernebelte Synthesizer-Flächen, tiefe Basslines, stolpernde Drums und neue Emotionalität im Hip-Hop!

  • Charlie Cunningham / Singer-Songwriter (22.09., Michel) – mit feinsinnigen und zarten Songs zu Gast in der St. Michaelis Kirche!

  • Hypnotic Brass Ensemble / Jazz, Hip-Hop (21.09., Mojo) – sieben Brüder, eine Passion: Blasmusik!

8. Das RBF bietet nicht nur Musik – auf welche Rahmenprogrammpunkte kann man sich freuen?

Ich nenne nur zwei unter sehr vielen: Matthias Arfmann, der in 2016 bereits mit „Ballet Jeunesse“ Klassiker im modernen Soundgewand neu interpretiert hat, ist auch in 2017 mit einer Uraufführung vertreten. Mit seiner Band Turtle Bay Country Club präsentiert er gemeinsam mit Spitzenkoch und Buchautor Stevan Paul das Format Cook ´n´ Dub: Live-Cooking mit Live-Musik on stage. Koch-Equipments werden zu gleichberechtigten Instrumenten – und die Musiker verkosten am Ende gemeinsam mit den Zuschauern ein köstliches Gericht. Außerdem wird das Künstlerduo KIASMOS ein 360°-Video zu ihrem neuen im September auf der EP „Synopsis“ erscheinenden Song „ego I blurred“ im Dome auf dem Heiligengeistfeld erstmals zeigen – eine Weltpremiere sozusagen.

9. Wo steht das RBF bei seinem 20jährigen Jubiläum im Jahr 2025?

Es zählt zu den drei relevantesten jährlichen Branchentreffen international.

10. Hast Du noch ein letztes Wort für Hamburgs Clubgänger?

Insbesondere unsere kleinen Clubs sind die Keimzelle für neue musikalische Talente und Strömungen. Nutzt die Chance 360 Tage im Jahr und nicht nur beim RBF! Hört heute im intimen, persönlichen Rahmen die Musik, die morgen als heißer Scheiß gehandelt und in großen kalten Hallen aufgeführt wird!

Always remember: Der kleine Club, der den Künstler aufbaut, wächst nicht mit (ihm).

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