Nandor Olah // Stellwerk

Club-Asse: Nandor Olah // Stellwerk


In unserer Reihe „Club-Asse – Macher, Mucker & Moneten“ stellen wir euch regelmäßig die Köpfe hinter Hamburgs Musikclubs in einem Interview vor. Unser heutiges Club-Ass ist Nandor Olah vom Stellwerk.

Club-Ass: Nandor Olah / Stellwerk

 

Das Stellwerk im Bahnhof Hamburg-Harburg liegt an der meist befahrenen Güterstrecke Europas. Dass man sich auch hier über Lautstärke aus einem Musikclub beschwert, klingt nicht nur absurd, sondern verdeutlicht die prekäre Situation, in der sich die Hamburger Clubs aktuell befinden. Kampfgeist, Engagement und Durchhaltevermögen zählen mehr denn je zu den Eigenschaften, die ein Clubbetreiber heute benötigt, um überleben zu können. Nandor Olah kann ein Lied davon singen und ist zugleich ein Beispiel dafür, dass es funktionieren kann.

Einem Stellwerk ähnlich steuern Nandor und seine Mitstreiter den Live-Musikclub mitten im Fernbahnhof Hamburg-Harburg: Immer wieder werden neue Weichen gestellt, Signale von außen wahrgenommen und verarbeitet, die unterschiedlichsten Musikstile durcheinandergemischt. Mehr als sechs Jahre und 800 Konzerte ist es mittlerweile her, dass der ehemalige Stellwerk- und Jazzclubbetreiber Heiko Langanke ihnen seinen Club anbot. Bis dato waren Nandor und seine Kollegen Nomaden, die in diversen Clubs Veranstaltungen in Richtung Hip Hop, Reggae und Funk organisiert hatten.

Stand der Club 2014 noch kurz vor dem Aus – Querelen mit der nachbarschaftlichen Polizei und dem Gewerbeamt aufgrund der Lautstärke und weiteren Einschränkungen – haben sie sich drei Jahre später einen unverwechselbaren Ruf in der Subkulturszene erarbeitet. Außen wie innen gab es Veränderungen: Die Wände haben einen neuen Anstrich – Barock inspirierte Graffiti-Kunst – und das Team des Stellwerks wurde personell verstärkt. Mittlerweile definiert sich das Stellwerk nicht mehr nur über die Musik, sondern versteht sich als ein Zentrum der Kultur, innovativ und unkonventionell. Neben Poetry Slams und Filmabenden organisieren Nandor und sein Team kultige Konsolen-Turniere und Kinderkonzerte. Ihre Club-Philosophie lässt sich möglicherweise auf die Jazz-Roots des Stellwerks zurückführen: Improvisiertes wird im Miteinander zur Struktur weiterentwickelt und zu einem neuen Regelwerk.

Frage: „Welche Clubstationen hast du schon hinter dir?“

Nandor: „In der Vokü in der Hafenstrasse 116 hatte ich mit Erik Siemens meinen Einstieg als Veranstalter. Von da aus ging es ins Fundbuereau, Waagenbau, Phonodrom, Molotow, Haus 1a, Elektrohaus, Echochamber, Mojo Club, Haus 73, Knust und etliche andere Läden.”

Frage: „Wie bist du zu diesem Club gekommen?“

Nandor: „Mein Weggefährte und guter Freund Stephan Röhler machte im Knust seine Ausbildung zum Veranstaltungskaufmann. Dadurch kam der Kontakt über Karsten Schölermann zustande. Gleichzeitig kannten Heiko Langanke und ich uns als Nachbarn und durch den losen Kulturverband SuedKultur.”

Frage: „Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aus? Welche Aufgaben fallen bei dir an?“

Nandor: „Wir sind ein sehr kleines Team, von daher muss jeder alles machen. Büroarbeit wie Mail-Verkehr, Booking, Personalplanung, Online Promotion, aber auch viel Analoges wie Plakatieren, Flyern, Getränkelieferungen annehmen oder Renovierungsarbeiten. Bei Veranstaltungen packt jeder am Tresen und bei der Reinigung mit an. Mein typischer Arbeitsalltag geht bis zu 10 Stunden, oft auch an Sonntagen. Durch Nachtschichten schläft man oft nur unregelmäßig gut. Im Vergleich zu einem Angestellten ist der finanzielle Verdienst so mies, dass man sich seinen Stundenlohn besser nicht ausrechnet und sich dadurch letztendlich selbst demotiviert.”

Frage: „Was ist aktuell deine größte Sorge, deine größte Baustelle? Wo brennt es?“

Nandor: „Es gibt für uns keine Gewissheit, wie lange es weitergehen wird, denn unser Mietvertrag kann innerhalb von wenigen Monaten seitens des Vermieters gekündigt werden. Als ungefördertes Subkulturzentrum steht der Bezirk zwar hinter uns, der Konflikt mit der Polizei kann aber jederzeit wieder aufflammen oder wir in finanzielle Schieflage geraten. Verglichen mit den Anfangsjahren, ist es bei uns momentan aber angenehm ruhig, so dass wir uns um die wesentlichen Sachen kümmern können, statt Streitigkeiten mit Institutionen auszufechten, die am längeren Hebel sitzen.”

