Andi Schmidt // Molotow

Club-Asse: Andi Schmidt // Molotow


In unserer Reihe „Club-Asse – Macher, Mucker & Moneten“ stellen wir euch regelmäßig die Köpfe hinter Hamburgs Musikclubs in einem Interview vor. Unser heutiges Club-Ass ist Andi Schmidt vom Molotow.

Club-Ass: Andi Schmidt / Molotow

 

In der Winternacht zum 15. Dezember 2013 musste das Molotow, 23 Stufen unterhalb des Straßenniveaus der sagenumwobenen „Esso-Häuser“, evakuiert werden. Lange hatte sich der Club im Herzen von St. Pauli gegen den Abriss gewehrt, doch wackelnde Wände und Risse im Gebäude ließen sich nicht mehr länger ignorieren.

Ja, das waren noch Zeiten, als sich der Club im Sommer 1990 aus einem Kellerloch heraus zu einem der wichtigsten und legendärsten Musikclubs Deutschlands entwickelte, einem Sprungbrett für Neuentdeckungen der Indie-, Punk- und Post-Rockmusik. Da war der Spielbudenplatz noch keine Partymeile wie heute, in die am Wochenende Touristen und Junggesellenabschiede zuhauf einfallen und in der Clubs aufgrund von Lärmbeschwerden der Anwohner schließen müssen. Nach dem unvermeidlichen Abriss und kurzzeitigem Exil in der Holstenstraße ist der Club heute am anderen Ende der Reeperbahn zu finden – eine Location, die ihn näher zu seinen Wurzeln zurückbringt und den Vorteil von mehr Authentizität bietet.

Andi Schmidt ist von Anfang an im Molotow dabei, zuerst als DJ, später dann als Betreiber. Seine Liebe zur unkommerziellen, experimentierfreudigen und schrägen Musik lässt sich aber noch viel weiter zurückverfolgen. Als Bandboss, Sänger und Gitarrist kennt er die Bühne hautnah – Prollhead, Punkles, Alien Boys sind nur einige seiner vielfachen, international bekannten Projekte. So lässt sich wohl auch sein untrügliches Gespür und sein Mut zum Risiko erklären, gab es damals sonst kaum Bühnen, auf denen sich Bands der Indieszene ausprobieren konnten. Weltstars von morgen gaben im Molotow ihre ersten Konzerte: Gossip, Tocotronic, Mando Diao, Teenage Fanclub, um nur einige Durchstarter zu nennen.

Heute steht das Molotow für Qualität, die international bekannt ist. Und obwohl der Club keine institutionelle Förderung von der Stadt erhält und das Damoklesschwert über dem Molotow wie über allen anderen kleinen Clubs hängt, ist er nicht käuflich nach dem Prinzip „Pay to Play“. In einer Stadt, die von zunehmender Gentrifizierung, leuchtturmfixierter Kulturförderung und wachsenden Immobilienpreisen gekennzeichnet ist, bildet der Club einen Gegenpol zu der kommerziellen Unterhaltungsbranche, mit der sich die Stadt gerne schmückt. Sich über alle Widerstände hinweg treu zu bleiben, macht den unverwechselbaren Molotow-Charme aus. Und Subkultur im Sinne von Gegenkultur ist genau das, was die Musikstadt Hamburg und ihr Kiez heute umso mehr brauchen, damit sie überleben.

Frage: „Wie wurdest du Clubbetreiber?“

Andi: „Durch Zufall. Ich war DJ im Molotow und der vorherige Betreiber hatte keine Lust mehr. So hab ich dann zusammen mit einer anderen Molotow-Mitarbeiterin, die dann später auch ausgestiegen ist, den Laden übernommen.“

Frage: „Welche Clubstationen hast du schon hinter dir?“

Andi: „Keine, das Molotow ist mein erster und einziger Club. Ich hatte niemals das Bedürfnis, einen weiteren aufzumachen.“

Frage: „Wie sieht ein typischer Arbeitsalltag aus? Welche Aufgaben fallen bei dir an?“

Andi: „Hauptsächlich Planung. Wir besprechen jeden Montag mit dem Team, was diese Woche alles anfällt und wie wir dieses Konzert oder jene Clubveranstaltung genau durchführen.“

Frage: „Was ist aktuell deine größte Sorge, deine größte Baustelle? Wo brennt es?“

Andi: „Wenn die Mietentwicklung so weitergeht, wird es bald nur noch kommerzielle Partymusik auf dem Kiez geben. Alle anderen können sich die Mieten nicht mehr leisten und das Spannende und Innovative verschwindet. Von Live-Konzerten ganz zu schweigen.“

Frage: „Was war mit dem Club dein kuriosestes Behördenerlebnis?“

Andi: „Als wir seinerzeit zu unserem 15. Geburtstag die Idee hatten, ein Open Air-Event vor unserer Tür am Spielbudenplatz zu planen, und die Behörde zwecks Genehmigung anriefen, hat die Person am anderen Ende der Leitung mit den Worten: „15 ist ja nicht mal ein runder Geburtstag.“ aufgelegt.“

Frage: „Warum tust du dir diesen Job eigentlich an?“

Andi: „Weil ich es nicht einsehe, dass, speziell auf dem Kiez, fast nur noch Mallorca-Partymusik stattfindet. Es muss auch Orte geben, wo die Musik nicht nur dazu dient, die Gäste zum Trinken zu animieren.“

Frage: „Welche Wirkung hat die Förderung durch den Live Concert Account auf Molotow?

Andi: „Die GEMA ist ein ebenso ärgerlicher wie großer Kostenfaktor für einen Live-Musikclub. Ärgerlich, weil mehr als zwei Drittel der GEMA-Einnahmen unter lediglich 15 % ‚privilegierten Mitgliedern‘ verteilt werden, also nicht die Künstler erreicht, die ohne Ende alles geben, sondern die, die am längsten Mitglied sind und die höchsten Umsätze erzielen. Hoch, weil 5% der Konzerteinnahmen an die GEMA abgeführt werden müssen. Bei über 250 Konzerten im Jahr ist das unfassbar viel. Der Live Concert Account bietet uns die Möglichkeit, anhand unserer bereits bezahlten GEMA-Gebühren im Vorjahr eine Förderung zu beantragen und ist deshalb nicht mehr wegzudenken.“

Frage: „Wie wirkt sich die Mitgliedschaft beim Clubkombinat Hamburg e.V. aus?“

Andi: „Das Clubkombinat ist ein Dachverband, der schon lange notwendig war, um Clubs zu vernetzen und zu vertreten.“

Frage: „Eine gute Fee sitzt eines Abends bei dir am Tresen. Was wäre dein dringlichster Wunsch?“

Andi: „Dass sie nicht zu viel trinkt und sich am nächsten Tag noch an all die Wünsche erinnert, die ich ihr zugeflüstert habe.“

Frage: „Welches Konzert wirst du nie vergessen? Was war da los?“

Andi: „The Hives und International Noise Conspiracy in einem Konzert. Es war die Hölle los.“

Frage: „Welche Band, welcher Künstler, der kürzlich bei euch aufgetreten ist, hat das Zeug, um richtig durchzustarten?“

Andi: „Yungblud spielten am 26.01.2018.“

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