Frage: „Was war mit dem Club dein kuriosestes Behördenerlebnis?“

Nandor: „Dass man sich über einem Bahnhof, an dem die meist befahrene Güterstrecke Europas durchführt, tatsächlich über Lautstärke beschwert hat. Das hat uns immens viel Kraft gekostet und fast in den finanziellen Ruin getrieben. Unsere Anfrage bei der Hamburger Kulturbehörde um finanzielle Unterstützung blieb zudem leider erfolglos.”

Frage: „Welche Wirkung hat die Förderung durch den Live Concert Account auf das Stellwerk?“

Nandor: „Das ist die beste und im Grunde auch einzige regelmäßige Förderung, die das Stellwerk bekommt. Ansonsten würde uns die GEMA vermutlich so viel kosten, dass ein Weiterbestehen des Stellwerks fraglich wäre.”

Frage: „Warum tust du dir diesen Job eigentlich an?“

Nandor: „Weil ich bereits in meinem Pädagogikstudium Richtung Soziokultur geforscht und kulturelle Bewegungen, die aus der Bevölkerung heraus entstehen – ‘von allen, für alle’ -, stets bewundert hatte. Während meiner Studienzeit spielte ich mit meiner Band in vielen antifaschistischen und soziokulturellen Zentren. Es entstand der Traum, selber etwas aufzubauen. Als dann aus dem Nichts das Angebot einer fairen Übernahme kam, griff man einfach zu. Zudem ärgerte ich mich als Harburger immer darüber, dass man nur im Stadtteil St. Pauli feiern, Konzerte besuchen, Subkultur erfahren konnte, während in Berlin jeder Stadtteil einen Kiez hat. Dennoch frag ich mich öfter, warum ich mir das noch antue… vermutlich habe ich eine leicht masochistische Ader oder zu viel falschen Stolz. Aber nach harten Kämpfen mit Ämtern, Polizei und Deutscher Bahn, vielen Tränen, Schweiss und Blut, und einer durchaus positiven Entwicklung ist Aufgeben nicht wirklich eine Option. Womöglich wüsste ich als ausgebrannter Pädagoge aber auch nicht, was ich sonst machen sollte.”

Frage: „Wie wirkt sich die Mitgliedschaft beim Clubkombinat Hamburg e.V. aus?“

Nandor: „Auch wenn wir oft nicht die Zeit haben, die ganzen tollen Angebote tatsächlich auch wahrzunehmen, ist die Arbeit des Clubkombinats schon eine enorme Hilfe für alle Clubs und ihre Betreiber. Andere Förderprogramme gehen häufig am Bedarfszustand der Clublandschaft vorbei: Läden werden bis zum Luxus hin aufgerüstet und in die Elphi ist enorm viel Etat investiert worden. Alle Clubbetreiber, die bisher nicht Mitglied im Clubkombinat sind, machen sich das Leben unnötig schwer. Denn keine Behörde dieser Stadt ist so hilfreich wie diese Institution.”

Frage: „Eine gute Fee sitzt eines Abends bei dir am Tresen. Was wäre dein dringlichster Wunsch?“

Nandor: „Dass die Polizeiwache unter uns umgesiedelt wird!”

Frage: „Worauf freust du dich in der kommenden Saison am meisten?“

Nandor: „Auf das Sommerloch!”

Frage: „Welches Konzert wirst du nie vergessen? Was war da los?“

Nandor: „Puuhh, das ist wirklich schwer zu beantworten, da mich nahezu alle meine U.S. Hip Hop Heroes nie entäuscht haben und mir x-mal das Herz aufging. Das DAS EFX Konzert in unseren ersten Monaten hatte schon etwas Skurriles. Aufgrund unserer unfertigen Bühne spielten sie ebenerdig, stiegen irgendwann auf unsere Bassboxen, so dass Mitarbeiter die unfixierten Boxen festhalten mussten, damit sie nicht umfallen und aufs Publikum krachen.”

Frage: „Welche Band, welcher Künstler, der kürzlich bei euch aufgetreten ist, hat das Zeug, um richtig durchzustarten?“

Nandor: „Eine wahnsinnige Soul-Funk Band aus Kopenhagen namens D/Troit, die unser neuer Booker Jan Nickel über einen Freund zugeschustert bekam. Die waren so der Übershit, dass die Platte bei mir auch nach vier Monaten immer noch rauf- und runterläuft. Der Sänger klingt wie eine Mischung aus Marvin Gaye, Curtis Mayfield und James Brown, sowohl selbstgeschriebene Balladen als auch funkige Partysongs mit einer eigenen Note. Nochmal werden sie für uns nicht erschwinglich sein, weil sie jetzt schon bei einer großen Agentur gelandet sind. Denen wünsche ich echt viel Glück, denn ihre musikalische Klasse hätte den Erfolg verdient.”

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